Die Identitären und Pegida

Pegida tobt in Dresden. Erst 4.000, dann 10.000, mittlerweile 15.000 Menschen beteiligen sich an einer Demonstration, die ernsthaft den Namen „Patriotische Europäer gegen die Islamisierung des Abendlandes“ trägt. Soweit, so abstrus. Viele Menschen haben in den letzten Tagen sehr gute Einschätzungen geschrieben, etwa hier in der taz oder hier von Michael Bittner.

Unterm Strich bleibt: Nein, Pegida ist nicht der spontane Aufstand der leidgeplagten Massen, die sich im hochislamisierten Dresden (von allen Städten!) nicht mehr anders zu helfen wissen. Zum Einen kommen dort alltbekannte Rechtsextreme und Nazis zusammen, die auch sonst bei allen pogromähnlichen Veranstaltungen sind, von Burschenschaftern bis zur NPD und von armen missverstandenen CDUler_innen bis zur AfD. Dazwischen die üblichen Schlägernazis und die kleinbürgerlichen, die Hand in der Hosentasche ballenden Familien und besorgte Bürger_innen, die es „denen da oben“ endlich mal reinsagen können, indem sie gegen Leute hetzen, die um Einiges schlechter dran sind als sie selbst. Kleinbürgerliche Logik seit eh und je: Opfer sein und den Mächtigen das Bein stellen wollen, indem man nach unten tritt, weil man zu feig ist, sich mit Großbürgertum und Adel anlegen zu wollen. Zum Anderen ist das Ganze eine inszenierte und organisierte Veranstaltung, nämlich von einem gewissen Lutz Bachmann, über den und die Seinigen auch schon genug geschrieben wurde.

Pegida ist der Diskurs der Neuen Rechten auf die Straße übertragen. Sie sind nicht links, nicht rechts, sondern besorgt/anständig/vernünftig usw. Und sie haben ja nichts gegen Flüchtlinge/Muslime/Migrant_innen (alles das Selbe in ihrer Logik) ABER Abendland!

Natürlich passen da die besorgten Retter_innen des untergehenden Abendlandes, die Identitären, gut dazu. Hier eine erste Auflistung der Konnexe:

Lutz Bachmann, der sich selbst als gar nicht rechts darstellt, bestellt offenbar gerne im rechtsextremen Versandhandel. Denn nur absoluten Insider_innen dürfte Phalanx Europa, der Merchandise-Shop der Identitären, ein Begriff sein. Wenn man sich ca. 15 Sekunden auf der Seite umschaut, kommt man auf Shirts wie das zynische „Lampedusa Coastguard“ oder Textilien mit menschenfreundlichen Gestalten wie dem japanischen Faschisten Yukio Mishima oder auch Ernst Jünger.

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Der Schriftzug von Phalanx Europa ist im Stile von Lonsdale gehalten, so muss sich auch nicht das sonst so klassische Lonsdale-Publikum (von dem sich die Firma distanziert und antifaschistische Projekte sponsert) umgewöhnen. Phalanx Europa wird von Martin Sellner betrieben, der lange im Umfeld von Gottfried Küssel (dem Obernazi der Zweiten Republik in Österreich) aktiv war und mittlerweile die Identitäre Bewegung in Wien leitet. Bei so einem Shop bestellt der unbedarfte Lutz Bachmann also und trägt stolz ein schwarz, rot, weißes Shirt mit Adler und den Worten „Einigkeit, Recht, Freiheit“ (Anspielung auf die deutsche Nationalhymne). pegida Shirtphalanx

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AntiFa-Recherchen haben ergeben, dass die Identitären aus Österreich selbst zu Pegida nach Dresden gefahren sind, um dann begeistert und pathetisch eine „spontane Volkserhebung“ herbei zu fabulieren.

Auch beim, eher minder erfolgreichen, Pegida-Ableger in Bonn – Bogida (nein, das ist kein Scherz) – sind die Identitären führend dabei. Melanie Dittmer ist dort die Drahtzieherin wird sogar für das ARD-Morgenmagazin interviewt. Der Beitrag ist sehr schlecht und apologetisch, aber hier zu finden. Melanie Dittmer ist die Anmelderin von Bogida und trat am 15.12. auch als Rednerin in Erscheinung, wie bereits bei Dügida in Düsseldorf. In der Lotta Nummer 57  ist ein sehr gut recherchierter Artikel über ihre zahlreichen Aktivitäten in und um die rechtsextreme und neonazistische Szene NRWs. Dittmer ist zudem einer der aktivsten Personen der Identitären Rheinland und Pro-NRW-Funktionärin.

Quelle: indymedia. Facebookprofil Dittmers.

Quelle: indymedia. Facebookprofil Dittmers.

Die deutschen Identitären sind im Vergleich zu Österreich und Frankreich ziemlich lasch, aber in den letzten paar Monaten tut sich um Einiges mehr. Das Rheinland und Sachsen zählen mittlerweile zu den aktiveren Ablegern. Die Identitären im Rheinland rufen offen zur Teilnahme an Bogida, wie auch schon zu Hogesa, auf. Dittmer hat zudem die Identitäre Aktion mitbegründet, die mittlerweile ihre Hauptbeschäftigung sein dürfte. Das ist ein nochmal aggressiverer, aktionsorientierer Arm der Identitären Bewegung. Dittmer ist also das lebende Beispiel für die engen Verknüpfungen zwischen Identitären, offen rechtsextremer Szene, Neonaziszene und der „besorgten“ bürgerlichen Mitte, die für das Abendland demonstrieren. Bogida und der Aufruftext ist nichts anderes als ein (schlecht maskiertes) Projekt der Identitären.

Fazit: Pegida, Bogida usw. sind nichts anderes als die Diskurse der Neuen Rechten auf der Straße. Von „Kein links, kein Rechts“ bis zur „Erweiterung des Rahmen des Sagbaren“ werden zahlreiche Strategien der Neuen Rechten angewandt. Dazwischen tummeln sich dezidierte Führungsköpfe und Multiplikator_innen der Neuen Rechten wie Akif Pirinçci, Vertreter der Sezession oder eben der Identitären. Dass auch die AfD (wenngleich die Leute immer als „Privatpersonen“ handeln) mitmischt, verwundert nicht, nimmt sie doch mittlerweile immer mehr die Entwicklung zur neurechten Partei (auch wenn das ein Paradoxon ist).

Pegida, Bogida, Kagida bringen zusammen, was schon längst zusammen gehört und nie getrennt war: Ein verrohtes Bürgertum, dass sich diffus wirkende Aktivierungspunkte sucht und findet. Von antifeministischen und homophoben wie transphoben Ausfällen bis zum antimuslimischen Rassismus und dem Hass auf Flüchtlinge spannt sich ein breites Feld auf, das nun auch aktionistich beackert wird, nachdem es in den letzten Jahren durch die Diskurse von rechtsextremen Intellektuellen vorbereitet wurde.