Vergewaltigungsdrohungen sind „Unmutsäußerungen“ laut Staatsanwaltschaft

Nach meinem Auftritt bei Puls4 (mit Udo Guggenbichler und Ursula Stenzel im Dream-Team) habe ich eine Vergewaltigungsdrohungen bekommen.

Vergewaltigung

Ich habe eine Anzeige eingebracht. Der Verfassungsschutz, der kontaktiert wurde, hat sich nie bei mir gemeldet oder sich das Mail genauer angeschaut. Obwohl es offensichtlich ist, dass das Mail aus dem rechtsextremen Lager kommt. Es scheint als wären Drohungen gegen Menschen nicht so wichtig wie Fensterscheiben.

Heute habe ich Post von Staatsanwalt Mag. Markus Göschl bekommen. Er sieht keine Drohung, sondern „emotional- und situationsbedingte Unmutsäußerungen“. Mit anderen Worten: Ich bin selbst schuld, wenn mir Leute sowas schreiben, was muss ich auch so emotional schlimme Situationen für Rechtsextreme herbeiführen. Das heißt, dass jeder Typ eine Frau mit Vergewaltigung bedrohen kann und dann auf Verständnis beim Staatsanwalt pochen darf, weil alles ja so emotional war. Die Mail wurde übrigens am Tag nach dem Fernsehauftritt gesendet, also eigentlich genug Zeit, um sich sehr genau zu überlegen was da drin steht.

Vergewaltigung2

Der Tragödie erster Teil: Verfassungsschutzbericht 2014 – Rechtsextremismus

Jedes Jahr flattert der neue Verfassungsschutzbericht ins Haus. Er behandelt immer das vorangegangene Jahr. Im Verfassungsschutzbericht 2014 geht es also eigentlich um 2013.

Der Bericht beginnt mit der selben zuversichtlichen Feststellung, mit der er jedes Jahr beginnt: Rechtsextremismus ist in Österreich kein Problem und quasi inexistent. Und im internationalen Vergleich auf niedrigem Niveau. Die Frage ist, womit hier verglichen wird? Der Weimarer Republik?

Es wird gleich nachgelegt: Rechtsextremismus ist weniger durch spezifische ideologische Versatzstücke zu erklären, sondern Ausdrucksform „alkoholisierter und/oder frustrierter Personen“. Das geht nicht nur am Kern der Sache vorbei, sondern relativiert Rechtsextremismus und verschleiert, dass Rechtsextremismus durchaus auch eine Elitenideologie ist. Im Verfassungsschutzbericht wird aber gleich zu Beginn das Bild des alkoholisierten, pöbelnden, unterprivilegierten Dorfnazis gezeichnet. Also möglichst das Gegenteil von smarten Anzugträgern, die studiert haben und nun hohe gesellschafftliche Positionen besetzen. Dementsprechend wird rechtsextremen Parteien ein Wahlerfolg in Abrede gestellt. Hier würde ich sehr deutlich widersprechen. Aber der Verfassungsschutz hat einen Rechtsextremismusbegriff, der Deckungsgleich mit Neonazismus ist. Mit dieser sturen Definition entledigt er sich der Aufgabe, bei etablierten Parteien, Organisationen und Vereinen genauer hinzuschauen.

Dafür haben die Identitären einen prominenten Auftritt im Bericht. Man sieht das Unbehagen und die Hilflosigkeit, mit der sich der Materie „Neue Rechte“ angenähert wird, aber im Bericht bekommen die Verfasser_innen des Berichts es halbwegs hin. Anders sieht es schon aus, wenn das dann auch mündlich erklärt werden soll.

Exkurs Neue Rechte

verfassungsschutznr2014 Quelle: orf.at

Das ist ein komplettes Missverstehen, was die Neue Rechte ist. Die Neue Rechte bezieht sich ideologisch nicht direkt auf den Nationalsozialismus, sondern auf die Konservative Revolution der 20er und 30er Jahre, also auf Leute wie Carl Schmitt, Ernst Jünger und Arthur Moeller van den Bruck. Aber die Annahme, dass diese „gar nichts“ mit dem Nationalsozialismus zu tun haben, ist Blödsinn. Wie soll so ein Nichtverhältnis existieren? Es wird so getan, als handelte es sich um zwei unterschiedliche, fein säuberlich von einander abgetrennte Spektren. Jedoch, wenn wir ein recht banales Alltagsbild bemühen wollen: Die Konservative Revolution ist das Salz im Kochwasser, das uns den Nationalsozialismus als Hauptgang schmackhaft machen soll. Die Protagonisten der Konservativen Revolution und heute der Neuen Rechten sind jene, die ein gesellschaftliches Klima geschaffen haben/schaffen, in dem der Nationalsozialismus überhaupt erst erfolgreich sein konnte/kann. Dabei unterscheiden sich, durchaus auch entscheidende, Ansichten diametral von der Parteilinie. Vielen der intellektuellen, elitären Herren der Konservativen Revolution war die NSDAP zu pöbelhaft und auf Masse ausgerichtet. Aber ideologische Unterschiede und Richtungswechsel gab es auch innerhalb der NSDAP. Und es gibt sie auch heute innerhalb rechtsextremer Parteien. Aber das ändert nichts daran, dass sowohl die Kämpfer um geistige Hegemonie als auch die plumpen und gefährlichen Straßenkämpfer dem selben rechtsextremen Lager angehören. Sie gehen nur schön arbeitsteilig vor. Die einen toben sich in den Feuilletons aus, die anderen bemühen sich um Wahlerfolge mit Parteien und die Nächsten gehen am Rande der Demos gegen den WKR-Ball Linke verhauen. Das alles ist ein Spektrum. Und der Erfolg einer Ebene strahlt auf den Erfolg der anderen. Mit anderen Worten: Jedes Mal, wenn in etablierten Medien die Pirinçcis und Sarrazins dieser Welt zu Wort kommen dürfen, gewinnen rechtsextreme Parteien ein Stückchen mehr und wird Gewalt gegen Migrant_innen, Linke, Feminist_innen usw. akzeptabler. Nicht in direkter Linie, wie es gerne als lächerlich machende Überreaktion dargestellt wird, sondern in kleinen Dosen. Es wird ein Klima geschaffen, in dem Menschen aufgrund einer biologistischen Zuschreibung oder einer progressiven, linken Weltanschauung abgewertet werden. Die Nation/das Volk wird als unhintergehbares Zentrum und einziger Daseinszweck der Gesellschaft dargestellt. Wer da biologistisch nicht dazu gehört oder sich politisch der Zugehörigkeit entzieht, muss in dieser Logik bekämpft und aus der Gesellschaft ausgesondert werden. Diese Menschen sind in diesem Denken also zwangsläufig nicht teilhabend an diesem Kollektiv und damit ohne übergeordnete Rechte. Denn Kollektive wie Nation und Staat sind die kleinste gedachte Einheit im rechtsextremen Denken. Menschen für sich und Gruppen, die nicht zugehörig sind, haben keine Rechte gegenüber dem gedachten Volk und der konstruierten Nation. Und hier liegt das Potential der Neuen Rechten – dieses völkische und nationalistische Klima zu befeuern, wie weich oder seriös sie ihre Botschaft auch immer vorträgt. Da braucht es keine direkte organisatorische Anbindung an den organisierten Neonazismus. Das kommt von ganz alleine. Die einen schaffen das Klima, die anderen erledigen die Drecksarbeit.

Abgesehen davon ist es höchst bedenklich, wenn Gridling die Begrifflichkeiten der Rechtsextremen selbst übernimmt und als legitime Beweggründe darstellt.

Wer vorkommt und wer nicht

Spannend ist, dass im Zusammenhang mit den Identitären auch die Burschenschaften wieder schüchtern Eingang in der Verfassungsschutzbericht gefunden haben. Immerhin. Auch die Nazi-Hooligans von „Unsterblich“ werden beschrieben, wenn auch nicht namentlich genannt. Es fällt generell auf, dass sich der Verfassungsschutz mit dem Schreiben von Namen sehr schwer tut. Um die Identitären zu beschreiben, aber nicht namentlich zu nennen, werden fast abenteuerliche Sprachverrenkungen unternommen. Der WKR-Ball kommt natürlich, wieder einmal, nicht unter Rechtsextremismus vor. Alpen-donau.info kommt namentlich, Objekt 21 gar nicht vor.

Straftaten

Es wird säuberlich vermerkt, dass Anzeigen genau nichts aussagen. Der Subtext ist natürlich, dass es gerade bei rechtsetxtremen Verbrechen eine hohe Dunkelziffer gibt. Ferner ist es auch so, dass rechtsextreme Verbrechen oft nicht als diese erkannt werden. Es ist unklar, wie viele rechtsextreme Verbrechen unter „unpolitisch“ abgelegt wurden. In Deutschland wird das mittlerweile überprüft.

Spannend bei der Statistik über rechtsextreme Straftaten ist, dass die Zahl der gefährlichen Drohungen als auch die Tatbestände der Verhetzung ordentlich nach oben gingen.

Zusammenfassend lässt sich sagen, dass österreichischer Rechtsextremismus nach wie vor grob unterschätzt wird. Das ist kein Versehen, sondern hat System. Rechtsextremismus wird verharmlost und zusammen mit „Linksextremismus“ als gleichwertig gesehen. Als würden sich zwei Streunerkatzen vor dem Fenster balgen und der Verfassungsschutz muss dazwischen gehen und die Beiden trennen. Als hätte Rechtsextremismus keine Auswirkungen auf niemanden.

Dementsprechend überlasse ich dem Känguru das letzte Wort.

kängurulinksrechts

P.S.: Ceterum Censeo: Der Verfassungsschutz gehört abgeschafft.

 

In den nächsten Tagen folgt die Analyse zum Teil „Linksextremismus“ und wir hier verlinkt.

 

Die FPÖ und ihr Wahlerfolg

Und wieder schauen alle verwundert drein. Sie süffeln an ihrem Wein oder Aperol Spritzer und versichern sich via Twitter, dass sie auch wirklich total moralisch entrüstet sind, dass die FPÖ sooo stark ist. Was müssen die Wähler_innen nicht wahlweise für bescheuerte, kranke, gehirnamputierte oder schlichtweg dumme Menschen sein. Padauz, was erlauben? Wie konnte die Mehrheit der jungen Männer und der Arbeiter_innen nur die FPÖ wählen?! Dumm, dumm, dumm. So in etwa die Reaktion auf das richtig erfolgreiche Wahlergebnis von 21,4% der FPÖ. Es gibt nun zwei Möglichkeiten: Sich der eigenen moralischen Überlegenheit versichern, ein bisschen weinen über die moralische Ungerechtigkeit und so tun, als wäre nix oder sich eben anschauen, wie es dazu gekommen ist. Im Folgenden nur ein paar Schlaglichter, wovon wahrscheinlich jedes Einzelne Bücher füllen könnte. Es bringt nämlich wirklich nichts, ein Ergebnis hochzujubeln, weil die FPÖ eh nur auf Platz 3 ist und wahlweise eh nur 2% verloren wurden oder man sogar ein ganzes Prozent dazugewonnen hat. Die FPÖ ist 10% vor den Grünen, es gab nie ein Kopf-an-Kopf-Rennen. Die SPÖ ist in Reichweite der FPÖ, die ÖVP sowieso.

Die FPÖ und die Arbeiter_innen

Die FPÖ überzeugt das wahlberechtigte (in diesem Fall besonders wichtig zu erwähnen, denn große Teile dieser Schicht sind von den Wahlen ausgeschlossen) Proletariat für sich. Das liegt nicht daran, dass die Arbeiter_innen alle so blöd oder genuin rassistisch mit geschlossenem Weltbild sind. Es liegt daran, dass die FPÖ die soziale Frage thematisiert. So authentisch wie offenbar keine andere Partei. Das liegt nicht nur an den berühmten einfachen Lösungen für komplexe Probleme. Denn auch sonst offerieren viele auch keine komplexen Lösungen für komplexe Probleme. Entweder gibt es Durchhalteparolen oder ein „Ist eh alles super“-Gestammel. Die FPÖ kanalisiert als einzige Partei Protest und Unmut. Und das ist eine ureigene Aufgabe einer Arbeiter_innen-Partei. Die FPÖ ist natürlich keine genuine Arbeiter_innen-Partei, hat kein Interesse an Klassenkampf und denkt ganz generell nicht in Klassen, sondern in konstruierten Gebilden wie „Rassen“ (ja, wirklich) oder Nationen. Aber sie kanalisiert den Protest und führt ein eigenes Narrativ in die soziale Frage hinein, indem sie sie rassistisch erklärt. Dabei muss sie gar keine Lösungskompetenz beweisen, sondern immer nur weiter drauf hauen. Migrantische Arbeiter_innen sind hier am ärgsten getroffen: Sie können sich nicht via Wahlen wehren, haben keine Stimme in der österreichischen Politik und das Umfeld um sie herum wird ihnen gegenüber immer feindlicher. Aber einfach nur über die „Prolos“ zu schimpfen (gerne auch in Form von Fußball-Fans oder „Unterschichten-TV-Shows“) bringt gar nix, außer sich in bürgerlicher Weinerlichkeit zu suhlen. Die soziale Frage konsequent, kämpferisch, nicht defensiv und ohne Rassismus zu thematisieren – Das ist nicht leicht und geht nicht von heute auf morgen. Viele Gewerkschaften leisten hier (zum Glück) auch gute Arbeit, aber in Stimmen bei der Nationalratswahl landen diese Stimmen bei der FPÖ. Weil sie sich dort am Besten aufgehoben fühlen.

Nichts ist gut für die Jugend

Es läuft gerade nicht wirklich so viel rund in Europa. Wir leben in keiner Zeit kollektiver Euphorie und Zukunftsfreude. Unsere Eltern oder Großeltern sahen das noch anders, zweifelten nicht an ihren Pensionen und waren nicht alle paar Monate arbeitslos oder hatten befristete Verträge, die einen zweifeln lassen, wie es in einem halben Jahr weitergehen soll. Das ist das Lebensgefühl einer Generation von Unter-30-Jährigen. Die, die vom formalen Bildungssystem auch noch aussortiert wurden, trifft es (wie immer) noch schlimmer. Firmen suchen sich Lehrlinge aus und viele bleiben am Schluss über. Das System streckt ihnen richtig schön den Mittelfinger entgegen und macht ihnen klar: Dich brauchen wir nicht, du bist überflüssig. Es verwundert nicht, dass diese Leute wirklich keinen Bock auf die Regierungsparteien oder Strahle-Grüne haben, denen Radständer ein größeres Anliegen sind. Wo sind denn die jungen Leute ganz vorne, die das überzeugend thematisieren, egal in welcher Partei?

Die FPÖ ist eine rechtsextreme Partei

Das ist in der sozialwissenschaftlichen Forschung ziemlich anerkannt. Interessiert in Österreich nur niemanden. Weder gibt es eine wissenschaftliche Auseinandersetzung, noch eine mediale, die über die bloße punktuelle Empörung hinausgeht. „Nazi, Nazi, Nazi“-schreien ist viel zu wenig, wenn man sich ernsthaft über Rechtsextremismus unterhalten möchte. Es gibt keine Strategien, wie mit so einer Partei umzugehen ist. Es gibt keine Analyse über ihre Strategien. Es gibt nur sehr oberflächliche Betrachtungen zwischen Lethargie und Kreischen.

Der Kampf gegen Rechtsextremismus

… ist in Österreich auf einer hohen Ebene recht inexistent. Es gibt tolle Initiativen, Einzelpersonen und lose Zusammenschlüsse, die ganz, ganz tolle Arbeit leisten. Aber es gibt keine staatlich finanzierten think tanks, Programme oder Personen. Es gibt keine Aussteigerprogramme, es gibt nicht einmal ein Info-Telefon, es gibt keine regelmäßigen Publikationen von irgendeiner Seite und schon gar nicht gibt es ein Forum, wo all diese Leute einmal zusammenkommen könnten. Das ist jetzt weniger ein Versagen von Parteien an sich, sehr wohl aber von Teilorganisationen. Eitelkeiten, Befindlichkeiten und plumpe Agitation für den eigenen Minisumpf haben viel kaputt gemacht in der antifaschistischen Szene in Österreich. Es fehlt aber eben auch an grundsätzlichen Rahmenbedingungen, die zumindest den Kampf nicht behindern. Ein besonderes Ärgernis ist der Verfassungsschutz, wie schon dargelegt. Die Erkenntnisse von qualifizierten Personen und Initiativen quer durch alle Bundesländer schaffen es leider selten bis nie auf höhere Ebene.

In den Medien gibt es eine liberale Hegemonie

Es gibt keine linken Medien in Österreich, außer vielleicht den Augustin. Standard und Falter sind liberal, nicht links. Das haben sie oft genug bewiesen. Die sind zwar auch ganz empört, wenn es um die FPÖ geht, aber sie übernehmen ihre Narrative. Unvergessen der Spengler-Fan, der vor einem Jahr im Sommer im Standard ein Interview gab und den Rausschmiss Griechenlands auf die denkbar autoritärste Art und Weise forderte. Kommentarlos. Solche neoliberalen Freakos dürfen recht oft zu Wort kommen in Österreich. Auch der Falter übernimmt Narrative, etwa gegen die böse Politische Korrektheit. Wenn es eine linke Zeitung gäbe, wäre vieles einfacher, so bleiben linke Stimmen stumm. Die liberale Hegemonie zeigt sich im Hype um die Neos, die reingekommen sind, weil sie von den Medien reingetragen wurden. Die KP etwa bekam nie diese Aufmerksamkeit, hat aber weit vernünftigere Ansätze. Die Ideologie der Neos (ja, die haben eine!) ist die, die hinter der Wirtschaftskrise steht. Diese ermöglichte in letzter Konsequenz erst den Aufstieg der FPÖ.

Wenn niemand das thematisiert, was die FPÖ (authentisch) thematisiert; wenn niemand sieht, dass es den Meisten eben nicht superleiwand geht; wenn niemand sich analytisch mit Rechtsextremismus beschäftigt und wenn niemand linken Antworten auf die Krise zu einer Stimme verhilft, dann ist es eine schöne Chuzpe, FPÖ-Wähler_innen als irrationale Trottel zu bezeichnen. Sie wählen so, nicht weil sie moralisch so verkommen sind, sondern weil sie glauben, dass das am meisten ihren Interessen entspricht. Das ist bitter, aber das einzugestehen steht ganz, ganz vorne in einer ersten Analyse.

Der Verfassungsschutzbericht als Farce und Tragödie – Teil 2 “Linksextremismus”

Teil 1- Rechtsextremismus hier

Der Bericht zu Linksextremismus ist in einem ganz anderen Stil geschrieben, als jener zu Rechtsextremismus. Er fängt gleich einmal damit an, ein Bild linker Gewaltäter_innen zu zeichnen und Ängste zu schüren. Die Linke wird dämonisiert.

 Was sich bei den Linken alles im Bericht findet

Antifaschismus, gegen Rechts, Kapitalismuskritik, das Ansprechen von sozialen und gesellschaftlichen Problem sowie das Thematisieren der Wirtschaftskrise. Diese Fülle an Themen findet sich im Bericht zum „Linksextremismus“ plötzlich wieder. Während beim Rechtsextremismus nichts konkret angesprochen wird, wird bei Linken alles aufgezählt und alles als verdächtig angesehen, selbst die banalsten Dinge. Damit wird insinuiert, dass all die aufgezählten Beweggründe irgendwie anrüchig oder illegal wären. Kritiken am Asylwesen, an der sozialen Lage oder am Wirtschaftssystem fallen genauso darunter. Verbunden wird das immer mit dem Andeuten von Gewalt. Damit folgt der Verfassungsschutz praktischerweise der Linie, die von vielen zivilgesellschaftlichen Organisationen vorgegeben wurde. Eine Trennung des Protests in „gut“ und „böse“. Gut = Zivilgesellschaft, böse = die Linke. Doch das rettet die Zivilgesellschaft natürlich nicht. Das Anbiedern hat nur insoweit etwas gebracht, als dass ein gewaltvolles Bild der Linken gezeichnet wird und jeder Protest eine Gefahr für die öffentliche Ordnung und deswegen illegitim ist. Die Zivilgesellschaft kommt aber trotzdem vor. Sie wird beiläufig erwähnt. Aber sie steht im Verfassungsschutzbericht. Auch „parlamentarische Parteien“ stehen drinnen. Der Verfassungsbericht ist ja keine Erzählung über das schönste Urlauberlebnis, sondern die bewusste politische Entscheidung, Parteien und die Zivilgesellschaft in diesen offiziellen Bericht hinein zu schreiben. So etwas fehlt beim Rechtsextremismus gänzlich. Da wird nicht von einer „politischen Partei“, nicht einmal dem „Umfeld einer politischen Partei“ gesprochen, was mehr als verdient gewesen wäre. Aber unter „Linksextremismus“ werden sowohl Parteien (wenn auch nicht namentlich, aber es ist klar, wer gemeint ist) als auch die Zivilgesellschaft erwähnt. Auch Veranstaltungen werden erwähnt – blockupy und der WKR-Ball. Letzterer kommt im gesamten Bericht ganze vier Mal vor. Immer im Zusammenhang mit „Linksextremismus“.

Es wird quasi alles aufgezählt, was es an Protesten gegeben hat, auch wenn diese völlig legal waren und es zu keinen Ausschreitungen gekommen ist. So wird eine Gegendemo zu einer Anti-Abtreibungs-Demo erwähnt, die Anti-Abtreibungsdemo wird aber nicht beim „Rechtsextremismus“ erwähnt. Ein völlig hirnrissiger „Bombenschlag“ wird im Zusammenhang mit dem WKR-Ball angedeutet, weil jemand eine Flüssigkeit dabei hatte, die nicht sofort identifiziert werden konnte. Das Verfahren wurde eingestellt, trotzdem steht dies im Verfassungsbericht. Damit wird die Propaganda der Burschenschaften in klassischer Täter-Opfer-Umkehr bedient. Sogar die Erwähnung der Wirtschaftskrise auf Homepages findet sich im Bericht des Verfassungsschutzes wieder. Mensch wird das Gefühl nicht los, dass der Linken als nächstes vorgeworfen wird, dass sie atmen, öffentliche Verkehrsmittel benutzen oder Bücher in der ÖGB-Buchhandlung kaufen. Egal, was Linke machen – es findet Eingang in den Verfassungsschutzbericht. Immer schwingt der Vorwurf der Gewalt (v.a. gegen Polizist_innen – und wir wissen alle, wie die Robocops v.a. bei WKR-Ball-Demos drauf sein können) mit. Gute Arbeit, Zivilgesellschaft, das habt ihr zu verantworten. Richtig abstrus wird es, wenn irgendwelche Zahlen präsentiert und als „vermutete linksextreme Straftaten“ betitelt werden, bei einer Aufklärungsquote von 26,2%. Teesudlesen wäre in etwa genauso exakt, eine wissenschaftliche Vorgehensweise ist etwas Anderes.

Extrem.is.Mus.

Dabei gilt es schon die zugrunde liegende Annahme der Existenz dieses bösen Muses zu hinterfragen, das Extremis-Mus. In der Extremismus-Theorie gibt es eine gute, unpolitische, anzustrebende Mitte. Auf beiden Seiten gibt es äquidistant ein richtig böses Spektrum, das aber jeweils die Verfassung nicht überschreitet. Das sind… (Zeit zum Luftholen)… Radikale. Dann gibt es noch die richtig, richtig üblen Jungs und Mädels, das sind die Extremist_innen, die sich außerhalb des Verfassungsbogens bewegen und das absolute Böse darstellen. Für den Verfassungsschutz und die Extremismustheorie ist es dabei völlig egal, ob links oder rechts und rinks oder lechts – alle böse, böse, böse. Es macht keinen Unterschied, ob jemand gerne Ausschwitz wieder in Betrieb nehmen möchte oder sich gegen Abschiebungen einsetzt. Es macht keinen Unterschied, ob jemand einen autoritären Staat ohne Wahlen aber dafür mit Führer möchte oder ob das jetzige System als undemokratisch abgelehnt wird. Ich übertreibe nicht einmal, für die Extremismus-Extremist_innen ist das wirklich so. Wer jetzt ein bisschen nachgedacht hat, versteht auch, wem das am Meisten nützt – richtig, den Rechten. Denn es wird gnadenlos geleugnet, dass es eben keinen hermetisch abgeriegelten und isolierten rechten Rand gibt, der Rassismus und Antisemitismus eben nicht für sich gepachtet hat. All das sind Positionen, die große Teile der Bevölkerung teilen, wie die Studie Deutsche Zustände (für Österreich gibt es das leider nicht, so ein Zufall) zeigt. Oder die Sarrazin-Debatte. Oder die Debatte über Refugees. Oder. Oder. Oder. Es geht um Diskurse und die können von Allen bedient werden. Aber das kann der Verfassungsschutz nicht erfassen, ohne sich selbst in Frage zu stellen. Denn dann müssten in Deutschland Teile der CDU/CSU, das Vertriebenen-Zentrum und und und beobachtet werden. Und der Verfassungsschutz in Deutschland ist um einiges professioneller als in Österreich (und das trotz des NSU-Rassismus-Fiaskos). Dort kommen die Burschenschaften und die Junge Freiheit immerhin in den Berichten vor. Es gibt wissenschaftliche Dossiers (149 Seiten!) über die Neue Rechte oder die Autonomen Nationalen. Alles Phänomene, die der österreichische Verfassungsschutz noch nicht einmal gegoogelt hat. Die Extremismustheorie befördert letztendlich den Rechtsextremismus (die Verwendung dieses Wortes ist nicht im Sinne der Extremismustheorie zu verstehen, es gibt nur im Moment kein Besseres. Eine lange Begriffsdefinition wurde letztens erst z.B. im Antifaschistischen Infoblatt geführt).

Der Verfassungsschutzbericht als Farce und Tragödie – Teil 1: Rechtsextremismus

Alle Jahre wieder flattert der Bericht des österreichischen Verfassungsschutzes ins Haus. Auf heißen 87 Seiten rechtfertigt er seine Existenz. Allerdings mit Falschannahmen, ungenügender Recherche und reinen Unterstellungen. Vorangestellt soll werden, dass der Verfassungsschutz an sich eine zweifelhafte Institution ist, deren Sinnhaftigkeit in Frage gestellt werden muss. Die Praxis zeigt, dass er vor allem dazu dient linken Protest zu sanktionieren. Trotzdem möchte ich darlegen, warum der diesjährige (und eigentlich auch alle voraus gehenden) österreichische Verfassungsbericht besonders lächerlich ist.

Themenbereich Rechtsextremismus

Der Bericht zum Rechtsextremismus erstreckt sich auf ganzen 6 1/5 schmalen Seiten. Er ist geprägt von Relativierungen und Banalisierungen. Auffallend ist, dass keine einzige Organisation, Person, Zeitschrift, Veranstaltung oder Homepage mit Namen genannt wird, außer Alpen-Donau.info. Der Fall wird aber als erledigt angesehen. Der allgemeine Tenor lautet, dass die rechtsextreme Szene belanglos ist, auf keinem hohen ideologischen oder organisatorischen Niveau ist und kaum in Erscheinung tritt. Als größtes Gefahrenpotential wird das Aufeinandertreffen von Rechtsextremen und „Linksextremen“ gesehen. Das ist der erste, sehr indirekte, Hinweis auf den WKR-Ball, der nie namentlich im Zusammenhang mit Rechtsextremismus genannt wird. Erwähnt wird hier nicht einmal Albrecht Konecny, der von Neonazis im Umfeld des WKR-Balls brutal zusammengeschlagen wurde.

Die Burschenschaften

Burschenschaften kommen seit der schwarz-blauen Regierung und der Etablierung des schwarzen Innenministeriums gar nicht mehr vor. Ein Kniefall vor dem (zukünftigen) Koalitionspartner. Dabei spielen sich spannende Dinge innerhalb der burschenschaftlichen Szene ab, die auch für den Verfassungsschutz von Belang sind. Der Burschentag letztes Jahr in Eisenach zeigte die deutliche Spaltung, die durch die Deutsche Burschenschaft, den Dachverband, bei dem die allermeisten österreichischen Burschenschaften dabei sind, geht. Alle Burschenschaften in diesem Dachverband sind stramm rechts, männerbündisch und deutschnational. Innerhalb dieses netten Haufens tun sich aber die österreichischen Burschenschaften samt Freundchens (Danubia München, Raczecks zu Bonn z.B.) als besonders unerträglich hervor. So unerträglich, dass viele der Anderen nichts mehr mit ihnen zu tun haben wollen. Auslöser war einerseits die Verunglimpfung des evangelischen Theologen und Naziopfers Bonhoeffer in den Burschenschaftlichen Blättern, dem offiziellen Organ der Deutschen Burschenschaft, durch Schriftleiter (aka Redakteur) NorbertWeidner (Mitglied der Raczeks). Er wurde mittlerweile rechtskräftig verurteilt. Andererseits wurde bei diesem Burschentag die Wiener Teutonia zur Vorsitzenden gewählt. Die Teutonia gilt selbst in der Deutschen Burschenschaft als extrem rechts und viele deutsche Burschenschaften konnten und wollten da nicht mit. (Was sie nun nicht zu den netten Demokraten von nebenan macht) Drittens wurde schon im Jahr davor heftig über die Wiedereinführung von „Arier“-Nachweisen diskutiert, der u.a. von den genannten Burschenschaften gefordert wurde. Die DB hat eine lange Tradition von Ariernachweisen, der erst auf Druck iberalerer Verbände gefallen ist. (Im Abtausch wurde die Pflichtmensur als männlicher Intiationsritus beibehalten) All das und besonders das Vorgehen der WKR-Burschenschaften und der Arminia Czernowitz in Linz hätte den Verfassungsschutz durchaus interessieren können – tat es aber nicht. Den Deutschen übrigens schon.

Wer noch fehlt

Es fehlt auch das Objekt 21 im Bericht des Verfassungschutzes. Verhaftet wurden die Mitglieder erst dieses Jahr, aber Kenntnis vom Objekt 21 muss auch der Verfassungsschutz schon lange vor der Verhaftung gehabt haben. Stoppt die Rechten hat eine gute Chronologie von Medienberichten und Entwicklungen. Neonazis, die im organisierten Verbrechen stecken und Waffen bunkern, scheinen nicht allzu relevant für den Verfassungsschutz zu sein. Auch die Identitären und der Funke (der rechte) werden nur der Form halber angedeutet. Sehr hatschert wird versucht, Kameradschaften und Neue Rechte gleichzusetzen und ihnen ein niedriges ideologisches Niveau zuzuschreiben. Damit beweist der Verfassungsschutz endtgültig, dass er keine Ahnung hat. Wer sich für eine sinnvolle Darstellung der Neuen Rechten interessiert, dem_der empfehle ich diesen Artikel oder gerne auch meine Diplomarbeit: Natascha Strobl – Theorie und Strategie der Neuen Rechten am Beispiel des Funken. Diplomarbeit Universität Wien 2012. Rechtsextreme Fußball-Fanclubs, wie etwa die Unsterblichen der Wiener Austria, die mit eindeutigen Symbolen auffallen, fehlen ebenso.

FPÖ

In der wissenschaftlichen Literatur ist es weitgehend anerkannt, dass die FPÖ eine rechtsextreme Partei ist. Sie gilt sogar als Protoytyp und es gibt viele vergleichende Studien, die analysieren, ob andere Parteien genauso rechtsextrem sind wie die FPÖ.  Wenn der Verfassungsschutz davon spricht, dass es keine rechtsextremen Parteien gäbe, dann funktioniert das nur mit zwei zugedrückten Augen und Watte in den Ohren. Dass nicht einmal das Umfeld der FPÖ, welches wiederholt durch klar neonazistische Taten auffällt, erwähnt wird, ist mehr als bedenklich. Vor allem, wenn im Gegenzug beim Linksextremismus sehr wohl parlamentarische Parteien angedeutet, wenn auch nicht namentlich erwähnt werden.

NSU

“Die in Deutschland im Jahr 2011 bekannt gewordenen Taten der Gruppierung „Nationalsozialistischer Untergrund (NSU)“ haben gezeigt, dass eine grundsätzlich nach allen möglichen Richtungen offene und für staatsschutzrelevante Phänomene sensibilisierte Ermittlung auch ein Schlüssel zur Früherkennung der Herausbildung von rechtsterroristischen Strukturen sein kann. Im Rahmen der präventiven Arbeit der Sicherheitsbehörden wird daher die Sensibilisierung der eigenen Reihen weiterhin einen besonderen Schwerpunkt bilden.”

Bei diesem Absatz bleibt einem nur noch der Mund offen stehen. Die rassistischen Ermittlungen in Sachen NSU sind der Höhepunkt der Dreistigkeiten des deutschen Verfassungsschutzes. Anstatt in Richtung Rechtsextremismus zu suchen, wurden die Opfer auch noch nach ihrem Tod verhöhnt indem der Verfassungsschutz sie in ein kriminelles Eck gestellt hatte und die Morde als Verbrechen in der organisierten Kriminalität oder dem Drogenmilieu hingestellt wurden. Für die Angehörigen war diese Situation natürlich sehr belastend und erst im letzten Jahr gab es eine offizielle Entschuldigung der Politik. Wenn also der österreichische Verfassungsschutz schreibt “nach allen Seiten offene Ermittlungen” wie bei der NSU sind ein Vorbild, dann ist das purer Hohn. Die NSU-Ermittlungen war die größte Pannenserie des deutschen Verfassungsschutzes seit sie offiziell nicht wussten, dass der Naziverbrecher Klaus Barbie auf ihrer Gehaltsliste als Informant steht. (Kleine Anmerkung: Ja, der deutsche Verfassungsschutz hat eine grandiose Geschichte. Tipp: Nazis im BND. Dokumentation: http://www.youtube.com/watch?v=UF1OYk6wz5U)

 

Als abschließenden Hohn gibt es eine völlig diffuse Aufzählung von Straftaten, von denen nur 56,4% als rechtsextrem, aber 26,2 % als unspezifisch eingestuft worden sind. Dazu zählt aber der Verkauf von NS-Devotionalien. Eine genaue Definition, was eine Kategorie von der anderen klar abgrenzt, bleibt der Verfassungsschutz genauso schuldig wie die Definition von Begrifflichkeiten.

Teil 2 zu “Linksextremismus” hier