10 Dinge, die wir bei der Gegendemo zu den Identitären gelernt haben

  1. Antifaschistische Arbeit wirkt

Danke liebe Antifaschist_innen. Egal ob -10°C im Jänner oder unsägliche Hitze heute: ihr seid da. Ihr liegt nicht im Bad, vielleicht gönnt ihr euch ein Tichy-Eis, aber ihr seid da, während andere nur groß auf Twitter protzen. Danke, liebe Antifaschist_innen. Ohne eure Arbeit könnten Rechtsextreme mir nichts, dir nichts durch Wien laufen.

  1. Im 10. ist es viel leiwander zu demonstrieren

Es ist kaum verwunderlich, aber soll festgehalten werden: Die Leute im 10. Bezirk sind um einiges leiwander als jene im 1. Bezirk. Spontane Solidarisierungen, viele Jubelrufe, Applaus und positive Zurufe aus den Fenstern. Der 10. Bezirk hat die Antifaschist_innen willkommen geheißen und die Identitären ausgebuht. So solls sein.

  1. Entschlossene Blockaden funktionieren

Die Identitären konnten genau und nur dank heftigstem Polizeischutz eine ganze U- Bahnstation weit gehen, also nur ein paar hundert Meter. Das war nicht einmal die Hälfte der angemeldeten Route. Am Verteilerkreis: Nicht einmal ein Pickerl von ihnen. Demo blockiert, Demo abgebrochen. Weil Antifaschist_innen sich ihnen in den Weg gesetzt haben. Die Identitären wurden wieder einmal mit einer Sonder-U-Bahn abgeführt. Was für ein Misserfolg für die tapferen Kreuzzügler.

  1. Die Identitären konnten nur marginal mehr Menschen anziehen

Sie sind mehr geworden, soviel muss man festhalten. Aber es war wieder eine rein interne Demo von organisierten Rechtsextremen. Das zeigte sich schon daran, dass sie in Gruppen angereist sind. Die höchstens 250 Identitären setzten sich aus den verschiedenen Landesgruppen aus Österreich, Deutschland (hallo, Würzburg), Italien, Tschechien aber vor allem Frankreich zusammen. Dazu ein paar Nazi-Hooligans (Unsterblich?) und das wars.

  1. Rechte setzen das Dach einer U-Bahnstation in Brand und Zeitungen/Polizei drucksen herum

Nazi-Hooligans schmeißen Bengalen in Richtung Gegendemo. Zum Glück, muss man sagen, wird nur das Dach einer U-Bahnstation getroffen. Dieses fängt Feuer und wir sehen spektakuläre Bilder eines rauchenden Dachs. Was wäre, wenn Linke daran Schuld gewesen wären? Der Falter hätte sich nicht eingekriegt vor lauter Empörung. Überall wären Stirnen in Falten gelegt worden, Distanzierungen gefordert und wahrscheinlich hätte eine unsägliche Kriegsmetapher wieder herhalten müssen. Bei Rechten wird herumgedruckst. Eine U- Bahnstation geriet magischerweise in Brand. Von wem wird nobel von allen Seiten verschwiegen. Warum eigentlich?

  1. Rechtsextreme verprügeln Antifaschisten und niemanden interesierts

Am Praterstern wird ein Antifaschist verprügelt. Er liegt am Boden, die Rechtsextremen springen noch auf ihn drauf, wie Martin Juen festgehalten hat:

Veröffentlichung nach freundlicher Genehmigung/Alle Rechte beim Fotografen

Veröffentlichung nach freundlicher Genehmigung/Alle Rechte beim Fotografen

 

Michael Bonvalot (@MichaelBonvalot) hat auch festgehalten, wie die Rechtsextremen mit Stangen bewaffnet auf die Antifaschist_innen zustürmen. Diese Stangen wurden ihnen von der Polizei natürlich nicht als Waffe eingestuft und abgenommen.

Veröffentlichung nach freundlicher Genehmigung/Alle Rechte beim Fotografen

Veröffentlichung nach freundlicher Genehmigung/Alle Rechte beim Fotografen

Ein Fotograf, der den am Boden liegenden Antifaschisten schützen wollte, wurde dann ebenfalls mit Schlägen bedacht.

Edit:
Dieser sympathische Herr hatte praktischerweise auch seine Lederhandschuhe dabei, bei der Kälte gestern. Es könnten aber auch Quarzsandhandschuhe gewesen sein. Sowas hat man ja immer gach dabei. Hier das Bild von Michael Bonvalot.

Veröffentlichung nach freundlicher Genehmigung/Alle Rechte beim Fotografen

Veröffentlichung nach freundlicher Genehmigung/Alle Rechte beim Fotografen

edit 2:

Offenbar hatte ein Identitärer ein Messer gut sichtbar einstecken. Die Polizei hat es sich zeigen lassen und wieder zurück gegeben.

  1. Rechtsextreme gehen auf Journalist_innen und Gewerkschafter_innen los – kein Aufschrei

Womit wir schon beim Thema Angriffe auf Journalist_innen sind. Neben dem Fotografen am Praterstern wurden auch andere Journalist_innen bedroht. Aus dem Lokal im Prater, in dem sich die Identitären befanden, wurden Besteck aber auch schwere Aschenbecher und Biergläser in Richtung Journalist_innen geworfen. Auch ein Beobachter der Gewerkschaftsfraktion Auge/UG wurde von den Identitären körperlich angegriffen. Der Gewerkschafter erstattete anschließend Anzeige.

  1. Rufe nach Säuberungen und Völkermord in Wiens Straßen werden zur Normalität

Wie kann es eigentlich sein, dass es zur Normalität zu werden scheint, dass Leute am hellichten Tag durch Wiens Straßen ziehen und ernsthaft eine Reconquista fordern? Das ist nichts anderes als der Wunsch nach einem Europa ohne Muslime und Juden und Jüdinnen. Bitte führt euch das vor Augen: Sie wollen alle Muslime und alle Juden und Jüdinnen aus Europa hinaus befördern. Wie das von statten gehen soll, hat die Geschichte hinlänglich bewiesen. Der Ruf nach einer Reconquista ist der Ruf nach ethnischer Säuberung bis hin zum Völkermord.

  1. Die Salon- und Tastatur-Antifaschist_innen können nur groß reden, sind aber nicht da, wenns drauf ankommt

Wir kennen sie alle, diese achso tollen Antifaschist_innen, die sich virtuell abfeiern lassen, weil sie im Jahr 2015 auch mal einen bösen Tweet in Richtung Identitärer abgesondert haben. Denen wird dann von anderen Tastatur-Antifaschist_innen virtuell auf die Schulter geklopft und gemeinsam stilisiert man sich zu den eigentlichen Antifaschist_innen hoch, ganz anders als diese blöden Linken. Tja, auf die Straße schafft es wie immer niemand von denen. Wahrscheinlich musste man fein am Naschmarkt um 21€ frühstücken gehen und hats grad nicht geschafft, sich Rechtsextremen in den Weg zu stellen. Pech aber auch.

 

edit: Zur Klarstellung. Es geht hier nicht um Leute, die aus welchen Gründen auch immer mal nicht können/wollen. Es geht um eine Schickeria, deren Antifaschismus darin besteht, sich in Sozialen Medien für böse Tweets gegen Rechte abfeiern zu lassen, aber gleichzeitig Antifaschist_innen kriminalisiert und abseits der Tastaturen keinen Finger gegen rechts rührt.

  1. Das sind die neuen Freunde der SPÖ Burgenland

Zum Abschluss: Liebe SPÖ Burgenland, diese Leute sind eure Koalitionspartner_innen. Diese Leute, die gerne ethnische Säuberungen hätten und Antifaschist_innen krankenhausreif prügeln. Denn der RFJ Burgenland und die Identitären sind quasi deckungsgleich. Wenn der RFJ zu einer Straßenaktion nach Eisenstadt einlädt, dann wird das von den Identitären ausgeführt. Ihr koaliert mit der Mutterpartei. Schöne Freunderl habt ihr da.

EDIT:

11. Drohungen gegen Antifaschist_innen

Ich habe schon befürchtet, dass ich diesen Punkt doch noch hinzufügen muss. Am Abend/in der Nacht folgten Drohungen und Übergriffe frustrierter Identitärer und Freunde auf Antifaschist_innen. So wurde gegen Mitternacht eine Gruppe Antifaschist_innen von 10 rechten Schlägern in Gürtelgegend angegriffen. Ich selbst bin auch, wieder einmal, Adressatin von Drohungen. Dieses mal auf Twitter. Venster/Fenster ist zum einen eine Anspielung auf den Ort einer antifaschistischen Party an dem Tag im Lokal “Venster”, andererseits verweist es auf den Schuss mit einem Luftdruckgewehr auf mein Küchenfenster vor ca. einem Jahr. Die Drohung folgt (naturgemäß) anonym. Julian Utz, prominentes Mitglied der Identitären und in erster Reihe in der Demo dieses Jahr, findet diese Drohung unterstützenswert.

drohungfenster

 

Die Identitären verbieten

Überraschend hat der Wiener Bürgermeister nun einen Vorschlag, wie mit den Identitären umzugehen ist: Verbieten. Das hat durchaus etwas Amüsantes. Wirklich. Lassen wir das kurz sacken. Drehen wir es kurz nocheinmal schön funkelnd im Kopf herum. Ích lass euch noch kurz Zeit. Was für eine wunderbare Welt das wäre. So.

Und jetzt zum Spiele verderben. Ein Verbot der Identitären geht am Problem vorbei. Es führt zu Nichts und ist ein Scheingefecht. Unter Umständen kann es sogar kontraproduktiv sein. Ein ernthaftes Verbotsverfahren (falls das neben Verbalradikalismus überhaupt die Intention war), das scheitert bedeutet nämlich ein Erfolgserlebnis für die gesamte rechtsextreme Szene. Schon in Deutschland bei der NPD (wo es daran scheiterte, dass der Verfassungsschutz nicht mehr wusste welche Nazis von ihnen und welche von der NPD selbst bezahlt werden) hat man gesehen, dass soetwas hinderlich ist. Hinzukommt, dass die Chance bei der NPD wohl ungleich höher war, als es bei den Identitären ist, dass soetwas durchgeht. Die Notwendigkeit ist auch viel höher, da sich die NPD über Parteiförderung etc finanziert, was bei den Identitären nicht der Fall ist (und wenn von den Förderungen einer anderen Organisation/Partei und nicht an sie direkt).

Es gibt aber noch einen weiteren viel triftigeren Grund. Ein Verbot verschleiert den Kern dessen was die Identitären und die Neue Rechte sind. Ein Verbotsverfahren nach Verfassungsfeindlichkeit geht von einer extremen, isolierten Gefahr aus einem rechten „Eck“ für die Demokratie aus. Das mag auch so sein und in gewissen Fällen mag es eine durchaus sinnvolle Maßnahme sein (auch wenn Radikalisierung, Abtauchen in den Untergrund etc mitbedacht werden müssen), aber bei der Neuen Rechten funktioniert dieses Modell nicht. Es gibt keine „gute“ bürgerliche, neutrale Mitte, die von rechts passiv bedroht wird. Die Ideologie und Narrative der Identitären sind mitten drin in dieser Mitte. Das soll keine Überhöhung des Stellenwerts der Identitären sein, sie haben wenig bis nichts dazu beigetragen. Aber eine wieder erstarkte Neue Rechte, die mit den Sarrazins, Unterbergers und Pirinçcis dieser Welt große Aushängeschilder hat, ist so gefährlich, weil ihre Protagonist_innen eben genau dieser „Mitte“ entstammen. Das sind nicht ein paar dumme Glatzen, sondern Uniprofessor_innen, Zeitungsherausgeber_innen, Autor_innen usw. Es geht ihnen um Diskursverschiebung. Es ist wichtig zu begreifen, dass sich diese Diskursverschiebung nach rechts nicht mit einem Verbot abschütteln lässt. Es ist auch wichtig zu begreifen, dass es keine klare, eiserne Trennlinie zwischen bürgerlichem, konservativen und rechtsextremen Lager gibt. Beide bedienen die selben Diskurse und arbeiten offen zusammen. Die Identitären hatten schon Auftritte bei FPÖ und AfD, ihre etwas erwachseneren Buddies von Sezession, blaue Narzisse und Junge Freiheit sind mitten drin in einer Szene, der auch CDU/CSUler_innen, CVler und der Rest der „Das wird man doch noch sagen dürfen“-Fraktion angehören.

Die Identitären sind hier der aktionistische und weniger der theoretische Arm dieser Szene, die sich sehr im Fluß befindet und eine gewisse Dynamik für sich hat. Aber sie gehören zu dieser Szene und ein Verbot mag amüsant sein, löst aber nicht das Grundproblem: Diskurse der Ungleichheit und Ungleichwertigkeit sind nicht auf isolierte, versprengte Neonazizellen beschränkt.