Nachbetrachtung zum 21.11.

Aufmärsche von rechtsextremen Grüppchen scheinen in Österreich zur Normalität zu werden. Vor einigen Jahren noch war der WKR-Ball das einzige Großereignis, dazwischen noch kleinere Veranstaltungen wie das bizarre Totengedenken der Burschenschaften am 8. Mai oder der, schon immer unter dem medialen Radar laufende, Festkommers der Burschenschaften Ende November.
Seit zwei Jahren ist das nun anders. Der vorderdringlichste Grund ist dafür sicher, dass die Burschenschaften kaum mehr ein Lebenszeichen von sich geben und ihre, ohnehin lahme und planbare, Aktivität derer der Identitären gewichen ist. Diese ist nicht so groß und gut vernetzt wie etwa der WKR-Ball, aber dafür in anderer Hinsicht für Linke unangenehmer. Dazu kommt, dass die rechtsextreme Szene generell in Bewegung ist und sich nicht mehr so leicht von der FPÖ einfangen lässt. Alle Versuche, Pegida von Dresden nach Österreich zu importieren sind, bis auf eine Ausnahme, gnadenlos gescheitert. So auch die Kundgebung am 21. 11. 2015.

Auch wenn diese grandios gefloppt ist, so zeigen sich eine neue Intensität rechter Mobilisierungen und ein zunehmendes Gewaltpotential in Sprache und Tat (wie wir in Spielfeld gesehen haben).

Aber dokumentieren wir der Reihe nach:

Deserteursdenkmal

Die rechtsextreme Kundgebung (Hintergrund hier) vom 21. 11. wurde just direkt am Ballhausplatz beim Denkmal für die Opfer der NS-Militärjustiz (Deserteursdenkmal) genehmigt. Aber nicht nur das. Die Rechtsextremen durften ihr Rednerpult auf das Deserteursdenkmal drauf bauen.

Nun ist das Denkmal tatsächlich so gebaut, dass man als interessierteR Besucher_in drauf steigen kann. Dies ist aber etwas gänzlich anderes als Rechtsextreme, die da oben ihre Reden schwingen. Der Unterschied ist nämlich, dass es genau die Rechtsextremen sämtlicher Coleur sind und waren, die nur Verachtung für Deserteure übrig haben und gleichzeitig Wehrmacht und SS gleichermaßen als unpolitische Pflichterfüller abfeiern. Deswegen gibt es in jedem kleinen Kaff außerhalb Wiens große Denkmäler zu Ehre der gefallenen Soldaten und nur wenige bis keine, die an deportierte Juden und Jüdinnen, verschleppe Linke oder erschossene Deserteure erinnern. Allein die Farce, die sich in Goldegg dazu abspielte dokumentiert dieses Verständnis sehr gut.

Die FPÖ, aber auch zum Beispiel der ÖVP-Kameradschaftsbund, war eine erbitterte Gegnerin eines Denkmals für Deserteure. Diese wurden als „Kameradenschweine“ oder „Verräter“ tituliert. Es spielt im Übrigen keine Rolle, ob jemand aus ideologischen Gründen desertiert ist oder, weil er den Krieg nicht mehr ausgehalten hat. Jeder Deserteur bedeutete eine Verkürzung des Krieges und einen schnelleren Zusammenbruch der Nazi-Armee. Und das war sehr gut so.

Notiz am Rande: Der KZ-Verband hatte eine Gedenkkundgebung am Denkmal angemeldet, um genau so etwas zu verhindern. Diese wurde zu Gunsten der Rechtsextremen abgesagt.

Offensive gegen rechts

Offensive gegen rechts

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Waffenaufruf und rechtsextreme Unruhe

Wie Radio Orange mitgeschnitten hat wurde dazu aufgerufen sich zu bewaffnen und die Regierung aus den Ämtern zu jagen.
Daneben waren auch die Nazis von Unsterblich und der bekannte Rechtsextremist Ludwig Reintaler dabei.

Screenshot Russia Today - Ludwig Reintaler

Screenshot Russia Today – Ludwig Reintaler

Screenshot Russia Today

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Dazu kommen die Identitären, die offenbar ihre Fähnchen nicht ausrollen durften und das mit einem lächerlich großen Transparent auszugleichen versuchten.

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Für interne rechtsextreme Querelen dürfte auch sorgen, dass die Identitären gleichzeitig in Innsbruck zu einer Aktion aufgerufen haben, die auch grandios gescheitert ist.

Die Identitären selbst haben sich dann begnügt, nur diese Aktion abzufeiern, während sie zur Kundgebung in Wien vornehm geschwiegen haben.

Zur rechten Horrorshow gehört auch die entsprechende Musik. So wurde Annett Müller, ihres Zeichens Nazischlagersängerin mit Hang zu schlechten Reimen und unsauberem Gesang, mit „Zeit zu rebellieren“ gespielt, wie Markus Sulzbacher vom Standard aufmerksam erkannte.  Zur Erinnerung: Auf dem Deserteursdenkmal mit Aufruf zu den Waffen zu greifen:

„Es ist Zeit zu rebellieren, es ist Zeit um aufzustehn!
Denn den Missstand in meinem Lande will ich nicht länger mit ansehn.
Es ist Zeit, sich zu melden, deshalb stehe ich heut hier,
will mich nicht mehr ruhig verhalten,
die Alltagssorgen wegtrinken beim Bier.

Refrain:
Deshalb: Steh auf, du deutsches Volk,
hast viel schlimmes Leid hinter dich gebracht.
Es ist deine Heimat, dein Land, dein Tod –
Deutschland braucht dich jetzt in seiner Not!
Es ist Zeit, endlich zu lärmen, es ist Zeit um aufzustehn!
Dass Deutschland wieder uns gehöre,
ein Lichtblick, es wär wunderschön.
Andre Länder, andre Sitten – da funktioniert’s auch, schaut doch hin.

Refrain:
Steh auf, du deutsches Volk,
hast viel schlimmes Leid hinter dich gebracht.
Es ist deine Heimat, dein Land, dein Tod –
Deutschland braucht dich jetzt in seiner Not!“

Der Text lässt wohl keine Fragen offen. Dieses Machwerk ist auch, im Gegensatz zu Frei.Wild etwa, nur Eingeweihten bekannt und hat darüber hinaus, aus offensichtlichen Gründen, keinerlei Bekanntheit erlangt. Es ist eine Aneinanderreihung von peinlichem Revisionismus, völkischem Pathos und rechtsextremer Widerstandsromantik.

Ohne Antifaschist_innen wäre das tatsächlich Normalität

Trotz allerlei Widrigkeiten waren am Samstag wieder einmal mehr Antifaschist_innen als Rechte auf der Straße. Dieses Durchhalten ist ein großer Verdienst. Also wieder einmal: Danke allen Antifaschist_innen, die nicht nur groß reden, sondern auch handeln. Danke, Offensive gegen Rechts.
Am Rückweg wurden Antifaschist_innen dann auch noch von Nazis bedroht und angegriffen.

 

Offensive gegen Rechts

Offensive gegen Rechts

Flop von rechts
Ich lasse den Rechtsextremen ja nie das letzte Wort. Heute mache ich eine Ausnahme, weil es so schön ist:

Zur Erinnerung, das war das Ankündigungsposter:

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Und das die Reaktionen danach:

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Weder frei noch wild – zum Umgang der österreichischen Medien mit Rechtsrock

Seine Figur ist komplementär zum Vorwurf der Zensur konzipiert, als populäre Phantasmagorie ist der ‘Gutmensch’ der Akteur gefühlter Repression. Aufgrund seiner nie spezifizierten Macht kann der Rassist nicht mehr ungestört sagen, ‘Neger’ seien alle faul, der Antisemit fürchtet einen Ordnungsruf für seine Ansicht, dass Juden ‘schachern’ und selbst die Bemerkung, Homosexualität sei ‘widernatürlich’, kann wegen der Gutmenschen nur im Untergrund kursieren. Zur Unterdrückung des allgemeinen Menschenrechts auf diskriminierende Sprache setzt der Gutmensch seine schwerste Waffe ein: die Kritik. Daher wird sein Wirken gerne mit dem Dritten Reich oder der DDR gleichgesetzt, die demzufolge äußerst kritikfreudig gewesen sein müssen.
(Volker Weiß in „Deutschlands Neue Rechte“ über den Begriff des „Gutmenschen“)

Mit ein paar Monaten Verspätung hat die Rechtsrock-Debatte nun Österreich erreicht. Während Frei.Wild (gerade) am 9. November noch unbehelligt im Wiener Gasometer spielen durften, wurde nun ein geplantes Konzert in Wels abgesagt. In Graz wird immerhin darüber diskutiert. Als kleinen Verweis zu Wien im November sei gesagt, dass es linken Gruppen damals wichtiger erschien, sehr zweifelhaft gegen ein Neofolk-Konzert (mit 40 Besucher_innen) vorzugehen und dem einzigen Metalladen der Stadt das Leben schwer zu machen, als sich um Frei.Wild zu kümmern, die vor einem ausverkauften Gasometer gespielt haben. Nun gut, das soll nicht das Thema sein. Am 17.04. erschien im Falter ein Artikel mit der schönen Überschrift „Jede Frau ist eine Hure“. Ich schreibe den Namen aus, obwohl der Falter im Heft das letzte Wort sehr hellschwarz geschwärzt hat. Wohl um zu verdeutlichen, dass man wegen der bösen Political Correctness-Diktatur dieses Wort nicht mehr sagen darf. Das Überthema des Heftes ist Zensur. Oder Political Correctness. Da ist sich der Falter nicht so sicher. Es besteht auch die Möglichkeit, dass die Redakteure darin Synonyme sehen. Am selben Tag erschien im Online-Standard ein Artikel von Christian Schachinger, dem Musikredakteur, ebenfalls zu Frei.Wild. Beide schlagen in eine ähnliche Kerbe: Niemand darf etwas gegen diese Band sagen und Nazis seien sie übrigens auch nicht. Überhaupt muss Musik rebellisch und rotzig sein und Frei.Wild sind dafür glorreiche Beispiele. Mit diesem Eintrag möchte ich ein paar Missverständnisse aufräumen und es fällt mir schwer zu entscheiden, wo ich anfangen soll.

Wahre Werte – Textbeispiele

Fangen wir mit einem kurzen Abriss über Frei.Wild an. Die Eckdaten sind bekannt: Sie kommen aus Südtirol, sie singen auf deutsch und sie singen auf deutsch über Südtirol. Bei jeder weiteren Analyse scheint es Uneinigkeit in den österreichischen Medien zu geben.

Wo soll das hinführen, wie weit mit uns gehen
Selbst ein Baum ohne Wurzeln kann nicht bestehen
Wann hört ihr auf, eure Heimat zu hassen
Wenn ihr euch Ihrer schämt, dann könnt ihr sie doch verlassen
Du kannst dich nicht drücken, auf dein Land zu schauen
Denn deine Kinder werden später darauf bauen
Sprache, Brauchtum und Glaube sind Werte der Heimat
Ohne sie gehen wir unter, stirbt unser kleines Volk
(Aus „Wahre Werte“)

Südtirol, wir tragen deine Fahne,
Denn du bist das schönste Land der Welt,
Südtirol, sind stolze Söhne von dir,
Unser Heimatland, wir geben dich niemals her.
Südtirol, deinen Brüdern entrissen,
Schreit es hinaus, daß es alle wissen,
Südtirol, du bist noch nicht verlorn,
In der Hölle sollen deine Feinde schmorn
(Aus „Südtirol“)

Ich scheiß auf Gutmenschen, Moralapostel
Selbsternannt, political correct
Der die Schwachen in die Ecke stellt
Und dem Rest die Ärsche leckt
Ich scheiße auf Gutmenschen, Moralapostel
Selbsternannt, sie haben immer Recht
Die Übermenschen des Jahrtausends
Ich hasse euch wie die Pest
Ich, du, wir, die ganze Welt, sie hasst euch wie die Pest
(Aus „Gutmenschen und Moralapostel“)

Nichts als Richter
nichts als Henker
Keine Gnade und im Zweifel nicht für dich
Heut’ gibt es den Stempel, keinen Stern mehr
(…)

So, so, so
So fing alles an
Und wir reiten wieder
In den Untergang
So, so, so
So fing alles an
Weil wir es nicht verstehen
Werden wir die Welt
In Tränen sehen

(…)
Was hat der
überhaupt verbrochen
Wenn die Masse das so meint
Dann sind wir alle
Schnell dabei
Dann ist das Frei.Wild, und
Von vorne herein
Immer vogelfrei
(Aus „Wir reiten in den Untergang“)

Die vier Songtexte sind von vier verschiedenen Liedern aus drei verschiedenen Alben der Band. Es findet sich noch einiges mehr, aber das Muster ist leicht erkennbar. Einerseits zeigen sie ein recht biederes Beschwören der landschaftlichen Schönheit der Heimat. Andererseits auch immer mit dem expliziten Verweis, dass sie dieser Landschaft direkt in einer Art metaphysischem Band verbunden sie, wie alle Menschen Südtirols. Es gibt also quasi eine direkte Verbindungen der Menschen (Blut) zur Landschaft (Boden). Nicht anders definiert sich der völkische Nationalismus. Niemand wird diskutieren wollen, dass das klar dem rechtsextremen Spektrum zuzuordnen ist. Zweiter wichtiger Punkt im Leben der Band ist der Kampf gegen Unterdrückung und Zensur. Natürlich nur, wenn sie meinen, dass es sie betrifft. Sie sind die Verfolgten. Sie sind die, die mundtot gemacht wurden. Sie, sie sind die, anhand denen ein neues Zeitalter von Unterdrückung, Intoleranz und Krieg eingeläutet wird. Sie sind die neuen Juden. Nichts anderes vermittelt die Band. Was ich über Straches „Neuen Juden“-Sager geschrieben habe, gilt auch für Frei.Wild und ist hier nachzulesen.
Das sind eindeutig und ohne Zweifel rechtsextreme Narrative und frames, die hier bedient werden. Wenn nur die Texte angeschaut werden, kann es also keine Verwirrung geben. Woher kommt dann die verteidigende Berichterstattung von Falter und Standard?

Gegen jeden Extremismus

Ein Punkt, der zu großer Verwirrung bei Journalist_innen führt, die sich noch nie mit Rechtsetxremismus auseinandergesetzt haben, ist das Bekenntnis der Band „gegen jede Form von Extremismus zu sein“. Bekräftigend fügen sie noch an, wie sehr sie „Faschisten und Nationalsozialisten“ hassen. Das rufen sie auch bei ihren Konzerten. Dies ist eine beliebte Strategie, die mit der Neuen Rechten aufgekommen ist. Die Neue Rechte versucht sich von einer alten, offen nationalsozialistischen Rechten abzugrenzen, indem sie sich einerseits auf die sogenannte Konservative Revolution beruft. Andererseits sehen sich die Protagonist_innen wahlweise als unpolitisch oder als „Mitte“ der Gesellschaft. Diesem Denken liegt die Totalitarismustheorie zu Grunde, die den historischen Nationalsozialismus und Realsozialismus gleichsetzt. In weiterer Folgen wurden „linksextrem“ und „rechtsextrem“ gleichgesetzt, was in der Realität in der Extremismusklausel der deutschen Ministerin Schröder ihren Ausdruck fand, und antifaschistische Arbeit, dort wo sie dringend nötig ist, behindert statt sie zu unterstützen oder zumindest in Ruhe zu lassen. Abgesehen davon – wozu distanzieren sich Frei.Wild von Linksextremismus, ist das doch kein Vorwurf, der ernstlich im Raum steht. Da ist klar, dass sie sich nicht mit dem Vorwurf an sich auseinandergesetzt oder gar distanziert hätten. Es geht um die Selbstdarstellung als „Mitte“, als die sie sich wahrscheinlich wirklich sehen. Der Südtirolterrorismus wird nicht als rechtsextremer Terror sondern euphemistisch als „Freiheitskampf“ wahrgenommen. Dass dabei das who-is-who der österreichischen Neonaziszene tatkräftig beteiligt war, wird vergessen. Auch die Rolle der deutschnationalen Burschenschaften ist aus einem kollektiven Gedächtnis verschwunden. Die Wiener Olypmia wurde 1961 sogar als terroristische Organisation aufgelöst. Das ist die unpolitische Mitte, die Frei.Wild meinen. Die Distanzierung von Faschismus und Nationalsozialismus ist ähnlich skurril. Niemand wirft ihnen vor, dem italienischen Faschismus nahe zu stehen, sie distanzieren sich trotzdem. Die Distanzierung vom historischen Nationalsozialismus ist aus Südtiroler Sicht gar nicht unplausibel. Sie hat nur keine ideologischen sondern reine Befindlichkeits-Gründe. Die Nazis haben wegen Südtirol keinen Streit mit Italien angefangen, was die großdeutschen Hoffnungen der Südtiroler_innen maßlos enttäuscht hat. Nun reagieren sie da enttäuscht und verwechseln das mit Antifaschismus. Verwunderlich ist, dass auch die genannten Journalisten das verwechseln. Rechtsextremismus beinhaltet mehr als den historischen Nationalsozialismus.

Rebel, Rebel

Sowohl im Falter als auch auf standard.at wird versucht, das Ganze in ein größeres Argument zu betten, nämlich jenes der Meinungsfreiheit und der Unangepasstheit von Musik. Wie wir an den Textbeispielen gesehen haben, verkaufen Frei.Wild eher biedere Kunst und auch die Musik ist nicht besonders innovativ. Diese Haltung mit Punk zu vergleichen ist fast schon makaber. Punk entstand in der tristen englischen Gesellschaft der 70er Jahre, in der diese vom Selbstverständnis Nazi-Deutschland besiegt zu haben beseelt war. Rassismus, Sexismus und viel weitere Unterdrückungsmechanismen wurden mit diesem Selbstverständnis einfach unsichtbar gemacht. Dann haben sich ein paar Kids hingestellt, Nazi-Symbole allen vor die Nase gehalten und ordentlich Krach gemacht. Dieses unkommentierte Zurschaustellen dieser Symbolik war ein Schock und gleichzeitig ein vorgehaltener Spiegel für besagte Gesellschaft. Der Umgang von Punk mit Nazisymbolen war also von Anfang ein ambivalenter, einer, der einen in einen Zustand der Unruhe versetzen sollte und bei dem niemand erklärt hat, was mensch jetzt damit machen soll. Er war radikal und subversiv und zutiefst provokant. (Das trifft auch auf D.A.F. zu, die für die Überschrift im Onlinestandard herhalten müssen) All dies trifft auf Frei.Wild genau nicht zu. Es gibt nicht das kleinste Fuzzelchen Ambivalenz bei Frei.Wild. Sie sind, wie vorher schon erwähnt, bieder und humorlos. Die Vergleiche mit Bushido und Volksmusik fußen schon eher. Inwieweit das Frei.Wild weniger rechtsextrem macht, bleibt unklar. Viel mehr müssten wir uns darüber unterhalten, warum Bushido eigentlich seinen misogynen Schwurbel von sich geben darf und welche Narrative die Volksmusikszene und allen voran Andreas Gabalier bedient. Wir können uns auch gleich weiter über Xavier Naidoo unterhalten. Der tritt recht überzeugend gegen Rassismus auf, verbreitet aber christlich-fundamentalistische Propaganda und scheut auch Hetze gegen Homosexuelle nicht. Das alles macht Frei.Wild aber nicht weniger rechtsextrem. Die Frage wie rebellisch, provokant und aufrührerisch Kunst sein darf, entspinnt sich bei Frei.Wild einfach nicht. Denn sie ist nicht rebellisch, provokant und aufrührerisch. Hier schießt der Falter also völlig am Thema vorbei.

Meinungsfreiheit

Ein anderes Argument ist jenes der Meinungsfreiheit, die unbedingt verteidigt gehört. Es gibt kein Recht auf Diskriminierung. Es gibt kein Recht auf völkischen Nationalismus. Warum sollte jemand abwertende Sprache benutzen dürfen? „Neger“, „Fotze“ und „Schwuchtel“ dienen einzig und allein dem Zweck, dass sich die Person, die diese Worte benutzt, über die Person(en), die mit den Begriffen gemeint sind, erhöht. Es dient nur dazu der Person mitzuteilen, dass sie „anders“ und „minderwertig“ ist. Eine andere Botschaft vermitteln diese Worte nicht. Es wird versucht, ein Machtverhältnis zu schaffen, das auf den Tatsachen beruht, dass es a) schon immer so war und b) keinerlei Sanktionen zu befürchten sind und dieses Machtverhältnis nicht herausgefordert wird. Wird es dann doch herausgefordert, weil mensch Diskriminierung nicht widerspruchslos über sich ergehen lässt, dann beginnt das Geheule von dem politisch-korrekten-Tugendterror-Inquisitions-Emanzen-Zensur-Scheiterhaufen-Untergang-des-Abendlandes. Dass Diskriminierung weh tut, verletzt und hilflos macht und einfach zutiefst ungerecht ist, kann nur jemand nicht verstehen, der nie mit Diskriminierung zu kämpfen hatte. Es passt also ins Bild, dass zwei weiße, bürgerliche Männer Frei.Wild verteidigen. Ich würde den Verfassern der Artikel gerne etwas mehr Selbstreflexion ans Herz legen.

Frei.Wild verwenden nun nicht oben genannte Worte. Aber ihr Berufen auf Volkstum und der Wunsch nach Ausbürgerung der Kritiker_innen sprechen Bände vom repressiven Weltbild der Band. Denn alle die „anders“ sind haben keinen Platz. Politische Korrektheit abzuwerten und lächerlich zu machen, ist schon lange ein Hobby der Rechtsextremen, das sich aus oben genannten Gründen speist. Das Credo: Man wird ja wohl noch diskriminieren dürfen. In der Verteidigung der Diskriminierung sehen sowohl Frei.Wild als auch die Autoren etwas unfassbar Rebellisches. Endlich gegen einen gefühlten, linken Mainstream schreiben und singen. Während bei Frei.Wild klar ist woher das kommt, ist es bei den Autoren unklar. Eine Antwort ist, dass sie ein narzisstisches Distinktionsbedürfnis gegen alles was links ist haben. Bloß nicht übereinstimmen, lieber Partei für Rechts ergreifen und es „denen“ mal so richtig zeigen. Dann geht es aber nicht um den Inhalt, sondern um die Autoren und ihr Selbstdarstellungsbedürfnis und gelebten Revanchismus. Was diese Befindlichkeiten in renommierten und linken/linksliberalen (???) Zeitungen zu suchen haben, ist dann die nächste Frage, finden doch die Befindlichkeiten der bösen übermächtigen Linken selten Gehör. Wer ernsthaft glaubt, dass es in Österreich oder im deutschsprachigen Raum einen linken Mainstream gibt, sollte sowieso die eigene Einschätzung der politischen Lage überdenken. Rechtsrock als Teil und Strategie rechtsextremer Ideologie gehört weder gefördert noch verteidigt.

Weitere gute Analysen zu Frei.Wild gibt es bei der Zeit und bei Publikative.

-nat