Über schirche Frauen und falschen Antirassismus

In den sozialen Netzwerken tobt ein Bilderkrieg zum Thema Flüchtlinge. Während die Einen Flüchtlinge mit Terroristen und einfallenden Armeen gleichsetzen, zeigen die Anderen die Realität an den europäischen Grenzen. (Kinder, Frauen, Männer kämpfen sich durch Meer und Stacheldraht und bekommen Tränengas ab) Plakate werden satirisch umgestaltet und Bilder in Umlauf gebracht. In diesen allgemeinen Strudel mischt sich aber eine neue Form des selbstdefinierten Antirassismus  – ein explizit frauenhassender Antirassismus. Das fängt damit an, dass Frauen und Mädchen unterstellt wird zu lügen, wenn sie von sexuellern Übergriffe durch Flüchtlinge berichten und geht dahin, dass rechte Frauen übel misogyn beleidigt werden.

Zwei Beispiele der letzten Tage sind einerseits diese Fotomontage eines Linken-Politikers, der die getortete Beatrix Storch als Mittelpunkt einer „Bukake-Party“ zeigt. Ein zweites Beispiel stammt von einem prominenten Twitteranten, der ein umgestaltetes Plakat des Innenministeriums mit dem Gesicht der Innenministerin und den Worten „Schlepper lügen. So sehen Österreichs Frauen wirklich aus.“ zeigt.

schircheFrauen hahaha

Beide Sujets richten sich nicht gegen die menschenverachtende Politik von zwei rechten Frauen, sondern gegen Frauen allgemein. Beide richten sich gegen Frauen, die nicht dem eigenen Schönheitsideal entsprechen. Und beide machen sich dann auch noch über Vergewaltigung lustig.

Die getortete Frau Storch wird als Opfer einer „Bukake-Party“ (so auch die Bildunterschrift) inszeniert. Das bedeutet, dass behauptet wird, Storch sei in einem Kreis junger Männer gewesen, die auf sie ejakuliert haben. Ihr unglücklicher Gesichtsausdruck (der von der Tortung rührt) suggeriert, dass sie das nicht toll findet. Der Witz des Bildes ist also, dass Männer gemeinschaftlich auf eine Frau abgespritzt haben, ohne dass die das wollte. Dieser Vorgang hat einen Namen und er nennt sich Vergewaltigung. Es ist völlig egal, dass es sich bei dieser Frau um Storch handelt, denn sie ist nur mehr Platzhalterin für jede unliebige Frau. Die einen Männer montieren Frau Storch hinein, die Nächsten Sara Wagenknecht oder im persönlichen Kontext die Ex-Freundin. Ziel ist es, die Frau in ihrer Rolle als Frau der Lächerlichkeit preis zu geben, denn eine Vergewaltigung (so die Annahme) ist peinlich für das Opfer. Die Männer haben sich einen Spaß gemacht und dieser unliebigen Frau gezeigt, wie der Hase läuft. Es ist dezidiert keine Kritik an Storchs Politik, sondern einzig und allein eine Herabwürdigung ihrer Person, weil sie eine Frau ist.

Das zweite Bild schlägt in eine ähnliche Richtung. Der Spruch ist eine Anspielung auf die Kampagne des Innenministeriums, das im FPÖ-Stil Menschen mittels Plakaten davon abhalten will, in Österreich um Asyl anzusuchen. (Ein Vorgang, auf den jeder Mensch ein Anrecht hat) Suggeriert wird allerdings, dass Flüchtlinge wegen schöner Frauen kommen. Das mag eine zynische Anspielung auf rechte Diskurse sein, verfehlt aber trotzdem sein Ziel und transportiert diese schlussendlich weiter. Gleichzeitig wird das Bild der Innenministerin gezeigt und davor gewarnt, dass Frauen in Österreich aber leider so aussehen. Hier ist das Bild der Innenministerin wiederum nur Platzhalter für jede beliebige Frau. Es geht nicht um die Politik der Innenministerin, sondern um sie als Frau. Die Annahme dahinter ist, dass sie so hässlich ist, dass nicht einmal Flüchtlinge sie vergewaltigen würden.  Das ist eine Fortführung rechtsextremer Diskurse über Flüchtlinge und tief frauenverachtend. Das ist nämlich ein beliebtes Argument gegen Frauen, die sexualisierte Gewalt anzeigen. Es wird so getan, als seien Übergriffe ein Kompliment und Frauen, die nicht dem männlichen Schönheitsideal entsprechen, müssten sich freuen, wenn sie diese Aufmerksamkeit bekommen. Oder es wird gesagt, dass Frauen zu alt/schirch/wenig aufgestylt/usw. wären, als dass irgendwer sie vergewaltigen würde. Vergewaltigung wird mit genuinem Interesse von Männern gleichgesetzt, über dass sich Frauen freuen sollen. Und dies wird nur wenigen auserwählten Frauen zuteil. Das verharmlost sexuelle Gewalt und verdeckt die Realität: Frauen jedes Alters, jeder sozialen Schicht, jeder sexuellen Orientierung, jedes eigenen Selbstverständnisses werden Opfer von sexueller Gewalt. Es hat nichts mit dem eigenen Alkoholkonsum zu tun, nichts mit der Art der Kleidung, nichts mit dem, wie der eigene Körper beschaffen ist, nichts damit, ob eine Frau Mutter oder schwanger ist, nichts mit körperlicher Verfasstheit, nichts mit der eigenen Präsentation der Körpers – nichts von all dem ist ein monokausaler Trigger, bei dem Vergewaltiger „einfach nicht anders können“. Alte Frauen werden genauso vergewaltigt wie junge. Frauen, die sehr konservativ gekleidet sind, werden genauso vergewaltigt wie Frauen, die weniger Kleidung tragen. Der Mythos, dass Vergewaltigung nur dann zählt, wenn es eine schöne, blonde, junge Frau trifft, die sich so verhält, wie andere verlangen, dass sich eine Betroffene verhält, ist ein tief frauenverachtender und rechter. Da stehen Frauen als Blaupause für Nation und Volk und müssen deswegen gerettet und gerächt werden. Auch hier geht es nicht um das Wohl der Betroffenen selbst, hier geht es nur darum, ihren Körper als Platzhalter für etwas anderes zu verwenden.

Der Urheber hat nach der Kritik ein weiteres Sujet nachgeschossen, auf dem er selbst zu sehen ist mit der Warnung, dass in Österreich alle schirch sind. Betitelt war dieser Beitrag mit „Sexismus!“ Das ist ein Lustigmachen über die Kritik und verfehlt die Kritikpunkte. Es zeigt, dass es anscheinend nicht möglich ist, einfach einen Fehler einzugestehen und „sorry“ zu sagen, weil man die Implikationen selbst nicht verstanden hat.

Es zeigt aber auch, dass es das Potential eines frauenverachtenden Antirassismus gibt. Feminismus und Antirassismus bedingen einander aber. Denn Männer, die sich weder für das Eine noch das Andere wirklich interessieren, nutzen jetzt das Eine oder das Andere, um schlussendlich sowohl Feminismus als auch Antirassismus zu diskreditieren. Wir dürfen uns aber nicht spalten lassen. Schon gar nicht für einen schnellen Witz auf Facebook.