Warum wir demonstrieren

Der Ball der Burschenschaften in der Wiener Hofburg ist ein alljährliches Ritual. Die Schickeria des Rechtsextremismus trifft sich zur Kontaktpflege und um eine schöne Zeit zu haben.

„Lasst sie doch“

Der Bundespräsident beweist den Stellenwert von Antifaschismus im bürgerlich-liberalen Bürgertum und es ist demaskierend. Just in einem Hetzartikel in der Kronen Zeitung stellte er wenige Tage vor dem Ball klar, dass er eigentlich kein Problem mit dem Ball der deutschnationalen, völkischen Burschenschaften in der Hofburg habe.

Es gibt ein Problem an dieser Aussage. Sie ist faktisch falsch oder unglaublich feig. Faktisch falsch wäre es, wenn er glaube würde, es wäre kein Treffen von Rechtsextremen, sondern ein unpolitisches Tanzevent. Das wäre ein fauxpas und er bräuchte dringend bessere Berater_innen. Feig wäre die Aussage dann, wenn ihm der rechtsextreme Charakter des Balls bewusst wäre, Van der Bellen aber kein Interesse am Kampf gegen Rechtsextremismus habe. Nicht zuletzt deswegen wäre es eine Enttäuschung, weil es der einzige Grund für einen großen Teil von Menschen war, Van der Bellen zu wählen. Nachdem sich der jetzige Bundespräsident schon für Kürzungen bei der Mindestsicherung ausgesprochen hat, war es für viele definitiv nicht seine Einstellung zu Sozialpolitik, die sich kaum von jener von Hofer unterscheiden.

Auch strategisch ist diese Aussage höchst unklug, fällt sie doch weit hinter jene von Heinz Fischer zurück, der sich klar gegen den Ball positionierte.

Ist es Ignoranz, Desinteresse, Anbiederung beim ÖVP-Klientel oder gezielte Bösartigkeit gegen linke Bewegungen – es ist gleich. De Facto hat Van der Bellen den einzigen echten Grund ihn zu wählen wenige Tage nach seiner Angelobung verraten. Just am Gedenktag der einzigartigen Verbrechen des Holocausts macht er klar, dass Antifaschismus nicht einmal untergerodnete Priorität in seiner Präsidentschaft hat. Das hätten wir von Hofer genauso, aber ehrlicher bekommen.

Wir lassen sie nicht und zwar deswegen:

Rechtsextremismus lässt sich nicht wegwünschen und nicht weg ignorieren. Das Perfide an Rechtsextremismus ist nämlich, dass er schleichend funktioniert und total funktioniert. Rechtsextremismus hat eine eigene Sprache und viele Strategien, diese einzusetzen. Nach und nach verändert diese Sprache, die langsam in den Alltag einsickert, unser Bild von der Welt. Menschen auf der Flucht werden zur „Welle“ und zur „Flut“ und überhaupt sind es nur „Migranten“. Feminist_innen werden zu „Kampfemanzen“, die „hysterisch“ und „aufgeregt“ an der „Kastrierung“ von Männern arbeiten. „Politische Korrektheit“ wird zum Spottbegriff und mit „Zensur“ und „Hexenjagd“ gleichgesetzt. Rechtsextreme sind in der eigenen Erzählung immer Opfer und Held_innen zugleich. Opfer des unfassbar dekadenten und linken (von dunklen Mächten gesteuerten) Zeitgeists, gegen den sie sich im Namen des „Volkes“ und auf Basis von „natürlichen“ Gegebenheiten auflehnen.

Was so lächerlich klingt, daran haben wir uns längst gewöhnt. Die Grenzen zwischen konservativem Bürgertum und offenem Rechtsextremismus existieren nicht und so gut wie jetzt hat die Kollaboration wahrscheinlich das letzte Mal in den 1920ern funktioniert. 

Jedes „Stopp“, jedes „NEIN“, jede Demonstration und jedes Widerwort bricht diese Normalisierung ein wenig auf. Es ist leicht, sich in einer arroganten Pose zurückzulehnen und zu bekritteln, dass dadurch nicht die gesamte Wucht des Rechtsextremismus aufgehalten wird. Ja, das stimmt. Aber es ist weit mehr, als mit den Schultern zu zucken und „Lasst sie doch“ zu murmeln. „Lasst sie doch“ war immer die größte Hilfe für Rechtsextreme.

In einer Zeit, in der ein Innenminister sich in autoritären Machtfantasien suhlt, die die Demokratie abschaffen, in der rechtsextreme Gewalt gegen Linke, Frauen, Flüchtlinge, LGBTQs und viele andere atemberaubende Ausmaße annimmt, die FPÖ von einem Hoch zum nächsten gleitet und in der der Polizeiapparat außer Rand und Band ist, ist „Lasst sie doch“ keine neutrale äquidistante Aussage, sondern Kollaboration.

Für alle Antifaschist_innen:

3.2.2017

17h Schottentor

Demonstration gegen den Burschenschafterball

 

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10 Punkte, die wir dank des rechtsextremen Kongresses in Linz und den Protesten dagegen wissen

  1. Die Vernetzung intensiviert sich

    Es ist auf gruslige Art und Weise zu sehen wie gut mittlerweile die Vernetzung der extremen Rechten läuft. Wie Genauso wie die Identitären ist die außerparlamentarische Rechte, unter Federführung der „Neuen Rechten“, transnational organisiert. Es reicht längst nicht mehr sich die Szene in einem Land anzuschauen. Vor allem ist gut zu beobachten wie stark die österreichische Szene im Vergleich zur Deutschen aufholt. So gab es bis vor wenigen Jahren kaum eine „Neue Rechte“, die sich für den „geistigen Bürgerkrieg“ (G. Kubitschek – Chefideologe der Neuen Rechten) rüstet. Mittlerweile gibt es einige Projekte, die, ähnlich wie in Deutschland, um Blogs und Onlinezeitschriften organisiert sind. Die starke Identitäre Bewegung in Österreich war hier ein wichtiger Impulsgeber.

  2. Linz ist nicht KölnGleichzeitig und parallel zum rechtsextremen Kongress, wollte die verschwörungstheoretische und Putin-lobhudelnde Zeitschrift Compact eine Konferenz in Köln abhalten. Nach antifaschistischen Recherchen wurde der Veranstaltungsort bekannt und die Rechtsextremen aus der Halle geworfen. Schließlich wurde sie ganz abgesagt. In Deutschland ist so etwas immer wieder möglich. Auch die neurechte Messe „zwischentag“ tut sich Jahr um Jahr schwer Räume zu finden.
  3. OÖ Landesregierung gibt Segen

    In Österreich gibt hingegen sogar die Landesregierung ihren Segen und vermietet im Wissen um den Charakter der Veranstaltung an Rechtsextreme und Faschisten. Sogar die Landesflagge von Oberösterreich blieb hängen, was dem Ganzen einen höchst offiziellen Charakter gab.

    Quelle: Twitter-Screenshot

    Quelle: Twitter-Screenshot

     Die Säle wurden vermietet obwohl sich zahlreiche bekannte Personen, inklusive ehemaliger ÖVP-Politiker, dagegen gewandt haben. Sogar der Bundeskanzler hat sich, erstmalig, für die antifaschistischen Gegenproteste ausgesprochen.

    Es ist bemerkenswert wie sich der ÖVP-Landeshauptmann hier von seinem kleineren Koalitionspartner in ein Eckerl drängen hat lassen aus dem er einfach nicht mehr hinauskommt. Es zeigt auch, dass die FPÖ geschickter und gescheiter (aus ihrer Sicht) agiert, als es sich potentielle Koalitionspartner_innen oft denken. Das Entzaubern und „im Zaum halten“ der FPÖ scheitert jedes einzelne Mal. Pühringer hat es gerade am eigenen Leib erfahren. Unabhängig von ideologischen Überlegungen und nur machtpolitisch gesehen – eine Koalition mit der FPÖ nützt nur und ausschließlich der FPÖ.

  1. Die dubiose Rolle der ÖVP

    Überhaupt ist die Rolle der ÖVP bei diesem Kongress höchst dubios. Das Verhalten der ÖVP in Oberösterreich wurde schon beleuchtet. Aber auch die Bundes-ÖVP und die ÖVP Wien haben merkwürdige Positionen zu diesem Kongress. Ein Kandidat für die Gemeinderatswahl 2015 der ÖVP Wien nimmt in einer Redner-Rolle an diesem Kongress teil und die ÖVP Wien geht auf Tauchstation. Alexander Surowiec hat sich mit seinem Medienprojekt direkt neben das offen rechtsextreme „unzensuriert.at“, das tendenziell antisemitische „alles roger“ sowie die Putin-Fanboys  von “Info direkt” eingeordnet. Eine interessante Nachbarschaft und politischer Dunstkreis für einen ÖVPler.

    Quelle:. screenshot HP

    Quelle:. screenshot HP

     Auch, dass die Bundes-ÖVP kein Wort der Verurteilung des Kongresses über die Lippen ist nicht verwunderlich, will man doch höchstwahrscheinlich die beiden Landesorganisationen nicht noch weiter in die Bredouille bringen. Abenteuerlich sind hier aber die sprachlichen Verrenkungen, derer man sich bemüht. So forderte SPÖ-Generalsekretär Niedermühlbichler die ÖVP via Presseaussendung auf dieses Treffen zu verurteilen. Gnädigerweise wird hier nicht einmal die Rolle von ÖVPlern selbst betont, sondern die der FPÖ mit Verweis auf die Bundespräsidentenwahl. Also eigentlich eine durchaus annehmbare Einladung. ÖVP-Generalsekretär Amon antwortete hingegen pampig man habe sich ohnehin schon von Straches „Bürgerkrieg“-Sager distanziert, das müsse reichen.  Das ist keine Distanzierung von dem rechtsextremen Kongress in Linz. Das ist durchaus bemerkenswert.

  1. Laun wurde zurückgepfiffen

    Der bekannte Frauen- und Homosexuellenverachtende katholische Weihbischof Andreas Laun wurde kurzfristig als Starredner für den Kongress angekündigt. Kurz vor seiner Rede musst er absagen, weil es ihm offenbar von seinen Vorgesetzten befohlen wurde. Dies augenscheinlich nur unter Protest und nicht ohne weiter gegen die Proteste zu hetzen und die Veranstaltung zu loben. Das zeigt auch, dass die Berührungsängste zwischen rechtskatholischen und faschistischen Kreisen sinken. Diese Zusammenarbeit sehen wir zunehmend in ganz Europa, vor allem wenn es gegen Frauenrechte geht. Religiöse Adels- und Militärnetzwerke, wie wir es auch schon bei der AfD gesehen haben, bieten große Ressourcen für aktionistisch orientierte rechtsextreme Kreise. Die Zusammenarbeit haben wir von Frankreich (Manif pour tous) über Deutschland (Terror gegen Forscher_innen, die sich mit progressivem Sexualkundeunterricht beschäftigen) bis Polen (Bekannt progressive Czarny Proteste gegen Abtreibungsverbot). Das betrifft nicht nur die katholische Kirche, sondern evangelikale Kreise, orthodoxe Kirchen und auch rechte islamische Strömungen, die sich teilweise den rechtsextremen Protesten anschlossen.

  1. Servus TV – waren sie nun drinnen oder nicht?

    Eine Selbstdemontage bot der Red Bull-Sender „Servus TV“. So verkündete der Twitter-Account der Rechtsextremen, dass „Servus TV“ eingeladen ist sich die Veranstaltung von innen anzusehen. Dies ist laut Eigenangaben nur in einer Kooperation möglich. Wie diese Kooperation aussieht wurde auch aufgelistet – nur ausgewählte Medien, die nicht kritisch berichten, erhalten die. Dies trifft naturgemäß nur auf rechtsextreme Medien zu.

    Quelle: Screenshot Twitter

    Quelle: Screenshot Twitter

    Es wäre also eine Blamage für „Servus TV“, wenn das stimmt, während sogar die “Krone” aus den Räumlichkeiten komplimentiert wird, deren Redakteur sich zuvor eine normale Besucherkarte besorgte 

    Servus TV“ war also sehr bemüht unter die zahlreichen Tweets, die auf diese Kooperation hinwiesen, zu reagieren und klar zu stellen, dass es keine Kooperation gibt.  Vielfach wurde gefragt, ob das bedeutet, dass „Servus TV“, wie alle anderen seriösen Medien, nicht in den Sälen war. Vielfach blieb diese Frage unbeantwortet.

     

    Quelle: Screenshot Twitter

    Quelle: Screenshot Twitter


    Wenn sich herausstellt,, dass „Servus TV“ nun doch drinnen war, dann kommt das einer Selbstdemontage gleich und „Servus TV“ läuft in der selben Kategorie wie „unzensuriert.at“ und „info direkt“. Nicht vergessen: Dieser Sender wird von einer global sehr erfolgreichen Marke (Red Bull) finanziert. Dies hätte auch Auswirkungen auf den Fußball, wenn hochgejazzte und durchgestylte Kunstvereine wie jene in Salzburg und Leipzig sich plötzlich mit der Tatsache konfrontiert sähen, dass ihr Mäzen offen mit Rechtsextremen und Faschisten zusammenarbeitet. Zumal dies nur der letzte große Schubser in der Talfahrt wäre, nachdem Rechtsextremen schon unkritisch eine Bühne geboten wurde und eines der größten Zugpferde im Red Bull-Stall, der Stratosphären-Springer Baumgartner, sich offen mit den Identitären solidarisierte . Es wird spannend zu sehen sein, wie und ob hier das durchkoordinierte Happy-Lifestyle-Image der Marke Red Bull verteidigt wird oder nicht. Eine großatig recherchierte Gesamtschau findet sich hier. 

  2. Die FPÖ ist offen wie nie

         Es ist nichts Neues – die FPÖ hofiert Rechtsextreme. Wissen wir alles. Wir sind da auch schon recht abgestumpft. Sie ist nur mittlerweile so besoffen von ihrer eigenen Selbstsicherheit, dass sie es sich erlaubt den Wahlkampfleiter mitten während einer entscheidenden Phase ganz offen auf einen rechtsextremen und faschistischen Kongress zu schicken. Einfach so. Unglaublich eigentlich. Das wirklich bemerkenswerte ist, dass die Sprache und die Inhalte des Wahlkampfleiters sich überhaupt nicht von den sonstigen Beiträgen unterschieden. Er hat sich mit seiner Rede, im Gegenteil, gut und passend eingefügt.

  1. Immer wieder Polizeieskalation

Es ist fast schon Folklore – bei jeder antifaschistischen Mobilisierung der letzten Jahre gab es eine Eskalationstaktik der Polizei. Wir erinnern uns – es ist kaum ein halbes Jahr als es völlig jenseitige Pfefferspray-Orgien am Wiener Gürtel gab, die mittlerweile auch von einem Gericht als rechtswidrig befunden wurde. Vor wenigen Tagen wurde auch ein bizarrer Fall vor Gericht verhandelt, wo sogar der Richter unwahre Aussagen bei Polizist_innen vermutete.

Heute gab es zwei Bussdurchsuchungen von vermummten und mit Gewehr bewaffneten Polizist_innen in einem abgelegenen Waldstück. Sogar ein Polizeihubschrauber kreiste über den Bussen.  Kollektive und verdachtslose Kontrollen von Bussen sind im Übrigen rechtswidrig, das wurde schon per Gericht festgestellt. Während der Demonstration in Linz wurde dann ein Block in der Demo gekesselt – und das, „dank“ weiter Sperrgebiete, sehr weit weg vom Veranstaltungsort. Warum immer und immer und immer wieder so ein Verhalten? Hat das Innenministerium den Polizeiapparat noch im Griff oder machen hier einzelne Einsatzleiter was sie wollen?

  1. Große antifaschistische Proteste gibt es auch außerhalb Wiens

Es ist absolut beeindruckend was sich in den letzten Jahren in Sachen antifaschistischer Proteste getan hat in den Bundesländern. Egal, ob Graz, Innsbruck oder Linz – große und breite antifaschistische sind möglich und erfolgreich. „Linz gegen Rechts“ hat gezeigt wie so etwas möglich ist. 3.500 Leute waren heute in Linz auf der Straße. Hut ab und weiter so!

  1. Antifaschismus wirkt und wirkt und wirkt

Zu guter letzt sei noch einmal in Erinnerung gerufen, dass wir über all dies nicht reden würden, würden nicht Antifaschist_innen in ihrer Freizeit Zusammenhänge recherchieren, Demonstrationen organisieren, Busse bestellen und ziemlich viel Koordinierungsarbeit leisten. „Daneben“ gibt es noch inhaltliche Texte, Medienarbeit und die politische Suche nach Verbündeten. Und dann stehen sie auch noch an einem Herbstsamstag in Linz auf der Straße statt auszuschlafen, schwimmen zu gehen oder ihre Freizeit anderweitig zu genießen. Danke, Antifaschist_innen, ihr zeigt Mal um Mal, dass Demokratie nichts Gegebenes ist, sondern, dass man Rechtsextremen die Stirn bieten muss.

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10 Dinge, die wir bei der Gegendemo zu den Identitären gelernt haben

  1. Antifaschistische Arbeit wirkt

Danke liebe Antifaschist_innen. Egal ob -10°C im Jänner oder unsägliche Hitze heute: ihr seid da. Ihr liegt nicht im Bad, vielleicht gönnt ihr euch ein Tichy-Eis, aber ihr seid da, während andere nur groß auf Twitter protzen. Danke, liebe Antifaschist_innen. Ohne eure Arbeit könnten Rechtsextreme mir nichts, dir nichts durch Wien laufen.

  1. Im 10. ist es viel leiwander zu demonstrieren

Es ist kaum verwunderlich, aber soll festgehalten werden: Die Leute im 10. Bezirk sind um einiges leiwander als jene im 1. Bezirk. Spontane Solidarisierungen, viele Jubelrufe, Applaus und positive Zurufe aus den Fenstern. Der 10. Bezirk hat die Antifaschist_innen willkommen geheißen und die Identitären ausgebuht. So solls sein.

  1. Entschlossene Blockaden funktionieren

Die Identitären konnten genau und nur dank heftigstem Polizeischutz eine ganze U- Bahnstation weit gehen, also nur ein paar hundert Meter. Das war nicht einmal die Hälfte der angemeldeten Route. Am Verteilerkreis: Nicht einmal ein Pickerl von ihnen. Demo blockiert, Demo abgebrochen. Weil Antifaschist_innen sich ihnen in den Weg gesetzt haben. Die Identitären wurden wieder einmal mit einer Sonder-U-Bahn abgeführt. Was für ein Misserfolg für die tapferen Kreuzzügler.

  1. Die Identitären konnten nur marginal mehr Menschen anziehen

Sie sind mehr geworden, soviel muss man festhalten. Aber es war wieder eine rein interne Demo von organisierten Rechtsextremen. Das zeigte sich schon daran, dass sie in Gruppen angereist sind. Die höchstens 250 Identitären setzten sich aus den verschiedenen Landesgruppen aus Österreich, Deutschland (hallo, Würzburg), Italien, Tschechien aber vor allem Frankreich zusammen. Dazu ein paar Nazi-Hooligans (Unsterblich?) und das wars.

  1. Rechte setzen das Dach einer U-Bahnstation in Brand und Zeitungen/Polizei drucksen herum

Nazi-Hooligans schmeißen Bengalen in Richtung Gegendemo. Zum Glück, muss man sagen, wird nur das Dach einer U-Bahnstation getroffen. Dieses fängt Feuer und wir sehen spektakuläre Bilder eines rauchenden Dachs. Was wäre, wenn Linke daran Schuld gewesen wären? Der Falter hätte sich nicht eingekriegt vor lauter Empörung. Überall wären Stirnen in Falten gelegt worden, Distanzierungen gefordert und wahrscheinlich hätte eine unsägliche Kriegsmetapher wieder herhalten müssen. Bei Rechten wird herumgedruckst. Eine U- Bahnstation geriet magischerweise in Brand. Von wem wird nobel von allen Seiten verschwiegen. Warum eigentlich?

  1. Rechtsextreme verprügeln Antifaschisten und niemanden interesierts

Am Praterstern wird ein Antifaschist verprügelt. Er liegt am Boden, die Rechtsextremen springen noch auf ihn drauf, wie Martin Juen festgehalten hat:

Veröffentlichung nach freundlicher Genehmigung/Alle Rechte beim Fotografen

Veröffentlichung nach freundlicher Genehmigung/Alle Rechte beim Fotografen

 

Michael Bonvalot (@MichaelBonvalot) hat auch festgehalten, wie die Rechtsextremen mit Stangen bewaffnet auf die Antifaschist_innen zustürmen. Diese Stangen wurden ihnen von der Polizei natürlich nicht als Waffe eingestuft und abgenommen.

Veröffentlichung nach freundlicher Genehmigung/Alle Rechte beim Fotografen

Veröffentlichung nach freundlicher Genehmigung/Alle Rechte beim Fotografen

Ein Fotograf, der den am Boden liegenden Antifaschisten schützen wollte, wurde dann ebenfalls mit Schlägen bedacht.

Edit:
Dieser sympathische Herr hatte praktischerweise auch seine Lederhandschuhe dabei, bei der Kälte gestern. Es könnten aber auch Quarzsandhandschuhe gewesen sein. Sowas hat man ja immer gach dabei. Hier das Bild von Michael Bonvalot.

Veröffentlichung nach freundlicher Genehmigung/Alle Rechte beim Fotografen

Veröffentlichung nach freundlicher Genehmigung/Alle Rechte beim Fotografen

edit 2:

Offenbar hatte ein Identitärer ein Messer gut sichtbar einstecken. Die Polizei hat es sich zeigen lassen und wieder zurück gegeben.

  1. Rechtsextreme gehen auf Journalist_innen und Gewerkschafter_innen los – kein Aufschrei

Womit wir schon beim Thema Angriffe auf Journalist_innen sind. Neben dem Fotografen am Praterstern wurden auch andere Journalist_innen bedroht. Aus dem Lokal im Prater, in dem sich die Identitären befanden, wurden Besteck aber auch schwere Aschenbecher und Biergläser in Richtung Journalist_innen geworfen. Auch ein Beobachter der Gewerkschaftsfraktion Auge/UG wurde von den Identitären körperlich angegriffen. Der Gewerkschafter erstattete anschließend Anzeige.

  1. Rufe nach Säuberungen und Völkermord in Wiens Straßen werden zur Normalität

Wie kann es eigentlich sein, dass es zur Normalität zu werden scheint, dass Leute am hellichten Tag durch Wiens Straßen ziehen und ernsthaft eine Reconquista fordern? Das ist nichts anderes als der Wunsch nach einem Europa ohne Muslime und Juden und Jüdinnen. Bitte führt euch das vor Augen: Sie wollen alle Muslime und alle Juden und Jüdinnen aus Europa hinaus befördern. Wie das von statten gehen soll, hat die Geschichte hinlänglich bewiesen. Der Ruf nach einer Reconquista ist der Ruf nach ethnischer Säuberung bis hin zum Völkermord.

  1. Die Salon- und Tastatur-Antifaschist_innen können nur groß reden, sind aber nicht da, wenns drauf ankommt

Wir kennen sie alle, diese achso tollen Antifaschist_innen, die sich virtuell abfeiern lassen, weil sie im Jahr 2015 auch mal einen bösen Tweet in Richtung Identitärer abgesondert haben. Denen wird dann von anderen Tastatur-Antifaschist_innen virtuell auf die Schulter geklopft und gemeinsam stilisiert man sich zu den eigentlichen Antifaschist_innen hoch, ganz anders als diese blöden Linken. Tja, auf die Straße schafft es wie immer niemand von denen. Wahrscheinlich musste man fein am Naschmarkt um 21€ frühstücken gehen und hats grad nicht geschafft, sich Rechtsextremen in den Weg zu stellen. Pech aber auch.

 

edit: Zur Klarstellung. Es geht hier nicht um Leute, die aus welchen Gründen auch immer mal nicht können/wollen. Es geht um eine Schickeria, deren Antifaschismus darin besteht, sich in Sozialen Medien für böse Tweets gegen Rechte abfeiern zu lassen, aber gleichzeitig Antifaschist_innen kriminalisiert und abseits der Tastaturen keinen Finger gegen rechts rührt.

  1. Das sind die neuen Freunde der SPÖ Burgenland

Zum Abschluss: Liebe SPÖ Burgenland, diese Leute sind eure Koalitionspartner_innen. Diese Leute, die gerne ethnische Säuberungen hätten und Antifaschist_innen krankenhausreif prügeln. Denn der RFJ Burgenland und die Identitären sind quasi deckungsgleich. Wenn der RFJ zu einer Straßenaktion nach Eisenstadt einlädt, dann wird das von den Identitären ausgeführt. Ihr koaliert mit der Mutterpartei. Schöne Freunderl habt ihr da.

EDIT:

11. Drohungen gegen Antifaschist_innen

Ich habe schon befürchtet, dass ich diesen Punkt doch noch hinzufügen muss. Am Abend/in der Nacht folgten Drohungen und Übergriffe frustrierter Identitärer und Freunde auf Antifaschist_innen. So wurde gegen Mitternacht eine Gruppe Antifaschist_innen von 10 rechten Schlägern in Gürtelgegend angegriffen. Ich selbst bin auch, wieder einmal, Adressatin von Drohungen. Dieses mal auf Twitter. Venster/Fenster ist zum einen eine Anspielung auf den Ort einer antifaschistischen Party an dem Tag im Lokal “Venster”, andererseits verweist es auf den Schuss mit einem Luftdruckgewehr auf mein Küchenfenster vor ca. einem Jahr. Die Drohung folgt (naturgemäß) anonym. Julian Utz, prominentes Mitglied der Identitären und in erster Reihe in der Demo dieses Jahr, findet diese Drohung unterstützenswert.

drohungfenster

 

Strache teilt Video der Identitären

Es ist wohl den österreichischen Verhältnissen geschuldet, dass es nicht einmal mehr groß auffällt, wenn der Obmann der (zweit/dritt)stärksten Partei im Lande ein Hetzvideo einer rechtsextremen Organisation auf seiner Facebook-Seite teilt. So geschehen am 13. Mai 2015.

Screenshot

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Die Génération Identitaire ist der Ausgangspunkt der Identitären Bewegung und gleichzeitig die mit Abstand größte Gruppe. Sie haben sich aus der Jugendorganisation des Bloc Identitaire, einer kleinen rechtsextremen Wahlpartei, entwickelt. Erstmals Aufsehen erregten sie 2012 mit der Besetzung einer sich im Bau befindlichen Moschee und dem Video „Kriegserklärung“. Das war der Startschuss für die Gründung Identitärer Bewegungen in ganz Europa, insbesondere im deutschsprachigen Raum. Die Génération Identitaire macht einerseits mit Besetzungen, andererseits etwa mit der Gründung von Bürgerwehren  auf sich aufmerksam. Diese, wie auch das von Strache gepostete Hetzvideo, stehen in Zusammenhang mit der Kampagne „Anti-Racailles“. „Anti-Racailles“ bedeutet so viel wie „Anti-Pack“. Damit sind praktischerweise sowohl Migrant_innen als auch Linke gemeint. Der Ausdruck „Racailles“ für die Protestierenden der Banlieues wurde von Nicolas Sarkozy geprägt. Hier zeigt sich wieder ein ähnlich strukturiertes antidemokratisches Denken mitten in einer vermeintlichen Mitte. Die rechtsextremen Identitären nehmen das gerne auf. Auch das Video auf Straches Seite verbreitet diese Logik. Gezeigt werden Videoausschnitte aus Überwachungskameras, die gewaltsame Übergriffe und Raub zeigen. Dazwischen werden Bilder von Demonstrationen eingeblendet. Im Gegensatz dazu präsentieren sich die Identitären als geschniegelte, brave Kinder, die für Recht und Ordnung stehen. Der Kniff ist bekannt: Migrant_innen und arme Menschen werden als bedrohliche, gesichtslose Masse hingestellt, die an Verbrechen und Gewalt Schuld sind. Dagegen kann nur unerbittliche Härte sowie Einschränkung von Demokratie und Menschenrechten helfen. Die konstruierte gewaltvolle Masse an Migrant_innen, Flüchtlingen und armen Menschen wird jeglicher Individualität beraubt und zur gesichtslosen Bedrohung für alle „Anderen“. Im Gegensatz dazu präsentiert sich die Génération Identitaire hip, nett und jung vor bekannten Pariser Plätzen.

Natürlich tobt unter dem Link auf Straches Seite der braune Mob. Auch nach zwei Tagen wurden hetzerische und offen rassistische Posts nicht gelöscht. Ein kleiner Ausschnitt:

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Die Identitären nutzen das Posting auch fleißig als Werbeeinschaltung für ihre rassistische Propaganda:

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Am Meisten scheint sich Luca Kerbl zu freuen. Luca Kerbl ist FPÖ-Gemeinderat in Fohnsdorf und gerne bei Störaktionen und Einschüchterungsversuchen der Identitären zugegen.

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Es ist im Übrigen nicht das erste Mal, dass Strache Inhalte der Identitären teilt.

So hat er ein Sujet mit einem Bild aus dem Katalog der Designerin Lena Hoschek geteilt. Dieses stammt von den Identitären und zeigt auch das Logo ihrer tumblr-Seite „Wirkungsfeuer“.

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Schon 2012 teilte Straches Facebook-Seite einen Sticker einer Vorläuferorganisation der Identitären – des „Funken“.

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Just um den 8. Mai ließ er verlautbaren, wie unfair es sei, dass Gegner eines „marxistischen Systems als Kriminelle“ behandelt werden. Insinuiert soll damit offenbar werden, dass der 8. Mai kein Tag der Befreiung, sondern der Niederlage sei. Und dass vielleicht Nazis gar keine Kriminellen gewesen waren. Mit solchen Behauptungen stünde er nicht alleine da, im Gegenteil – auch dieses Jahr betrauerte etwa der Nationalratsabgeordnete Wendelin Mölzer als Chefredakteur von ZurZeit den 8. Mai. Über die schrecklichen Kriegsverbrechen an den armen Deutschen durch die gesichtslose und tiergleiche Rote Armee oder durch Partisan_innen darf dort im Übrigen ein gewisser Georg Immanuel Nagel schwadronieren. Und der hat neben seinem verunglückten Zwischenstopp als Pegida-Sprecher auch seine Kontakte zu den Identitären. Womit sich wieder ein Kreis schließt.

ZurZeit haben die Nazis den 2. Weltkrieg verloren

Thema

ZurZeit ist das Zeitschriftchen aus dem Hause Mölzer. Früher war Andreas Mölzer, vormaliger Abgeordneter im EU-Parlament, persönlich der Chefredakteur, mittlerweile ist die jüngere Generation nachgerückt und sein Sohn, Wendelin Mölzer, ist der Chefredakteur. Als Herausgeber fungiert nach wie vor Mölzer senior zursammen mit dem früheren Volksanwalt Hilmar Kabas und Walter Seledec, vormals Chedredakteur, der gerne toten Nazis wie Walter Novotny gedenkt.

Damit ist es eigentlich schon angerichtet und es gibt nur noch wenig was einen wirklich noch schocken kann, wenn solche Männer ihr Geschichtsbild ausbreiten. Die aktuelle Ausgabe von ZurZeit ist aber ein besonderes Gustostückerl und wert genauer betrachtet zu werden.

Das Schwerpunktthema

Titelbild

Apokalypse 1945. Natürlich beginnt die Apokalypse erst 1945, denn davor war alles anscheinend pipifein. Diese Sicht zieht sich durch sämtliche Artikel. Der Tenor: Mit 1945 begann Leid, Hunger, Verbrechen, Vertreibung. Der Ereignisse von 1945 werden in keinen kausalen Zusammenhang mit den Verbrechen der Nazis gestellt. Weder mit dem Vernichtungskrieg im Osten, den Massakern an Partisan_innen, den Verbrechen gegen die Zivilbevölkerung und schon gar nicht mit dem Holocaust. Dieser kommt in der gesamten Ausgabe kein einziges Mal vor, er wird nicht einmal angedeutet. Entweder weil er als unwichtige Randnotiz im Geschichtsbild von ZurZeit gilt oder weil er vielleicht gar nicht gilt – das wird nicht näher ausgeführt. Es wird vielmehr so getan, als sei der 2. Weltkrieg ohne besondere Vorkommnisse ein Krieg wie jeder andere und nicht der Rede wert.

Schuld am Krieg haben die Allierten

Wenn schon wer Schuld am Krieg hat, dann sicherlich nicht die Nazis. Churchill ist der eigentliche Bösewicht und überhaupt – die Reperationszahlungen sind am meisten Schuld. Nicht Schuld sind die Nazis, Antisemitismus, Mitläufer etc pp. Das ganze 20. Jahrhundert ist eine einzige Verschwörung gegen die guten Deutschen/Nazis. ZurZeit wirft sich in die Pose der Unterdrückten und fragt ganz schelmenhaft: War es wirklich so gut, dass die Nazis besiegt wurden und sollten wir rückblickend nicht eher traurig darüber sein und uns nach wie vor mit den Besiegten identifizieren?

Teaser

Nach ’45 begann die Katastrophe

Die Katastrophe begann für ZurZeit mit der Niederlage des Nationalsozialismus. Nicht davor. Nicht der Nationalsozialismus war das Problem, sondern dass er den Krieg verloren hat. Denn schlimmer als die Nazis waren anscheinend immer noch die Allierten und im speziellen die Sowjetunion. So 100% sicher sind sie sich aber anscheinend nicht was das größere Problem war, entweder, dass die Allierten blöderweise nicht geglaubt haben, dass sich „die Deutschen“ irgendwann bequemen den Nationalsozialismus von „alleine“ zu überwinden:

eigeneKraft

Wie die Allierten an dieser These nach sechs Jahren Krieg, sehr klaren Berichten über Vernichtungs- und Konzentrationslagern und Bomben- und Ostkrieg zweifeln konnten scheint ZurZeit geradezu empörend.

Andererseits, warum überhaupt den Nationalsozialismus überwinden? Das scheint die große Frage. Denn was haben „uns“ diese Allierten schon gebracht? Umerziehung. Eine bodenlose Frechheit das mit der Entnazifizierung. Wie konnten die Allierten nur? Zwischen den Zeilen scheint die Frage zu schweben: Warum darf man denn eigentlich kein Nazi mehr sein?

umerziehen

ZurZeit setzt viel daran zu zeigen, dass die eigentlichen Bösen alle anderen außer die Nazis waren. Denn die Allierten haben eigentlich viel mehr Leute auf dem Gewissen, noch dazu Deutsche. So werden abenteuerliche Zahlenspiele konstruiert, die wohl insgeheim den Zahlen der Opfer des Holocausts gegenübergestellt werden können.

Kinder1

Kinder2

Revisionismus

Ganz unverhohlen darf der einschlägig bekannte Brigadegeneral a.D. Reinhard Uhle-Wettler offenen Revisionismus in einem prominent platzierten Kommentar absondern.

revisionismusgalore

Das ist offene Täter-Opfer-Verschiebung. Nicht der NS hatte Kollaborateure und Mitläufer oder legte ein bestimmtes Geschichts- und Gesellschaftsbild fest, nein, das geschah erst danach. Insinuiert wird, dass es davor anders, besser und freier war. Die Nachkriegszeit war also schlimmer als die Nazizeit.

Wo es juristisch relevant zu werden beginnt müssen Jurist_innen beurteilen. An der Grenze zur Wiedebetätigung tanzt ZurZeit aber mit dreister Genugtuung. Politisch muss die Frage erlaubt sein, ob Leute, die sich nicht sicher sind, ob das mit der Niederlage der Nazis etwas Gutes war oder nicht, im Parlament als ganz normale Partei durchgehen.

P.S.: In der selben Ausgabe, aber zu einem anderen Thema wird dann wieder die Diktion der Nazis ausgepackt. Im Zusammenhang mit Flüchtlingen:

Endlösung

 

(alle Hervorhebungen von mir, alle Fotos von mir)

Vergewaltigungsdrohungen

Als Frau, die hin und wieder in der Öffentlichkeit steht, bin ich Sexismus gewohnt. Als Antifaschistin bin ich Drohungen und Einschüchterungen gewohnt. Ich möchte sie trotzdem nicht als Normalität akzeptieren. Nach meinem gestrigen Auftritt in den Puls4-Nachrichten bekam ich heute diese E-Mail von jemandem, der offenbar von „Udo“ (Guggenbichler), Nazis und Burschenschaftern als „uns“ spricht. Gleich zu Beginn gibt es eine schöne Täter-Opfer-Verkehrung und die Andeutung, Linke könnten den ehemaligen SPÖ-Politiker Albrecht Konecny verprügelt haben. (Es ist belegt, dass es Nazis waren) Dann drohte er mir damit, dass ich morgen, am Tag der Demonstrationen gegen den Burschenschafterball, vergewaltigt werde und mir besser schon einmal die Pille danach besorgen solle. Es zeigt ganz deutlich, über wessen Gewalt wir dringend reden sollten.

Vergewaltigung

 

Update: Eine Anzeige über gefährliche Drohung wurde erstattet.

Update 1 Jahr später: Die Staatsanwaltschaft stellte das Verfahren ein und sah in der Drohung eine verständliche “Unmutsäußerung”. Erst durch große Hilfe des Österreichischen Frauenrings wurde das Verfahren wieder aufgenommen. Bis zum heutigen Tag hat die Polizei keine Täter ausgeforscht oder große Ermittlungen aufgenommen. Bis heute wurde von mir noch nicht einmal das Originalmail angefordert. Offenbar zählt sexuelle Gewalt aus einem bestimmten Milieu mit rechtsextremen Hintergrund nichts.

Der Faschismus von heute ist der Faschismus

 

Screenshot Facebook

Screenshot Facebook

Die FPÖ übt sich wieder einmal in sprachlicher Aufrüstung. Das ist kein plötzlicher Wutausbruch oder ein verbales Hoppala. Das ist gut kalkulierte Strategie. Strache bezeichnet Gegendemonstrant_innen gegen den FPÖ-Burschenschafterball als „SA“. So etwas rutscht nicht einfach heraus. Es fungiert als Nachricht nach innen und nach außen.

Nach innen sendet es das klare Signal an den völkisch-rechtsextremen Teil der FPÖ, also die Burschenschaften, dass diese keine Angst haben müssen, denn die Partei lehnt sich für sie weit aus dem Fenster. Es fördert also den Zusammenhalt und gibt Rückendeckung für jede noch so dreiste Aktion, die sich von der Parteispitze alle erlauben können. Denn Gegendemonstrant_innen werden hier als vogelfrei erklärt. Sie sind keine Menschen mit individuellen Rechten mehr, sondern stellen das Grauen schlechthin dar. (Wobei bezweifelt werden darf, dass für alle in diesem Spektrum die SA die schlimmste vorstellbare Organisation ist)

Nach außen ist es mehr als nur einer der üblichen dumpfen Ausfälle der FPÖ. Bemerkenswert ist, dass Strache selbst so offen zum Wort greift und nicht seine üblichen Männer fürs Grobe vorschickt.

Verharmlosung

Straches Aussage ist eine Verharmlosung des Nationalsozialismus, seiner Organisation und seiner Verbrechen. Die Sturmabteilung (SA) stellte die Straßenkampftruppe des NS in seiner Zeit als Bewegungsfaschismus dar. Vor der Machtübernahme des NS (deren Jahrestag im Übrigen der 30. Jänner, das diesjährige Datum des Balls ist) prügelten und mordeten sie Hitler die Straßen frei. Vor allem Kommunist_innen und andere Linke waren die Opfer dieses Prügeltrupps. Wenn Demonstrationen mit diesen Verbrechen verglichen werden, ist das nichts anderes als eine grobe Verharmlosung.

Opfer-Täter-Umkehr

Zum anderen ist diese Aussage eine der dreistesten Opfer-Täter-Umkehren der letzten Zeit. Auch das kommt nicht von ungefähr. Im Jahr 2012 verglich sich Strache mit den Opfern des Holocausts und bezeichnete die Burschenschaften und die FPÖ just am Holocaust-Gedenktag als „die neuen Juden“. In dieser Logik ist es nur schlüssig, dass die, die gegen die Burschenschaften demonstrieren, die SA sein müssen. In dieser Logik wird auch nicht davor gescheut, eine kaputte Fensterscheibe mit den zerstörten Synagogen und ermordeten Juden und Jüdinnen während der Pogromnacht gleichzusetzen. Diese Umkehr passiert bei der FPÖ am laufenden Band: Die Täter von damals sind eigentlich die Opfer und die Opfer von damals die eigentlichen Täter. Daraus resultieren Wortschöpfungen wie „Linksfaschismus“ oder „linke SA“. Es wird versucht, sich selbst vom Geruch des NS reinzuwaschen, indem das Mäntelchen den Gegner_innen des NS umgehängt wird. So absurd es auch klingt, aber wenn der Antifaschismus der eigentliche Faschismus ist, dann kann die FPÖ damit gar nichts zu tun haben. FPÖ und Antifaschismus haben nämlich eine Überschneidungsmenge gleich null. Außer, wenn der Antifaschismus der wahre Faschismus und umgekehrt Rechtsextremismus zur Befreiung vor diesem Antifaschismus-Faschismus wird. Dann ist die FPÖ plötzlich die antifaschistische Kraft gegen den Antifaschismus. Eine glasklare Logik.

Rechte Opfer

Es ist eine eigenwillige Spielart des Rechtsextremismus, sich selbst immer als das Opfer zu inszenieren. Migrant_innen werden ermordet? Jüdische Einrichtungen geschändet? Linke werden bedroht? Egal, das wahre Opfer sind die Rechten. Denn diese werden für ihre Aussagen kritisiert oder müssen sich gar für Gesagtes rechtfertigen. Für diese himmelschreiende Ungerechtigkeit ist eine Armada von linkslinken Gutmenschen, Emanzen-Gesinnungsterroristinnen und Zensur-Inquisitor_innen verantwortlich, die gemeinsame Sache mit den antifaschistisch-faschistischen Berufsdemonstrant_innen machen. Das einzige Ziel ist es, die sich heroisch aufbäumende FPÖ klein zu halten. Diese agiert bekanntlich bar jeder Ressourcen aus dem Untergrund, wo Leute ihre Freizeit opfern, um Flyer der Freiheit per Hand zu kopieren und selbstgebastelte Radiosendungen auf Piratensendern auszustrahlen. Mühsam aber doch dringt hin und wieder ein kleines Wort dieses ressourcentechnisch völlig unterlegenen Freiheitskampfes über die Wahrnehmungsschwelle. Diese Haltung trifft auf das gesamte rechtsextremes Spektrum zu, in dem auch die Burschenschaften verankert sind. Der bürgerliche Rechtsextremismus der vermeintlichen Mitte hat alle Privilegien, die man in einer Gesellschaft so haben kann: ökonomisches, kulturelles und soziales Kapital. Burschenschafter sind weiß, männlich, wohlhabend, heterosexuell. Diskriminierungserfahrung kennen sie nur aus den verpflichtenden Gendervorlesungen, über die sie sich lustig machen. Sie leben ein ignorantes Leben als Elite. Weil es aber nicht sein darf, dass den Opfern ihrer Ideologie Gehör geschenkt wird, inszenieren sie sich selbst trotzdem noch als Opfer. Weil es keine nachvollziehbare Diskriminierungserfahrung gibt, ziehen sie das Ganze auf eine Gefühlsebene. Sie beklagen den gefühlten Identitätsverlust, sie beklagen die gefühlte Dekadenz, sie beklagen eine gefühlte Verfolgung. Und verantwortlich sind, natürlich, die Leute, die eigentlich von Diskriminierung betroffen sind.

Rechte Gewalt

Damit soll auch die Tatsache verschleiert werden, dass Gewalt von rechts ausgeht. Alleine in Deutschland wurden mindestens 184 Menschen seit 1990 (die Statistik geht bis 2013) durch rechtsextreme Gewalttäter_innen ermordet. Das dürfte die absolute Untergrenze sein, da sich solche Gewalttaten nicht gut in der Statistik machen. Im Moment findet eine Überprüfung ungeklärter Mordfälle auf rechtsextreme Hinweise statt. Das sind mindestens 8 Menschen im Jahr, die von Rechtsextremen ermordet werden. Jedes Jahr. Seit 23 Jahren. Als absolute Untergrenze. Für Österreich gibt es so eine Statistik gleich gar nicht. In Erinnerung sei hier die Mordserie des Rechtsextremisten Franz Fuchs gebracht, der 1995 in Oberwart die vier Roma Peter Sarközi, Josef Simon sowie Karl und Erwin Horvath aus rassistischen Motiven ermordete. Diese Menschen gelten in einem rechtsextremen Weltbild einfach nicht so viel wie sie selbst und die, die sie als ihre Volksgenossen ausmachen. Dementsprechend trauern die Burschenschaften am 8. Mai auch nicht um die Opfer des Holocausts sondern um ihres Gleichen: die armen deutschen Volksgenossen, die leider, leider den Krieg verloren haben.

Demokratie

Ein rechtsextremes Weltbild kann nie demokratisch sein, egal wer es propagiert und egal welche Position die Person hat. Rechtsextremismus und Demokratie sind zwei Haltungen, die einander per se ausschließen. Demokratie wird von Rechtsextremen gerne mit Beliebigkeit verwechselt, in der jeder Trottel alles sagen darf. Diskriminierung ist aber kein demokratisches Recht. Gegen Minderheiten zu hetzen oder Schwächere zu verfolgen ist ebenfalls kein demokratisches Recht. Das Leugnen und Relativieren des Holocausts ebenso nicht. Interessanterweise entspinnt sich für die Rechten die Frage nach Meinungsfreiheit immer nur an diesen Themenkomplexen. Die FPÖ verbal anzugreifen oder Diskriminierungen nicht still über sich ergehen zu lassen ist demnach kein demokratisches Recht.

Fazit

Äußerungen wie diese sind nicht zufällig oder spontan, sondern entspringen einer gewissen Ideologie. Diese Ideologie ist antidemokratisch, antiegalitär und vom Hass auf Antifaschist_innen geprägt. Es gilt also, nicht nur punktuell hinzuschauen, sondern die Ebenen dahinter aufzuzeigen und zu enttarnen.

Österreichische identitäre Demosöldner besetzen Sächsischen Landtag

Ihr kennt das Spiel doch – wenn Linke von A nach B zu einer Demo reisen, dann ist alles eine große Katastrophe. Von Staatsanwälten kennen wir Formulierungen wie „Demosöldner“ und wie verdächtig es nicht ist, wenn Handys gekauft werden. 

Wenn Rechtsextreme das machen, dann? Genau, da regt sich niemand auf. Am Montag fand wieder die Pegida-Demonstration in Dresden statt. Dass die unbedarften „besorgten“ Menschen oft in der rechtsextremen Szene organisiert sind oder gute Netzwerke dorthin haben, ist ja belegt. Im Zuge der Demonstration stürmten die Identitären den Sächsischen Landtag und machten das, was sie immer machen: Transpi in die Höh, Foto machen, sich auf Facebook dafür abfeiern lassen. Puh, wieder einmal das Abendland gerettet. Peinlicherweise verwenden sie auch noch ein Zitat der großen Rosa Luxemburg, ohne zu wissen was es bedeutet oder ohne auch nur einen zweiten Satz jemals von ihr gelesen zu haben.

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Interessant ist, dass die strammen Kameraden aus Sachsen offenbar zu feig waren, das alleine durchzuführen und sich dafür Hilfe aus Österreich geholt haben. Auf dem Foto sind der Obmann der Identitären Österreich sowie Wien zu sehen (Markovics und Sellner) nebst Julian Prochaska, der bei der Demo in Wien im Mai als Julian Bauer aufgetreten ist. Dazu kommt Tony Gerber, der das Gesicht der Identitären Sachsen ist und in Sellner’scher Manier versucht, einen Videoblog zu unterhalten. Oft scheitert es aber schon an Verständigungsschwierigkeiten innerhalb der großen deutschen Kulturnation.

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Die Identitären aus Österreich, speziell Wien, leisten Entwicklungshilfe für das identitäre Projekt, nachdem es in Deutschland nicht so wirklich vom Fleck kommt. Dazu wurden speziell in Sachsen große Anstrengungen unternommen, eine Gruppe aufzubauen. Teil dieser Anstrengungen sind auch Wehrsportübungen, die als Sportcamp getarnt wurden und bezeichnenderweise den Namen „Jahn“ tragen, nach dem völkischen und deutschnationalen Turnvater Jahn.

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Auch in Österreich haben sich die Identitären verbreitert und zentralistisch von oben nach unten neue Gruppen aufgebaut. In Kärnten, Salzburg, der Steiermark, Niederösterreich, Wien und Oberösterreich gibt es regelmäßig Flyer-, Postwurf- sowie Transparentaktionen. Eine überschaubare Gruppe an (immer den selben) Aktivist_innen packt sich zusammen und fährt durch verschiedene Gemeinden und Kleinstädte. Dort pappen sie für ein paar Minuten ihre Transparente mit den immergleichen Sprüchen an eine Wand, fotografieren das und lassen sich (erraten!) auf facebook dafür abfeiern.

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Interessant ist hier das Burgenland, wo der RFJ (Ring Freiheitlicher Jugend) und die Identitären ganz offen zusammenarbeiten. Eine angekündigte Aktion des RFJ entpuppte sich als eine alte identitäre Aktion, die schon vor drei Jahren unlustig war. Offenbar gehen ihnen die Ideen aus. Die vielfältige Geschichte der offenen Zusammenarbeit zwischen FPÖ und organisiertem Rechtsextremismus ist aber ein Kapitel reicher.

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Screenshot, “RFJ”-Aktion

Wenn Rechtsextreme von Verfolgung reden

(dieser Text stammt vom 1. Februar 2012, ist aber nach wie vor aktuell, deswegen findet er hier Eingang)

Es fällt schwer, die Gedanken zu ordnen, um Heinz-Christian Straches und Klaus Nittmanns Aussagen am WKR-Ball zu analysieren. In einer Reportage im STANDARD wird berichtet, dass sie, vermeintlich “unter sich”, Folgendes gesagt haben:

FPÖ-Obmann Heinz-Christian Strache vergleicht sich auf dem WKR-Ball mit den Opfern der Nazis: “Wir sind die neuen Juden”, sagte er zu Ballgästen, ohne zu wissen, dass Journalisten in der Nähe waren. Die Angriffe auf Burschenschafter-Buden vor dem Ball seien “wie die Reichskristallnacht gewesen”. Klaus Nittmann, Chef des FPÖ-Bildungsinstituts, der ebenfalls dabeistand, meinte: “Unternehmen, die für den Ball arbeiten, bekommen den Judenstern aufgeklebt.” Diese Aussagen haben viele Ebenen, die in diesem Artikel einzeln beleuchtet werden sollen.

Verharmlosung der “Reichskristallnacht”

Die Novemberpogrome von 1938 gegen die jüdische Bevölkerung wurden vom nationalsozialistischen Regime als “Volkszorn” inszeniert. Die “deutsche” Bevölkerung habe sich spontan gegen vermeintliche Provokationen von Juden und Jüdinnen aufgelehnt. Der Begriff “Volkszorn” wurde vom NS in diesem Zusammenhang für diese Nacht erfunden. Richtig ist jedoch, dass das NS-Regime selbst die gewalttätigen Übergriffe, Morde und Zerstörungen geplant und gelenkt hat. Im gesamten damaligen Reichsgebiet kam es zu einer Menschenhatz auf Juden und Jüdinnen, gegen die der große Teile der “deutschen” Bevölkerung nicht protestierte. ZivilistInnen beteiligten sich auch daran. Synagogen und Bethäuser wurden in Brand gesteckt und zerstört, Wohnungen wurden geplündert und Geschäfte verwüstet. Mindestens 400 Juden und Jüdinnen wurden in dieser Nacht ermordet. 30.000 wurden in Konzentrationslager deportiert. Viele weitere wurden all ihres Habs und Guts beraubt. Die Pogrome bilden den Übergang von brutaler Diskriminierung zu systematischer Verfolgung und, in weiterem Verlauf, Vernichtung der jüdischen Bevölkerung Deutschlands (bzw. des damaligen Deutschen Reichs) sowie ganz Europas.

Mit dieser Situation vergleicht sich Strache, Nationalratsabgeordneter, in einem Frack bei einem Glas Champagner in der Hofburg stehend, also. Diese grobe Verharmlosung von Verbrechen des Nationalsozialismus wurde mittlerweile von der Israelitischen Kultusgemeinde (IKG) nach dem Verbotsgesetz angezeigt.

Das rhetorische Mittel der Retorsion wird hier par excellence angewandt. Retorsion beschreibt die Strategie einer Mehrheit, sich mit den Waffen der Minderheit zu bewaffnen. Das passiert z. B., wenn “Weiße” analog zu Black Power eine Emanzipation einer vermeintlich “weißen” Rasse fordern. Oder wenn Männer beklagen, sie müssten nun vor all den emanzipierten Frauen geschützt werden. In diesem Fall kommt noch eine historische Opfer-TäterInnen-Umkehr hinzu.

Banalisierung des “Judensterns”

Der “Judenstern” war eine Zwangskennzeichnung von Juden und Jüdinnen bzw. Leuten, die in der biologistischen Denkweise der Nazis als solche bezeichnet wurden. Er diente als sichtbarer Ausschlussmechanismus gegenüber der jüdischen Bevölkerung. Sie wurde damit als nicht zugehörig klassifiziert. Gleichzeitig erleichterte er der Gestapo das Schikanieren und den Zugriff sowie die Deportation in Konzentrations- und Vernichtungslager der Menschen, die diese Kennzeichnung tragen mussten. Nittmann sieht also historische Gemeinsamkeiten zwischen der Situation der Juden und Jüdinnen im “Dritten Reich” und der von Firmen, die an der Umsetzung des WKR-Balls beteiligt sind. Auch hier passiert wieder grobe Verharmlosung und eine Umkehr von Opfern und TäterInnen, also Retorsion. Insinuiert (offensichtlich gemeint, aber nicht wortwörtlich ausgesprochen) wird nämlich, dass die Opfer von damals die TäterInnen von heute sind, dass also die IKG nun WKR-Ball-freundlichen Firmen den Judenstern aufklebt.

“Die neuen Juden”

Die beiden zuvor besprochenen Punkte gipfeln in der Aussage, “sie” seien die “neuen Juden”. Mit “sie” sind die BesucherInnen des WKR-Balls, die FPÖ und/oder das gesamte rechtsextreme Lager gemeint.

Im Nationalsozialismus wurden sechs Millionen Juden und Jüdinnen systematisch vernichtet. 3,3 Millionen sowjetische Kriegsgefangene wurden bei deutschen Verbrechen ermordet. Über 219.000 Sinti und Roma waren Opfer des Nationalsozialismus. Ca. 250.000 Menschen starben bei Euthanasie-Aktionen. Zwischen drei und vier Millionen weitere Menschen starben in Konzentrations- und Vernichtungslagern, während der Zwangsarbeit sowie bei weiteren Verbrechen.

Es ist nicht historische Dummheit, die Strache zu dieser Aussage verleitet. Er kennt die Zahlen sowie die Geschichte des Holocausts und insbesondere der Shoah sehr genau. Wieso vergleicht er also dies miteinander?

Die Verbrechen der Nazis waren eh schlimm, aber …

Relativieren und Banalisieren ist in der rechtsextremen Szene mittlerweile beliebter als das plumpe Leugnen der Verbrechen des Nationalsozialismus. Relativieren kann subtiler und mit mehreren Strategien passieren. Gerne wird durch Vergleich relativiert. Die Verbrechen der Nazis seien eh schlimm gewesen, aber XY hat auch irgendwas gemacht. Gerne wird der NS mit dem Stalinismus verglichen, der eigentlich fast noch schlimmer gewesen sei und gegen den sich der NS schützen wollte. (Insbesondere die SS wird dabei zur Beschützerin des christlichen Abendlandes gegen den gottlosen Bolschewismus stilisiert.)

Relativiert wird auch durch eine einseitige Betonung von Verbrechen gegen deutsche ZivilistInnen. Seien es Bombenangriffe auf deutsche Städte oder die “Vertreibung” der Deutschen aus Polen und Tschechien. Ursache und Wirkung sowie Verhältnismäßigkeiten werden dabei gerne komplett ignoriert. Eine weitere Strategie zur Relativierung ist, dass es die Opfer vielleicht “eh irgendwie” verdient hätten, denn es seien auch wirkliche VerbrecherInnen deportiert etc. worden. Die Opferzahlen werden auch durch verschiedene krude und pseudowissenschaftliche Analysen relativiert. Banalisiert wird zudem die Singularität der Verbrechen des Nationalsozialismus. Sie seien eben nicht einzigartig oder besonders grausam. Egon Flaig, zur Neuen Rechten gehörend, beschreibt, dass alles singulär sei, “sogar der Rotz in meinem Taschentuch ist singulär”. In diesem Fall das Warschauer Ghetto auf eine Stufe mit Rotz zu stellen ist nicht nur geschmacklos, sondern zeigt, wie das gezielte Lächerlichmachen und das Anzweifeln einer Besonderheit der NS-Verbrechen vollführt wird.

Die Rechte sieht sich von links bedroht

“Gutmenschen”, “Linksfaschisten”, “Zensur”, “Emanzen”, “Political Correctness”, “Inquisition”, “Terror” usw.: Die Rechte sieht sich permanent von einer vermeintlich unglaublich starken linken Hegemonie bedroht. Man dürfe gar nichts mehr sagen. Überraschenderweise sagen die Rechten dann aber doch immer wieder was. Im Parlament, in Zeitungen, in eigenen Druckwerken, im Fernsehen, bei Interviews und auf ihren Veranstaltungen. All das dürfte ihnen nur mit größter Anstrengung und quasi aus dem Untergrund heraus gelingen, so arg, wie eine “Linksfaschistische Gutmenschenterrorinquisitionsemanzen-Political-Correctness” sich ihnen entgegenstellt. Volker Weiß hat recht anschaulich das rechte Verständnis von “Gutmensch” beschrieben:

Seine Figur ist komplementär zum Vorwurf der Zensur konzipiert, als populäre Phantasmagorie ist der ‘Gutmensch’ der Akteur gefühlter Repression. Aufgrund seiner nie spezifizierten Macht kann der Rassist nicht mehr ungestört sagen, ‘Neger’ seien alle faul, der Antisemit fürchtet einen Ordnungsruf für seine Ansicht, dass Juden ‘schachern’ und selbst die Bemerkung, Homosexualität sei ‘widernatürlich’, kann wegen der Gutmenschen nur im Untergrund kursieren. Zur Unterdrückung des allgemeinen Menschenrechts auf diskriminierende Sprache setzt der Gutmensch seine schwerste Waffe ein: die Kritik. Daher wird sein Wirken
gerne mit dem Dritten Reich oder der DDR gleichgesetzt, die demzufolge äußerst kritikfreudig gewesen ein müssen.

Jeder Anflug von Kritik wird mit Mord, Vernichtung, Verfolgung und Hetze gleichgesetzt. Damit banalisieren die Rechten die genannten Verbrechen und immunisieren sich gegen Kritik und die Auseinandersetzung mit ihrer Ideologie.

Opferstatus

Obwohl die FPÖ von Wahl zu Wahl stärker wird, obwohl ihre MandatarInnen tausende Euro aus öffentlichen Kassen im Monat verdienen, obwohl sie in den Medien stark präsent sind und obwohl sie große Ressourcen zur Verfügung haben, die FPÖ sieht sich als permanentes Opfer. Sie werden von Leuten durch deren bloße Existenz bedroht. Minderheiten sind eine Bedrohung. Feministinnen sind eine Bedrohung. Arme Menschen sind eine Bedrohung. Kritische Studierende sind eine Bedrohung. Dieses Bedrohungsszenario durch alles reicht weit zurück in einem rechtsextremen Selbstverständnis und fußt in einer permanenten Angst um die deutsche Nation, die von außen oder innen zerstört werden könnte und laufend verteidigt werden müsse.

In diesem Verständnis kann es auch keine anderen Opfer geben. Der Opferstatus ist einzig für die Rechte reserviert. Und wenn es unbestreitbar Opfer (etwa im NS) gegeben hat, dann muss ihnen dieser Opferstatus streitig gemacht werden. Dann sind die Rechtsextremen mindestens in derselben Situation wie etwa Juden und Jüdinnen im NS. Dieses Denken findet sich mittlerweile auch bei vermeintlich demokratischen Parteien. Kristina Schröder, Ministerin der CDU für Familie, SeniorInnen, Frauen und Jugend in Deutschland, setzt etwa mit ihrer Extremismusklausel antifaschistische Arbeit mit neonazistischen Aktivitäten gleich oder startet Kampagnen gegen “Deutschenfeindlichkeit”.

Rechte Gewalt

Dabei geht die Gewalt bei beim diesjährigen WKR-Ball von rechtsextremer Seite aus. Von den 20 Verhaftungen, die am 27. Jänner vorgenommen wurden, betrafen neun Neonazis. Bei den Vergleichen, wie viele Linke und wie viele Nazigruppen auf der Straße waren, und der traditionellen Blindheit der Polizei am rechten Auge ist dies eine stattliche Zahl.

Ein Jugendgewerkschafter bekam Drohbriefe, weil er sich gegen den WKR-Ball engagiert hat. Eine Person, die sich bei Offensive gegen Rechts engagiert, bekam sexistische Drohanrufe und Droh-SMS. Auch dieser Fall wird rechtliche Konsequenzen haben. Ein Mann wurde von Neonazis niedergeschlagen, ohne dass die Polizei eingriff. Martin Graf, dritter Nationalratspräsident und Alter Herr der rechtsextremen Wiener Burschenschaft Olympia, veröffentlichte am Tag des WKR-Balls einen Kommentar in der Presse. In diesem gibt er einfach mal so die Adresse des Büros von VSStÖ Wien und AKS Wien an, weil diese gegen den WKR-Ball protestieren und sich bei Offensive gegen Rechts engagieren. Er ruft damit indirekt zu Gewalttaten auf, indem er beiläufig seiner Klientel öffentlich die Adresse mitteilt. Dass die bürgerliche Presse dies so zulässt ist, bezeichnend für den zunehmenden Rechtsruck des Blattes, dem ein Kommentar von Martin Graf offenbar mehr wert ist als der Schutz von Menschen.

“Stolz auf alle Alten Herren”

Karl Öllinger hat darauf hingewiesen, dass Strache in seiner Eröffnungsrede explizit betont hat, wie stolz er auf alle Alten Herren ist.Damit meiner er explizit ausnahmslos alle. Viele Burschenschafter machten im Nationalsozialismus Karriere. Heinrich Himmler, Chef der SS, war genauso Burschenschafter wie etwa Josef Mengele, Lagerarzt von Auschwitz oder Irmfried Eberl, Leiter des Vernichtungslagers Treblinka und massiv beteiligt an der “Aktion Reinhardt”. Es zeigt sich, wenn Burschenschafter in Konzentrations- und Vernichtungslagern waren, dann auf Seiten der TäterInnen. Die Aussage Straches ist auch ein Verweis auf den kürzlich verstorbenen Otto Scrinzi, der von sich behauptete, schon in der NSDAP zu den Rechten gehört zu haben. Die FPÖ hat ihn ausdrücklich als steten Vorkämpfer ihrer Gesinnung geehrt.

Meinungsfreiheit und Demokratie

Dieses Recht wird von rechtsextremer Seite traditionell nur für sich und für sonst niemanden eingefordert. Bei Kritik sind sie tödlich beleidigt. Das demokratische Recht auf Demonstrationsfreiheit markiert schon beinahe das Umschlagen in eine “linksfaschistische” Diktatur. Diskriminierung fällt also für die Rechten unter Meinungsfreiheit, die mensch halt aushalten muss und wo mensch nicht so empfindlich sein dürfe. Ein kritischer Bericht über die FPÖ ist hingegen mit Stasimethoden gleichzusetzen. Die elendige Wehleidigkeit der Rechtsextremen könnte humoristische Züge tragen, wäre sie nicht eine reale Gefahr für die Unversehrtheit von Menschen (wie oben beschrieben).

Demokratie wird von Rechtsextremen gerne mit Beliebigkeit verwechselt, in der jeder Trottel alles sagen darf. Diskriminierung ist aber kein demokratisches Recht. Gegen Minderheiten zu hetzen oder Schwächere zu verfolgen ist ebenfalls kein demokratisches Recht. Das Leugnen und Relativieren des Holocausts ebenso nicht. Interessanterweise entspinnt sich für die Rechten die Frage nach Meinungsfreiheit immer nur an diesen Themenkomplexen. Die FPÖ verbal anzugreifen oder Diskriminierungen nicht still über sich ergehen zu lassen ist demnach kein demokratisches Recht.

Ein antiegalitäres Weltbild kann per se nicht demokratisch sein, auch wenn eine Partei, die es vertritt, formaldemokratisch gewählt wird. Wahlen alleine sind kein ausreichendes demokratisches Merkmal. Die NSDAP ist auch formaldemokratisch an die Macht gekommen und hat kein demokratisches Weltbild vertreten. Andere Parteien, die sich nicht mehr formalen Wahlen stellen konnten, haben aber eines gehabt. Die Gleichwertigkeit aller Menschen und ihr individueller Wert sind Grundlage für ein demokratisches Menschenbild. Im Gegensatz dazu vertreten Rechtsextreme ein nominalistisches Weltbild, das Individuen über nationale oder völkische Gemeinschaften definiert. In diesem Bild sind individuelle Rechte das Gleiche wie die Rechte der Gemeinschaft. Dabei wird von einem homogenen Bild von Nation und Volk ausgegangen, in der das “Fremde” (Jüdische, Migrantische, Homosexuelle etc.) keinen Platz hat. Die, nachCarl Schmitt, “Ausgeschiedenen” haben nun überhaupt keine Rechte mehr, schon gar nicht gegenüber dem Staat, der Nation, dem “Volk” etc. In dieser Ungleichwertigkeit sehen Rechtsextreme ausgerechnet sich selbst als die vermeintliche Elite.

Fazit

Äußerungen wie diese sind nicht zufällig oder spontan, sondern entspringen einer gewissen Ideologie. Diese Ideologie ist antidemokratisch, antiegalitär und zutiefst antisemitisch. Es gilt also, nicht nur punktuell hinzuschauen, sondern die Ebenen dahinter aufzuzeigen und zu enttarnen.

erschienen am 1. Februar 2012 auf standard.at

Die ÖVP und die deutschen Opfer

Überall so viele Ausländer und so viele deutsche Opfer. Und außerdem gibt es in den Innenstädten (?!) von London und Paris No-Go-Areas für Weiße. Und überhaupt sind die Linken und die Ausländer an allem Schuld. Was sich viele ÖVPler_innen nur auf CV-Buden oder im tiefen Untergrund geheimer konservativer Zusammenrottungen denken durften, hat der rechtsextreme Antaios-Verlag dankenswerterweise in ein Buch gegossen. Es trägt den klingenden Namen Deutsche Opfer, fremde Täter und die Autoren sind Michael Paulwitz, Schritfleiter der Burschenschaftlichen Blätter (ja, die DIE Burschenschaften), und der Wunderwuzzi der Neuen Rechten Götz Kubitschek, dem praktischerweise der Verlag auch gleich gehört. Die Leier ist bekannt: Wegen der gemeinen linkslinkenZensurInquisitionEmanzenGutmenschendings darf man nicht mehr offen rassistisch sein, was ein kaum wieder gut zu machender Anschlag auf die Meinungsfreiheit ist, die bitteschön nur für weiße, konservative Männer gelten soll.

Es ist in Momenten wie diesen, wo die ÖVP ihr tiefstes Inneres nach Außen kehren kann in der Hoffnung, dass es niemand bemerkt. Anders ist nicht zu erklären, wie just dieses Buch eines winzigen, rechtsextremen Verlags auf der Seite der Politischen Akademie der ÖVP belobhudelt wird. Inhaltlich ist diese Rezension so unfreiwillig komisch-jenseitig, dass sie eigentlich ob der rassistischen Dreistigkeit ignoriert werden sollte.

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Die Akademie preist sich als think tank und intellektuelle Avantgarde und hinterfragt nicht ein einziges einmal das Buch, das sie da in den Händen hält. Dabei ist es dermaßen plump, dass es sogar von der FPÖ kommen könnte. Der Übergang von einem konservativen Spektrum zu einem rechtsextremen ist nur ein gedachter, es existiert keine scharfe Trennlinie, wie der Verfassungsschutz das gerne sehen würde. Die so genannte Neue Rechte versucht sich um Vermittlung zwischen etablierten konservativen Institutionen und Personen mit einem militanteren rechtsextremen Spektrum. In den letzten Jahren konnte sich eine neue Generation rund um die Zeitschrift Sezession, die  (erraten!) von Götz Kubitschek herausgegeben wird (der leitet auch noch das Institut für Staatspolitik, die Neue Rechte funktioniert eher personalarm), etablieren. Es ist eher unwahrscheinlich, dass man zufällig auf den Antaios-Verlag stößt oder zufällig ein Buch mit diesem reißerischen Titel kauft und für die Politische Akademie der ÖVP rezensiert. Es zeigt, dass die Politische Akademie der ÖVP absolut kein Problem mit dem Inhalt, den Autoren oder dem Verlag hat.

Das zeigt sich auch, wenn man sich das Buch „Konservative Korrekturen“, das von zwei hohen Mitarbeitern der Politischen Akademie der ÖVP mit herausgegeben wurde, anschaut.

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Unter Pressestimmen wird einfach mal so die Sezession angegeben. Die Sezession ist die zweimonatlich erscheinende Theoriezeitschrift der Neuen Rechten und wird eben von besagtem Herrn Kubitschek herausgegeben. Dort wird sich auch gerne positiv auf CasaPound und diverse rechtsextreme Projekte bezogen. Es auch hier eher unwahrscheinlich, dass man zufällig auf diese Zeitung, die es nicht im Zeitschriftenhandel gibt, stößt und sie ungeschaut zur Bewerbung des eigenen Buches verwendet. Zumal der Kommentar missverstanden worden sein könnte. Nichts grundsätzlich am Kurs ändern zu wollen ist nur in der Welt der ÖVP ein Lob. Dass das Zentralorgan der Neuen Rechten, die Junge Freiheit, auch nicht fehlen darf, ist dann wohl Ehrensache.

Nicht nur die FPÖ bewirbt rechtsextreme Bücher, Autoren, Zeitungen und Verlage – die ÖVP kann das offenbar schon lange.