Glasscheiben, die zu Bruch gehen

Mein Küchenfenster wurde eingeschossen. Wahrscheinlich mit einer Softgun einem Luftdruckgewehr/einer Gaspistole (Sachkundige vor! Schuss muss aus mindestens 20m abgegeben worden sein). Aber egal, was es war, die Drohung dahinter bleibt die Selbe: “Wir wissen wo du wohnst”, “Wir sind unsichtbar und können jederzeit zuschlagen”, “Habe Angst”, “Das kommt davon, wenn du dich gegen uns engagierst”. Wer “uns” ist kann man sich ja denken. Ich habe aber keine Angst und werde meine Arbeit genau so weiter machen. Trotzdem: Hier zeigt sich, was passiert wenn Antifaschist_innen denunziert und eingeschüchtert werden und wie gefährlich eine Rechte ist, die medial Rückendeckung bekommt.
Ergänzung 1, weil nachgefragt wurde: Das ist in Wien passiert.

Ergänzung 2: Zur Frage “Könnten es nicht auch spielende Kinder/ein Querschläger gewesen sein”. Das halte ich aus mehreren Gründen für nicht plausibel:

1. Der Einschusswinkel ist wirklich sehr gerade. Da ich nicht im Erdgeschoss wohne muss also jemand annähernd auf gleiche Höhe gekommen sein – einzige Möglichkeit ist der Zaun des Parks gegenüber. Ich habe auch noch nie Kinder mit Luftdruckgewehren im Park rumspielen sehen.

2. Das Ganze passierte in zeitlicher Nähe zum Erscheinen meines Buches, das ich mit Kathrin Glösel und Julian Bruns geschrieben habe – das erste Buch über die Identitären. Die haben schon in der Vergangenheit Veranstaltungen, wo ich war, gestört und in ihren Zeitungen über mich geschrieben. (Ohne hier Verdächtigungen gegen einzelne Personen aussprechen zu wollen, sowas tut man nicht, nur fürs Protokoll)

3. Nach meinem Auftritt bei “Im Zentrum” zu den Protesten gegen den WKR-Ball habe ich viele grindige Drohungen und Beschimpfungen bekommen. Zu den Verursacher_innen und Multiplikator_innen zählten Seiten von Burschenschaften, die Seite “Solidarität mit der Polizei”, der FPÖ-Pressesprecher im Parlament aber auch der “Verein der Freunde der Tagespolitik”. Mein Name und Bild ging also durch den rechten Teil des Social Media.

Ergänzung 3:
“Was sagt eigentlich die Polizei dazu?”

Die Beamten waren freundlich, aber nicht besonders engagiert. Sie haben oberflächlich nach dem Projektil gesucht, bestätigt, dass es sich um einen Schuss handelt und die Daten für die Versicherung aufgenommen. Dreimal haben wir darauf hingewiesen, dass jemand Anderer als spielende Kinder dafür verantwortlich sein könnten. Das wurde nicht einmal notiert. Auch der Einwand, dass es schon in den Wochen davor massive Drohungen gegeben hat wurde ignoriert und nicht einmal aufgenommen. Die Antwort war folgende:
“Na, wenn sie jemand Einschüchtern will, dann hätten Sie einen Ziegelstein durchs Fenster bekommen oder einen Pferdekopf im Bett” (Kudos allerdings für die Patereferenz)

UPDATE:
Die Polizei ermittelt jetzt. Der Verfassungsschutz auch. Nach anfänglicher Bagatellisierung war es den Beamten nun sehr wichtig zu betonen wie ernst sie das nehmen. Es wurde erneut bestätigt, dass es sich defintiv um einen Schuss gehandelt und dieser aus annäherned gleicher Höhe gekommen sein muss. Das macht die spielende Kinder7Querschläger-Hypothese noch unplausibler. Mittlerweile war auch die Spurensicherung da. Das Ganze wurde auch an die Staatsanwaltschaft weitergegeben und das Referat für Rechtsextremismus des Verfassungsschutzes ist auch dran. Danke an alle, die diesen Artikel geteilt haben. Offenbar braucht es das.

Schuss

Rechte Vernetzungen zur Europawahl – Wenn die NPD einlädt…

UPDATE: Ort wurde geändert/konkretisiert

In vier Tagen am 22.März gibt es in Kirchheim/Thüringen ein Gipfeltreffen, das sich gewaschen hat. Die Jugendorganisation der NPD, die Jungen Nationaldemokraten (JN), laden unter dem revoluzzerischen Titel „Aktion Widerstand“ zum Kongress rechtsextremer (Jugend)Organisationen. Und die Gästeliste kann sich sehen lassen: Chrysi Avgi (Goldene Morgenröte; Griechenland), Blocco Studentesco (Italien), Identitäre Bewegung Deutschland (unklar – Erklärung weiter unten), Nordisk Ungdom (Schweden), NSV! (Flandern), Danskernes Parti (Dänemark), Europäische Aktion, Dělnická mládež / DM (Tschechei), Svenskarnas parti (Partei der Schweden), PNOS (Partei National Orientierter Schweizer) sowie Nick Griffin von der British National Party und die NPD-Granden Olaf Rose und Udo Voigt.

Aus mehren Gründen ist dieses Treffen spannend.

Zum einen natürlich aufgrund der teilnehmenden Organisationen bzw. die Namensgebung:

Aktion Widerstand – dabei handelte es sich um eine nach einjährigem Bestehen aufgelöste rechtsextreme Organisation, die vor allem durch gewalttätiges Auftreten bei Demonstrationen und Veranstaltungen auffiel.

Chrysi Avgi – über die Goldene Morgenröte ist schon viel berichtet worden. Etwa, dass Mitglieder mutmaßlich am Mord an Pavlos Fyssas beteiligt waren. Oder das traditionell faschistische Auftreten bei Demonstrationen und die Hetze gegen Migrant_innen (nicht nur in Worten) Mittlerweile droht der Partei sogar das Verbot in Griechenland.

Blocco Studentesco – der Blocco ist die Schüler_innen- und Studierendenabteilung von CasaPound. CasaPound ist ein neofaschistisches Projekt, das seinen Erfolg daraus schöpft, dass es seit Anfang der 2000er linke Protestformen übernimmt und für faschistische Zirkel nutzbar macht. Mehrere besetzte Häuser in Rom bilden die Basis von CasaPound, die mittlerweile auch bei Lokalwahlen antreten. Der Blocco selbst konnte sich unter Schüler_innen eine gewisse Basis erkämpfen und erreichte bei den Wahlen 2009 28% der Stimmen. Während das Symbol von CasaPound die Tortuga (die Schildkröte) ist, so verwendet der Blocco den Mosley-Blitz, entnommen von der British Union of Fascists, die von Oswald Mosley gegründet wurde. CasaPound wirbt gerne mit „weder links noch rechts, sondern CasaPound“ und gibt sich als Kümmerer-Bewegung mit eigenen Unterorganisationen für Katastrophenhilfe oder Umweltschutz. Trotzdem (oder gerade) deswegen pflegen sie einen viel offeneren Umgang mit neonazistischen Gruppen als z.B. die deutschsprachige Neue Rechte (die es zumindest ein wenig zu kaschieren versucht). Erst im Herbst gab es ein Vernetzungstreffen von CasaPound und der Goldenen Morgenröte in Rom.

Identitäre Bewegung – die Identitären als rechtsextreme Spaßbewegung mit der corporate identity gibt es seitdem in Potiers im Herbst 2012 kurzfristig eine Moschee besetzt wurde und das Lambda-Symbol auf einem Banner entrollt wurde. In Deutschland und Österreich fallen sie vor allem im Internet oder mit pseudolustigen Aktionen auf. Die Identitäre Bewegung Deutschland verlautbarte am 28. Februar 2014 auf Facebook, dass sie an diesem Kongress der JN nicht teilnehmen werde, da sich hier eine Szene treffe, „deren Ideologie sie nicht teilen“. Die Veranstalter_innen selbst beharren aber auch auf Nachfrage darauf, dass Vertreter_innen der Identitären anwesend sein werden. Denn auch wenn hier eine brüske Zurückweisung erfolgte, so gibt es durchaus Überschneidungen zwischen Neonazi-Szene und den Identitären, wie in diesem Buch aufgeschlüsselt (kaufen!).

Nordisk Ungdom – Die NU ist ähnlich veranlagt wie CasaPound oder die Identitären: Aktion vor Theorie und viel Popkultur. Sie vertreten einen völkischen panskandinavischen Anspruch und bewegen sich im Umfeld der Schwedendemokraten. Im Gegensatz zu den Anderen (außer Identitäre und NSV) treten sie nicht als Wahlpartei an.

NSV! (Flandern) – Auch die Nationalistische Studentenvereniging kommt aus der Clique rund um die Identitären, sie pflegen besonders enge Kontakte zur französischen Ursprungsorganisation Génération Identitaire. Daneben haben sie aber auch enge Kontakte zu den Jungen Nationalen, was ihnen eine Mittlerrolle im Jugendbereich des europäischen Rechtsextremismus zukommen lässt. Der NSV bewegt sich zudem im Umfeld des Vlaams Belang. Außerdem pflegt er enge Verbindungen zu den deutschnationalen Burschenschaften in Österreich und Deutschland.

Danskernes Parti (Dänemark) – Die DP steht vor allem durch ihren Obmann Daniel Carlsen im Blickpunkt der dänischen Öffentlichkeit. Dieser war bis 2011 Mitglied der „Nationalsozialistischen Bewegung“. Er hat auch eine recht klare Position zum Holocaust, nämlich, dass es keine organisierte und systematische Vernichtung von Juden und Jüdinnen gegeben hätte und Hitler ein großer Mann gewesen sei. Anderslautende Meldungen sei gemeine Propaganda von Kommunist_innen, Amerikaner_innen und Demokrat_innen. Der Herr besteht übrigens darauf, kein Nazi zu sein…

Dělnická mládež / DM (Tschechien) – Die „Arbeiterjugend“ ist die Jugendorganisation der Arbeiterpartei der Sozialen Gerechtigkeit (DSSS), die schon länger enge Kontakte zur NPD pflegt. In der Frage der Benes-Gesetze werden sie nicht mehr zueinander finden, aber sonst bemühen sie sich um eine gemeinsame Geschichtsschreibung. Die DSSS als Nachfolgepartei der Dlnická Strana (die verboten wurde) knüpft direkt an deren Hass auf Roma und Sinti an. Immer wieder kommt es, speziell im strukturschwachen Nordböhmen, zu pogromähnlichen Angriffen. Die DSSS ist immer wieder dabei.

Svenskarnas parti (Partei der Schweden/SvP) – die Partei der Schweden ist eine neonazistische Partei, die die Nachfolgeorganisation der Nationalsocialistisk front darstellt. Mit ihrem Einzug in das Stadtparlament von Gästrop erhielt zum ersten Mal nach 1945 in Schweden eine offen rechtsextreme Partei einen Sitz in einem Parlament. Mitglieder der SvP waren (ziemlich) wahrscheinlich am Überfall auf Showan und andere Antifaschist_innen in Malmö am 8. März 2014 beteiligt. Showan wurde mit einem Lungendurchstich ins Krankenhaus gebracht und schwebte kurzfristig in Lebensgefahr. Mittlerweile geht es ihm wieder besser. Dieser Überfall hatte die größte antifaschistische Demonstration Schwedens zur Folge, am 16. März gingen über 10.000 Menschen in Malmö auf die Straße. Die SvP soll davor auch gute Kontakte in die Ukraine gepflegt haben und sich sogar auf Unterstützungsreise nach Kiew zum Rechten Sektor begangen haben.

Der Rechte Sektor (Ukraine) – Der Rechte Sektor bildet(e) den paramilitärischen Arm der Faschisten während des „Euromaidan“. Mit der Swoboda-Partei auf machtpolitischer Ebene und dem Sektor auf der Straße konnten gleich zwei rechtsextreme Blöcke während des Euromaidans (unterstützt von der EU) reüssieren. Der Rechte Sektor beruft sich (wie die Swoboda) auf die Kollaborateur_innen mit der Wehrmacht und feiert den Einmarsch der Wehrmacht in die Ukraine als „Befreiung“. Vertreter_innen des Sektors wären gerne gekommen, erhielten aber (unklarerweise) keine Ausreisegenehmigung. Es wird anscheinend eine Videokonferenz mit Leipzig geben.

PNOS (Partei National Orientierter Schweizer) – die Partei hat nur sehr begrenzt regionalen Einfluss und nicht besonders viele Mitglieder, selbst nach Eigenangaben. Das Programm ist bekannt: Migrant_innenfeindlich, rassistisch und mit einer völkischen Komponente versehen. Im Kanton Bern wurde sie allerdings 2011 ins Regionalparlament gewählt und ihre sieben Kandidaten erhielten über 20.000 Stimmen.

Nick Griffin – Auch die BNP und Griffin lassen sich nicht lumpen, wenn es um Grauslichkeiten geht. Die Vorstellung, dass sechs Millionen Juden und Jüdinnen bei der Shoah ermordet wurden, ist für ihn genauso plausibel, wie dass die Erde flach sei. Er pflegt Kontakt zu Holocaustleugnern und Revisionisten. Im Gegensatz zu den Anderen ist die BNP dort, wo die anderen Parteien und Organisationen wohl noch hin wollen und auch kommen werden: Sie hat einen Sitz im EU-Parlament.

Die Schmuddelkinder-Allianz

Während woanders die FPÖ, der Front National, die Schwedendemokraten, der Vlaams Belang und andere an einer rechten Saubermänner_Sauberfrauen-Allianz basteln, ist diese Konferenz in Kirchheim der erste sichtbare Versuch einer lagerinternen Gegenallianz. Bemerkenswert ist, dass zwei Organisationen dabei sind, die eigentlich aus dem Umfeld der anderen Allianz kommen (Vlaams Belang und Schwedendemokraten). Besonders der Front National fürchtet, dass ein zu inniges Verhältnis zu offen rechtsextremen Organisationen den ersten Platz bei den Wahlen zum EU-Parlament im Mai gefährden. Deswegen lehnten sie die Zusammenarbeit mit einigen Organisationen ab. Andere, wie die FPÖ, akzeptiert man aufgrund ihrer Größe und ihrer Funktion als Vernetzerin. Das soll nicht bedeuten, dass der Front National nicht rechtsextrem wäre. Die Strategie der Allianz, die sich da bildet, ist aber sich möglichst staatstragend zu geben und dabei trotzdem Protestalternative zu sein. Aber auf keinen Fall auf eine Art und Weise, die Leute verschrecken könnte.

Die Schmuddelkinder rund um die NPD dürfen in diesem erlauchten Kreis nicht mitmachen. Also haben sie wohl ein Gegenprojekt gegründet, dass ganz anders daher kommt. Mit Revolutions-Gepose, faschistischer Ästhetik und militantem Auftreten. Nach dem Motto: Wenn es eh schon egal ist, dann können wir auch offen zu all unseren Freund_innen stehen. Und dann kommt so eine illustre Ansammlung der europäischen Rechten zusammen, wie es bis jetzt selten der Fall war. Es gibt noch viele Unklarheiten in der Szene. Um einige Parteien und in welcher Allianz sie zu verorten sein werden, wird wohl noch intern gerungen. (Etwa die Jobbik) Aber dass sich die Szene nach Zeiten der Konfusion wieder auf zumindest zwei Projekte geeinigt hat, sollte doch zu denken geben. Besonders weil, wie selbstverständlich, außerparlamentarische, parlamentarische und paramilitärische Gruppen einträchtig nebeneinander stehen.

UPDATE: Es gibt einen Aufruf zu antifaschistischen Gegenmobilisierungen.