Warum wir demonstrieren

Der Ball der Burschenschaften in der Wiener Hofburg ist ein alljährliches Ritual. Die Schickeria des Rechtsextremismus trifft sich zur Kontaktpflege und um eine schöne Zeit zu haben.

„Lasst sie doch“

Der Bundespräsident beweist den Stellenwert von Antifaschismus im bürgerlich-liberalen Bürgertum und es ist demaskierend. Just in einem Hetzartikel in der Kronen Zeitung stellte er wenige Tage vor dem Ball klar, dass er eigentlich kein Problem mit dem Ball der deutschnationalen, völkischen Burschenschaften in der Hofburg habe.

Es gibt ein Problem an dieser Aussage. Sie ist faktisch falsch oder unglaublich feig. Faktisch falsch wäre es, wenn er glaube würde, es wäre kein Treffen von Rechtsextremen, sondern ein unpolitisches Tanzevent. Das wäre ein fauxpas und er bräuchte dringend bessere Berater_innen. Feig wäre die Aussage dann, wenn ihm der rechtsextreme Charakter des Balls bewusst wäre, Van der Bellen aber kein Interesse am Kampf gegen Rechtsextremismus habe. Nicht zuletzt deswegen wäre es eine Enttäuschung, weil es der einzige Grund für einen großen Teil von Menschen war, Van der Bellen zu wählen. Nachdem sich der jetzige Bundespräsident schon für Kürzungen bei der Mindestsicherung ausgesprochen hat, war es für viele definitiv nicht seine Einstellung zu Sozialpolitik, die sich kaum von jener von Hofer unterscheiden.

Auch strategisch ist diese Aussage höchst unklug, fällt sie doch weit hinter jene von Heinz Fischer zurück, der sich klar gegen den Ball positionierte.

Ist es Ignoranz, Desinteresse, Anbiederung beim ÖVP-Klientel oder gezielte Bösartigkeit gegen linke Bewegungen – es ist gleich. De Facto hat Van der Bellen den einzigen echten Grund ihn zu wählen wenige Tage nach seiner Angelobung verraten. Just am Gedenktag der einzigartigen Verbrechen des Holocausts macht er klar, dass Antifaschismus nicht einmal untergerodnete Priorität in seiner Präsidentschaft hat. Das hätten wir von Hofer genauso, aber ehrlicher bekommen.

Wir lassen sie nicht und zwar deswegen:

Rechtsextremismus lässt sich nicht wegwünschen und nicht weg ignorieren. Das Perfide an Rechtsextremismus ist nämlich, dass er schleichend funktioniert und total funktioniert. Rechtsextremismus hat eine eigene Sprache und viele Strategien, diese einzusetzen. Nach und nach verändert diese Sprache, die langsam in den Alltag einsickert, unser Bild von der Welt. Menschen auf der Flucht werden zur „Welle“ und zur „Flut“ und überhaupt sind es nur „Migranten“. Feminist_innen werden zu „Kampfemanzen“, die „hysterisch“ und „aufgeregt“ an der „Kastrierung“ von Männern arbeiten. „Politische Korrektheit“ wird zum Spottbegriff und mit „Zensur“ und „Hexenjagd“ gleichgesetzt. Rechtsextreme sind in der eigenen Erzählung immer Opfer und Held_innen zugleich. Opfer des unfassbar dekadenten und linken (von dunklen Mächten gesteuerten) Zeitgeists, gegen den sie sich im Namen des „Volkes“ und auf Basis von „natürlichen“ Gegebenheiten auflehnen.

Was so lächerlich klingt, daran haben wir uns längst gewöhnt. Die Grenzen zwischen konservativem Bürgertum und offenem Rechtsextremismus existieren nicht und so gut wie jetzt hat die Kollaboration wahrscheinlich das letzte Mal in den 1920ern funktioniert. 

Jedes „Stopp“, jedes „NEIN“, jede Demonstration und jedes Widerwort bricht diese Normalisierung ein wenig auf. Es ist leicht, sich in einer arroganten Pose zurückzulehnen und zu bekritteln, dass dadurch nicht die gesamte Wucht des Rechtsextremismus aufgehalten wird. Ja, das stimmt. Aber es ist weit mehr, als mit den Schultern zu zucken und „Lasst sie doch“ zu murmeln. „Lasst sie doch“ war immer die größte Hilfe für Rechtsextreme.

In einer Zeit, in der ein Innenminister sich in autoritären Machtfantasien suhlt, die die Demokratie abschaffen, in der rechtsextreme Gewalt gegen Linke, Frauen, Flüchtlinge, LGBTQs und viele andere atemberaubende Ausmaße annimmt, die FPÖ von einem Hoch zum nächsten gleitet und in der der Polizeiapparat außer Rand und Band ist, ist „Lasst sie doch“ keine neutrale äquidistante Aussage, sondern Kollaboration.

Für alle Antifaschist_innen:

3.2.2017

17h Schottentor

Demonstration gegen den Burschenschafterball

 

ogr

10 Punkte, die wir dank des rechtsextremen Kongresses in Linz und den Protesten dagegen wissen

  1. Die Vernetzung intensiviert sich

    Es ist auf gruslige Art und Weise zu sehen wie gut mittlerweile die Vernetzung der extremen Rechten läuft. Wie Genauso wie die Identitären ist die außerparlamentarische Rechte, unter Federführung der „Neuen Rechten“, transnational organisiert. Es reicht längst nicht mehr sich die Szene in einem Land anzuschauen. Vor allem ist gut zu beobachten wie stark die österreichische Szene im Vergleich zur Deutschen aufholt. So gab es bis vor wenigen Jahren kaum eine „Neue Rechte“, die sich für den „geistigen Bürgerkrieg“ (G. Kubitschek – Chefideologe der Neuen Rechten) rüstet. Mittlerweile gibt es einige Projekte, die, ähnlich wie in Deutschland, um Blogs und Onlinezeitschriften organisiert sind. Die starke Identitäre Bewegung in Österreich war hier ein wichtiger Impulsgeber.

  2. Linz ist nicht KölnGleichzeitig und parallel zum rechtsextremen Kongress, wollte die verschwörungstheoretische und Putin-lobhudelnde Zeitschrift Compact eine Konferenz in Köln abhalten. Nach antifaschistischen Recherchen wurde der Veranstaltungsort bekannt und die Rechtsextremen aus der Halle geworfen. Schließlich wurde sie ganz abgesagt. In Deutschland ist so etwas immer wieder möglich. Auch die neurechte Messe „zwischentag“ tut sich Jahr um Jahr schwer Räume zu finden.
  3. OÖ Landesregierung gibt Segen

    In Österreich gibt hingegen sogar die Landesregierung ihren Segen und vermietet im Wissen um den Charakter der Veranstaltung an Rechtsextreme und Faschisten. Sogar die Landesflagge von Oberösterreich blieb hängen, was dem Ganzen einen höchst offiziellen Charakter gab.

    Quelle: Twitter-Screenshot

    Quelle: Twitter-Screenshot

     Die Säle wurden vermietet obwohl sich zahlreiche bekannte Personen, inklusive ehemaliger ÖVP-Politiker, dagegen gewandt haben. Sogar der Bundeskanzler hat sich, erstmalig, für die antifaschistischen Gegenproteste ausgesprochen.

    Es ist bemerkenswert wie sich der ÖVP-Landeshauptmann hier von seinem kleineren Koalitionspartner in ein Eckerl drängen hat lassen aus dem er einfach nicht mehr hinauskommt. Es zeigt auch, dass die FPÖ geschickter und gescheiter (aus ihrer Sicht) agiert, als es sich potentielle Koalitionspartner_innen oft denken. Das Entzaubern und „im Zaum halten“ der FPÖ scheitert jedes einzelne Mal. Pühringer hat es gerade am eigenen Leib erfahren. Unabhängig von ideologischen Überlegungen und nur machtpolitisch gesehen – eine Koalition mit der FPÖ nützt nur und ausschließlich der FPÖ.

  1. Die dubiose Rolle der ÖVP

    Überhaupt ist die Rolle der ÖVP bei diesem Kongress höchst dubios. Das Verhalten der ÖVP in Oberösterreich wurde schon beleuchtet. Aber auch die Bundes-ÖVP und die ÖVP Wien haben merkwürdige Positionen zu diesem Kongress. Ein Kandidat für die Gemeinderatswahl 2015 der ÖVP Wien nimmt in einer Redner-Rolle an diesem Kongress teil und die ÖVP Wien geht auf Tauchstation. Alexander Surowiec hat sich mit seinem Medienprojekt direkt neben das offen rechtsextreme „unzensuriert.at“, das tendenziell antisemitische „alles roger“ sowie die Putin-Fanboys  von “Info direkt” eingeordnet. Eine interessante Nachbarschaft und politischer Dunstkreis für einen ÖVPler.

    Quelle:. screenshot HP

    Quelle:. screenshot HP

     Auch, dass die Bundes-ÖVP kein Wort der Verurteilung des Kongresses über die Lippen ist nicht verwunderlich, will man doch höchstwahrscheinlich die beiden Landesorganisationen nicht noch weiter in die Bredouille bringen. Abenteuerlich sind hier aber die sprachlichen Verrenkungen, derer man sich bemüht. So forderte SPÖ-Generalsekretär Niedermühlbichler die ÖVP via Presseaussendung auf dieses Treffen zu verurteilen. Gnädigerweise wird hier nicht einmal die Rolle von ÖVPlern selbst betont, sondern die der FPÖ mit Verweis auf die Bundespräsidentenwahl. Also eigentlich eine durchaus annehmbare Einladung. ÖVP-Generalsekretär Amon antwortete hingegen pampig man habe sich ohnehin schon von Straches „Bürgerkrieg“-Sager distanziert, das müsse reichen.  Das ist keine Distanzierung von dem rechtsextremen Kongress in Linz. Das ist durchaus bemerkenswert.

  1. Laun wurde zurückgepfiffen

    Der bekannte Frauen- und Homosexuellenverachtende katholische Weihbischof Andreas Laun wurde kurzfristig als Starredner für den Kongress angekündigt. Kurz vor seiner Rede musst er absagen, weil es ihm offenbar von seinen Vorgesetzten befohlen wurde. Dies augenscheinlich nur unter Protest und nicht ohne weiter gegen die Proteste zu hetzen und die Veranstaltung zu loben. Das zeigt auch, dass die Berührungsängste zwischen rechtskatholischen und faschistischen Kreisen sinken. Diese Zusammenarbeit sehen wir zunehmend in ganz Europa, vor allem wenn es gegen Frauenrechte geht. Religiöse Adels- und Militärnetzwerke, wie wir es auch schon bei der AfD gesehen haben, bieten große Ressourcen für aktionistisch orientierte rechtsextreme Kreise. Die Zusammenarbeit haben wir von Frankreich (Manif pour tous) über Deutschland (Terror gegen Forscher_innen, die sich mit progressivem Sexualkundeunterricht beschäftigen) bis Polen (Bekannt progressive Czarny Proteste gegen Abtreibungsverbot). Das betrifft nicht nur die katholische Kirche, sondern evangelikale Kreise, orthodoxe Kirchen und auch rechte islamische Strömungen, die sich teilweise den rechtsextremen Protesten anschlossen.

  1. Servus TV – waren sie nun drinnen oder nicht?

    Eine Selbstdemontage bot der Red Bull-Sender „Servus TV“. So verkündete der Twitter-Account der Rechtsextremen, dass „Servus TV“ eingeladen ist sich die Veranstaltung von innen anzusehen. Dies ist laut Eigenangaben nur in einer Kooperation möglich. Wie diese Kooperation aussieht wurde auch aufgelistet – nur ausgewählte Medien, die nicht kritisch berichten, erhalten die. Dies trifft naturgemäß nur auf rechtsextreme Medien zu.

    Quelle: Screenshot Twitter

    Quelle: Screenshot Twitter

    Es wäre also eine Blamage für „Servus TV“, wenn das stimmt, während sogar die “Krone” aus den Räumlichkeiten komplimentiert wird, deren Redakteur sich zuvor eine normale Besucherkarte besorgte 

    Servus TV“ war also sehr bemüht unter die zahlreichen Tweets, die auf diese Kooperation hinwiesen, zu reagieren und klar zu stellen, dass es keine Kooperation gibt.  Vielfach wurde gefragt, ob das bedeutet, dass „Servus TV“, wie alle anderen seriösen Medien, nicht in den Sälen war. Vielfach blieb diese Frage unbeantwortet.

     

    Quelle: Screenshot Twitter

    Quelle: Screenshot Twitter


    Wenn sich herausstellt,, dass „Servus TV“ nun doch drinnen war, dann kommt das einer Selbstdemontage gleich und „Servus TV“ läuft in der selben Kategorie wie „unzensuriert.at“ und „info direkt“. Nicht vergessen: Dieser Sender wird von einer global sehr erfolgreichen Marke (Red Bull) finanziert. Dies hätte auch Auswirkungen auf den Fußball, wenn hochgejazzte und durchgestylte Kunstvereine wie jene in Salzburg und Leipzig sich plötzlich mit der Tatsache konfrontiert sähen, dass ihr Mäzen offen mit Rechtsextremen und Faschisten zusammenarbeitet. Zumal dies nur der letzte große Schubser in der Talfahrt wäre, nachdem Rechtsextremen schon unkritisch eine Bühne geboten wurde und eines der größten Zugpferde im Red Bull-Stall, der Stratosphären-Springer Baumgartner, sich offen mit den Identitären solidarisierte . Es wird spannend zu sehen sein, wie und ob hier das durchkoordinierte Happy-Lifestyle-Image der Marke Red Bull verteidigt wird oder nicht. Eine großatig recherchierte Gesamtschau findet sich hier. 

  2. Die FPÖ ist offen wie nie

         Es ist nichts Neues – die FPÖ hofiert Rechtsextreme. Wissen wir alles. Wir sind da auch schon recht abgestumpft. Sie ist nur mittlerweile so besoffen von ihrer eigenen Selbstsicherheit, dass sie es sich erlaubt den Wahlkampfleiter mitten während einer entscheidenden Phase ganz offen auf einen rechtsextremen und faschistischen Kongress zu schicken. Einfach so. Unglaublich eigentlich. Das wirklich bemerkenswerte ist, dass die Sprache und die Inhalte des Wahlkampfleiters sich überhaupt nicht von den sonstigen Beiträgen unterschieden. Er hat sich mit seiner Rede, im Gegenteil, gut und passend eingefügt.

  1. Immer wieder Polizeieskalation

Es ist fast schon Folklore – bei jeder antifaschistischen Mobilisierung der letzten Jahre gab es eine Eskalationstaktik der Polizei. Wir erinnern uns – es ist kaum ein halbes Jahr als es völlig jenseitige Pfefferspray-Orgien am Wiener Gürtel gab, die mittlerweile auch von einem Gericht als rechtswidrig befunden wurde. Vor wenigen Tagen wurde auch ein bizarrer Fall vor Gericht verhandelt, wo sogar der Richter unwahre Aussagen bei Polizist_innen vermutete.

Heute gab es zwei Bussdurchsuchungen von vermummten und mit Gewehr bewaffneten Polizist_innen in einem abgelegenen Waldstück. Sogar ein Polizeihubschrauber kreiste über den Bussen.  Kollektive und verdachtslose Kontrollen von Bussen sind im Übrigen rechtswidrig, das wurde schon per Gericht festgestellt. Während der Demonstration in Linz wurde dann ein Block in der Demo gekesselt – und das, „dank“ weiter Sperrgebiete, sehr weit weg vom Veranstaltungsort. Warum immer und immer und immer wieder so ein Verhalten? Hat das Innenministerium den Polizeiapparat noch im Griff oder machen hier einzelne Einsatzleiter was sie wollen?

  1. Große antifaschistische Proteste gibt es auch außerhalb Wiens

Es ist absolut beeindruckend was sich in den letzten Jahren in Sachen antifaschistischer Proteste getan hat in den Bundesländern. Egal, ob Graz, Innsbruck oder Linz – große und breite antifaschistische sind möglich und erfolgreich. „Linz gegen Rechts“ hat gezeigt wie so etwas möglich ist. 3.500 Leute waren heute in Linz auf der Straße. Hut ab und weiter so!

  1. Antifaschismus wirkt und wirkt und wirkt

Zu guter letzt sei noch einmal in Erinnerung gerufen, dass wir über all dies nicht reden würden, würden nicht Antifaschist_innen in ihrer Freizeit Zusammenhänge recherchieren, Demonstrationen organisieren, Busse bestellen und ziemlich viel Koordinierungsarbeit leisten. „Daneben“ gibt es noch inhaltliche Texte, Medienarbeit und die politische Suche nach Verbündeten. Und dann stehen sie auch noch an einem Herbstsamstag in Linz auf der Straße statt auszuschlafen, schwimmen zu gehen oder ihre Freizeit anderweitig zu genießen. Danke, Antifaschist_innen, ihr zeigt Mal um Mal, dass Demokratie nichts Gegebenes ist, sondern, dass man Rechtsextremen die Stirn bieten muss.

ogr

Lasst uns über Rechtsextremismus reden

Dieser Tage sind viele beeindruckende ideologische Verrenkungen zu bemerken. Über jene einer linken Gruppe, die sich nicht zu blöd war trotz unmittelbarer und vieler Warnungen aus dem gesamten linken Spektrum, mit konservativen, AKPler_innen und in der Folge auch Faschist_innen und Jihadisten-Fanboys und –girls auf die Straße zu gehen, wurde schon viel gesagt. Auch wurden viele richtige und wichtige Worte darüber verloren, dass man gleichzeitig gegen den Putsch in der Türkei und gegen die AKP sein kann.

In den Tagen darauf erhielt die Debatte darüber, dass rechte bis rechtsextreme/faschistische Demonstrant_innen in Wien auf die Straße gingen, einen Staatschef bejubeln, der gerade im Begriff ist, die letzten Reste Demokratie in der Türkei zu beseitigen, aber eine Wendung in der öffentlichen Aufmerksamkeit. Es geht nicht mehr um den politischen Gehalt solcher Demonstrationen, sondern es sind „Türken-Demos“. Die Demonstrierenden werden also einzig auf ihre Migrationsgeschichte (oder die ihrer Eltern oder Großeltern) reduziert. Es geht nicht mehr um die politische Aussage dieser Demonstration, sondern es wirs unterbewusst eine Assoziationskette Türken=Muslime=rückständig=Gewalt in Gang gesetzt. Das ist schlicht rassistisch.

Wieviel darf mich ein anderes Land interessieren?

Schon werden Rufe laut, diese „Türken-Demos“ zu verbieten. Innenminister Sobotka moniert das „Bilden von Parallelgesellschaften“ durch solche Demonstrationen und Mitterlehner fordert „mehr Loyalität zu Österreich“. Und das ist genau nicht der Punkt bei diesen Demonstrationen. Es ist nämlich prinzipiell völlig legitim, sich für die politische Situation anderer Länder zu interessieren. Nicht nur als anteilnehmender politisch interessierter Mensch, sondern gerade auch dann, wenn man Familie und Freund_innen dort hat, also auch einen persönlichen Konnex. Ich habe erlebt, wie die dänische Community ihre royale Hochzeit gefeiert hat vor vielen Jahren. Natürlich ist die viel kleiner und eine royale Hochzeit völlig egal, aber niemand käme auf die Idee dieses Interesse an den Vorgängen in Dänemark als Parallelgesellschaft auszulegen. Bitte tragt eure rückständige Monarchie nicht nach Österreich, wir haben eine lange grausame Geschichte, liebe Dän_innen, wir fordern mehr Loyalität zur österreichischen Republik. Mein Mann, der aus Deutschland kommt, und ich nehmen auch regen Anteil an den Zuständen deutscher Politik auf Bundes- und Landesebene.

Jetzt wird es natürlich heißen: „Alles schön und gut, aber bitte nicht mit einer anderen Fahne demonstrieren“. Aha. Was ist dann mit den Demonstrationen z.B. der Identitären an den Grenzen, wo wir zig Länderfahnen gesehen haben? Warum gab es denn da keinen Aufschrei, dass die Slowen_innen und die Italiener_innen ihre Fahnen bitteschön nicht in Österreich ausrollen sollen? Ich kann mich auch gut an das WM-Finale Frankreich-Italien erinnern, als ich beim Public-Viewing ziemlich einsam im Frankreichshirt dagestanden bin und um mich herum lauter Wiener_innen mit Italienfahne waren. Wo ist die Grenze? Interesse? Nein. Fahnen? Nein. Demonstrieren? Wie soll diese Einschränkung des Demonstrationsrechts ausschauen? Spontandemonstrationen zu verbieten ist ein harter Eingriff in die demokratische Verfasstheit dieser Republik. Entgegen anderslautender Mythen ist es nämlich, aus gutem Grund, immer zulässig, auch spontan, die eigene Meinung kundzutun. Ein Verbot von Spontandemonstrationen ist gefährlich und trifft vor allem linke und kritische Anliegen. Oder geht es rein um ein Verbot für eine einzige spezifische Community, nämlich „Türken“ (wie auch immer das dann festgestellt wird, wer darunter fällt)? Dann ist es schlicht und ergreifend rassistisch.

Alternativ können wir auch die ÖVP selbst fragen inwiefern es legitim ist sich für einen unberechenbaren Mann zu begeistern, der sein Präsidentenamt despotisch, autoritär und zu Lasten von Minderheiten und Frauen auslegt:

Dieses Bild wurde auf der FB-Seite von Lopatka veröffentlicht.

Dieses Bild wurde auf der FB-Seite von Lopatka veröffentlicht.

Rechtsextremismus kennt keine Grenzen

Es gibt noch eine Möglichkeit. Punkt eins: Lasst uns über Rechtsextremismus reden. Denn, oh Wunder, Rechtsextremismus gibt es in allen Ländern. Autoritäre, menschenfeindliche Ideologien von Ungleichheit und Ungleichwertigkeit sind ein grenzenloses Phänomen. Von Organisationen, die dies vertreten, geht eine Gefahr für Leib und Leben von Linken, von Antifaschist_innen, von Minderheiten, von Frauen, von Homosexuellen etc. etc. aus. Dies anzuerkennen wäre ein erster wichtiger Schritt. Wer sich jetzt denkt „no na“ und die Augen rollt, dem_der sei gesagt: Schön wärs. Aber Drohungen werden nicht verfolgt oder ernst genommen und selbst bei erdrückender Beweislast werden Verfahren eingestellt.

Punkt zwei: lasst uns über rechtsextreme Demos im Gesamten reden. Bei der Demonstration am Samstag kam es zu einem Angriff auf ein kurdisches Lokal. Noch in den Stunden danach mussten sich viele kurdische Einrichtungen viele Gedanken über Sicherheit machen und immer wieder kam der Aufruf zu Solidarität und Unterstützung. Gleichzeitig ruft die UETD dazu auf, Oppositionelle und regierungskritische Personen zu melden. Wie kommen die Leute eigentlich dazu, dass sie so einer Gewalt ausgesetzt werden? Wie kommen progressive Kräfte dazu, geoutet und der Gewalt der Rechtsextremen überlassen zu werden?
Kommt euch bekannt vor? Ja, weil es um Rechtsextremismus geht und nicht darum, ob dieser von Türk_innen oder Österreicher_innen oder Slowen_innen ausgeht. (Wobei es hier zum größten Teil um Männer geht) Denn das dahinterstehende Weltbild ist dasselbe: (junge) Männer, die ihr Heil in einer Ideologie suchen, die ihnen Halt gibt und Größe verspricht. Das eigene Dasein wird heldisch aufgeladen in einem großen Kampf zwischen Gut und Böse. Auf der einen Seite die bösen dekadenten linken und liberalen Volksverräter_innen, auf der anderen Seite der soldatische Männerbund, der das Eigene und die angegriffene Nation verteidigt. Dieses Bild deckt sich auch zu guten Teilen mit einem Jihadistischen. (Es gibt eine akademische Debatte darüber, inwiefern es sinnvoll ist Jihadismus als Rechtsextremismus zu sehen, auf die ich hier nicht eingehen kann. Es spießt sich vor allem an der Definition von Volk, zu dem man im Rechtsextremismus nicht beitreten kann, weil blutsgebunden, während Jihadismus sehr wohl Konvertierungen zulässt. Es ist sicher lohnenswert, diese Diskussionen mit Expert_innen aus beiden Kreisen zu intensivieren)

Es ist also sehr wichtig darüber zu reden, wie mit solchen Demonstrationen umzugehen ist. Aufmärsche von Faschos sind immer ein Alarmsignal und dürfen nie hingenommen werden. Es zeigt sich auch wie schwer es ist, in so kurzer Zeit eine Gegendemonstration auf die Beine zu stellen. Und es ist sowieso immer wichtig über das konservative Spektrum zu reden, das den Faschist_innen die Leiter macht. Das gibt es auch. Diese Konservativen, die Rechtsextremismus banalisieren und nicht darüber reden wollen, sondern vom Thema ablenken und andere verantwortlich machen wollen, etwa „Türken“ und „Muslime“ oder eben „Verräter“ und „Linke“. Es ist lächerlich hier in einen bösen türkischen Rechtsextremismus und einen aber-Meinungsfreiheit-ihr-Linken-übertreibt-österreichischen Rechtsextremismus zu teilen. Es ist dieselbe Ideologie. Einerseits bei den Samstag-Demos empört zu sein und es andererseits lustig zu finden, als Journalist antifaschistische Demonstrationen provozieren zu wollen, weil man dann gegen Linke schreiben kann, geht sich nicht aus.

Es geht um Rechtsextremismus. Nehmen wir ihn ernst. Reden wir darüber.

Wo die NZZ irrt – bürgerliche Naivität gegen Rechtsextremismus

Vorweg: Ich nehme bürgerlichen Medien wie der NZZ ehrlich ab, dass sie angezündete Flüchtlingsheime schockierend finden und dass sie Rechtsextremismus verdammen. Das ist in keinster Weise zynisch oder ätzend gemeint. Wenn Schlägernazis Leute verdreschen oder der NSU sogar Leute umbringt, dann kocht auch bei ihnen die kalte Wut hoch. Dieser antifaschistische Grundkonsens steht meines Erachtens auch in Österreich außer Frage: Dort wo das Leben von Leuten direkt von Rechtsextremen bedroht wird, gibt es einen breiten Konsens dagegen. (Wenngleich es weniger Aufschrei gibt, wenn es Linke trifft, wie der Angriff der Identitären auf Antifaschist_innen in Graz zeigt.)

Nun gut. Alles in Ordnung, könnte man meinen. Das Problem ist aber folgendes: Es gibt eine große Naivität darüber, wie diese Gewalt entsteht und welche Vorstufen sie hat. Beispielgebend ist hier ein Kommentar aus der NZZ.at, der leider nur kostenpflichtig verfügbar ist. Hier werden drei Argumente genannt, die ich zitieren werde, warum „die Mitte“ nicht gegen Phänomene wie die Identitären auf die Straße geht. Ungewollt zeigt dieser Kommentar aber auf, wie es Bürgerlichen nicht gelingt, intellektuell mit der „Neuen Rechten“ fertig zu werden und sich deswegen in eine naive Trotzhaltung flüchten (ja, vielleicht sogar müssen).

Der Reihe nach – Die Argumente:

  1. Die Identitären sind irrelevant und deswegen muss man nicht gegen sie demonstrieren

Irrelevant in Bezug auf was? Wenn wir als Bezugsgröße den Anbeginn der Zeit und alles, was seit dem geschehen ist, heranziehen – ja, aber sowas von irrelevant. Wenn wir als Bezugsgröße die aktuelle Verfasstheit des Rechtsextremismus hernehmen – in keinster Weise. Im Gegenteil, die SZ hat es letztens so formuliert: „In den Identitären kann man die Zukunft des Rechtsextremismus sehen.“ Nur, dass diese Zukunft in Österreich längst da ist, da die Gruppe in Österreich um einiges weiter ist, als jene in Deutschland. Österreich ist hier in Sachen Rechtsextremismus also Avantgarde, dies ist kein irrelevanter Fakt.

Das zweite Argument im Argument lautet, dass wenn man nicht gegen sie vorgeht, sie keinen medialen Widerhall finden. Dies ist an Naivität nicht zu überbieten und zwar aus zwei Gründen: Erstens haben sie die Aufmerksamkeit auch ohne Demonstrationen, das zeigen Einladungen ins ORF Bürgerforum oder wohlwollende Porträts z.B. in der Wiener Zeitung. Die Frage ist nicht, OB (denn das passiert) sondern WIE über sie berichtet wird und hier gibt es erfreulicherweise vermehrt sehr gute Artikel und Fernsehbeiträge (als Beispiel seien das ORF-Format Heimat Fremde Heimat und der Standard erwähnt). Zweitens schaffen sie sich ihre Aufmerksamkeit selbst. Ich empfehle allen Journalist_innen einen Blick auf die Facebook-Seite der Identitären. Jetzt können wir über vieles spekulieren, zum Beispiel um wieviele „echte“ likes es sich hier handelt und wieviel dazu noch einfach Gruppenaccounts sind, die sich gegenseitig hochjazzen. Fakt ist aber, selbst wenn man all dies in Betracht zieht und großzügig abzieht, ist das eine der erfolgreichsten FB-Seiten einer politischen Gruppe in Österreich. Und wer 2016 noch mit „aber das ist ja nur das Internet“ argumentiert, soll doch bitte in seinem Umfeld erfragen, wieviele Stunden täglich so in Sozialen Netzwerken verbracht werden.

Wir halten als Zwischenfazit fest: Die Identitären sind eine der relevantesten Gruppen gerade im Bereich Rechtsextremismus und sie bekommen mediale Aufmerksamkeit durch offline-Aktionen bzw. schaffen selbst Gegenöffentlichkeit online.

  1. Österreich hat keine Tradition des Widerstands auf der Straße

Dem wird niemand ernstlich widersprechen. Das heißt aber nicht, dass dies nicht änderbar ist bzw. dies nicht von Erfolg gekrönt ist. Der umgekehrte Glaube, dass ohne Straßenwiderstand woanders Widerstand geleistet wird, ist nämlich eine Fehlannahme. Als Beispiel sei der Ball der Burschenschafter in der Wiener Hofburg erwähnt. Über 50 Jahre gehörte er zum Konsens der Republik, niemand hat sich daran gestoßen, dass deutschnationale, rechtsextreme bis neonazistische Burschenschaften (mit informellem Ariernachweis) am Sitz des Bundespräsidenten feierten. Das Argument „wuuurscht, größere Probleme“ zieht hier nicht, denn hier geht es weder um ein Einzelereignis, noch um einen armseligen Haufen irgendwo in einer Scheune in der Provinz. Hier geht es um einen gesellschaftlichen Konsens. Dieser hat sich nicht daran gestoßen, dass Leute, die freudig von sich behaupteten, in der NSDAP „schon zu den Rechten“ gehört zu haben, dort gefeiert haben. Was hat diesen gesellschaftlichen Konsens aufgebrochen? Richtig, die Mobilisierung auf der Straße. Nur deswegen haben viele Menschen überhaupt Kenntnis darüber erlangt und konnten ihren Unmut ausdrücken. Und nur deswegen mussten sich Politiker_innen positionieren. Dies ist ein gutes Beispiel, wie der Widerstand auf der Straße sehr wohl zu einer Diskursverschiebung führen kann.

Apropos Diskurs, das zweite Argument ist, dass anstatt auf der Straße zu demonstrieren „die freie Debatte“ gesucht werden soll. Das klingt, ehrlich, fein. Aber hier kommen wir wieder zur Naivität: Die Annahme, es gäbe einen neutralen Raum, in dem jede_r ungestört die Argumente vorbringen darf und dann rational abgewogen wird, was schlüssig klingt und was nicht nicht, ist nicht einmal am Sonntagstisch daheim haltbar, wie also als Gesamtgesellschaft? Das exakte Gegenteil ist der Fall: Öffentliche Aufmerksamkeit ist ein derart rares Gut, dass jede Zeile und jede Sekunde erkämpft werden muss. Und die Welt ist nicht gerecht, sondern interessensgeleitet. Deswegen hören wir über den Putsch gegen Dilma Roussef so wenig, wissen aber genau über die Wehwechen von Mark Janko im Teamlager Bescheid. Die zweite Hürde: Wie soll ein rationaler Diskurs mit Menschenfeinden aussehen? „Ich finde, Flüchtlinge sollen leben dürfen.“ – „Ich nicht!“ – „Ah schön, jetzt habt ihr eure Positionen dargelegt, lasst uns da mal einen Kompromiss finden.“ Das mag überspitzt klingen, aber darauf kommt es in der Essenz an. Ein geschlossenes (also völlig durchideologisiertes) rechtsextremes Weltbild geht von einer „natürlichen“ Ungleichheit und Ungleichwertigkeit von Menschen(gruppen) aus und das höchste (unhinterfragbare) Ideal ist eine völkische Nation. Hier gibt es kein Diskutieren, denn dieses Weltbild läuft in letzter Konsequenz auf Genozid hinaus. Dies gilt es unter allen Umständen zu verhindern. Dies mit Appeasement und Kompromiss zu versuchen, hat sich historisch immer als fataler Fehlschluss erwiesen.

Wir halten als Zwischenfazit weiters fest: Widerstand auf der Straße wirkt, auch wenn es keine große Tradition in Österreich gibt und es gibt keinen demokratischen Diskurs mit Rechtsextremismus.

  1. Antifaschist_innen sind alles Gewalttäter_innen, deswegen finden die alle doof

Das ist zum Einen eine Verleumdung und zum Zweiten ein selbstgerechter Grund, um ja bloß nie selbst aktiv etwas machen zu müssen. Alle würden wir lieber in einer guten Welt leben, wo wir samstags Eis essend im Laabergbad hocken und nichts trübt unsere Stimmung. Ehrlich, das wäre urfein und alle Antifaschist_innen, die ich so kenne, hätten sich das auch verdammt noch einmal verdient. Stattdessen stehen sie Woche um Woche wieder bereit – entweder in Altenfelden, um zu zeigen, dass man sich nicht durch Brandanschläge einschüchtern lässt oder gegen die Identitären dieses Wochenende oder nächstes Wochenende, um gemeinsam mit LGBTQ-Aktivist_innen gerade jetzt zu zeigen, dass homophobe Religionsfanatiker_innen nicht unwidersprochen marschieren dürfen. Das Argument „bähh, bähh ignorierts es halt“ ist gerade hier perfide: Wie soll ich jemanden ignorieren, der mich umbringen will? Wie soll ich jemanden ignorieren, der möchte, dass meine Freund_innen sterben und ihnen das Recht auf Existenz abspricht? Weil sie homosexuell und/oder geflüchtet sind? Oder weil sie eine nicht-christliche Religion haben? Oder weil sie die falsche Hautfarbe haben? Oder weil sie politisch aktiv sind? Das Privileg der Ignoranz kann sich nur jemand mit richtiger Hautfarbe, richtiger sexueller Orientierung und richtigem Geschlecht aussuchen.

Zum Anderen ist es auch eine simple Verkehrung von Opfer und Täter_innen. Denn Rechtsextreme sind es, die inhärent Gewalt erzeugen. Und zwar sehr lange vor den brennenden Flüchtlingsunterkünften. Hier kommen wir zum Kern: den “Neuen Rechten”. Für Bürgerliche ist dieses Spektrum besonders unangenehm, da es sich als Mischspektrum genau zwischen staatstragendem Bürgertum und offenem Rechtsextremismus bewegt. Der „Extremismus“ ist nicht so weit am Rand der Gesellschaft bei ein paar „Losern“ wie man das gerne hätte, sondern mitten drin. Genau das macht ihn auch so gefährlich. Es ist eine rechtsextreme Elite, die von oben gegen unten hetzt. Das fängt an bei Überlegungen, Arbeitslosen das Wahlrecht abzuerkennen und geht bis zu einer Kulturalisierung sozialer Konflikte. Gerade bei Antifeminismus und antimuslimischen Rassismus sind alle Dämme gebrochen und die Positionen der NPD und der der staatstragenden bürgerlichen Regierungsparteien kaum mehr unterscheidbar. Pogrome und Genozide wurden und werden erst sprachlich und intellektuell vorbereitet. In den 20ern und 30ern des letzten Jahrhunderts war das die „Konservative Revolution“ (mit schönen Büchern wie „die Herrschaft der Minderwertigen“), heute ist es die Neue Rechte. Dies ist keine Bagatelle und kein Anlass für selbstgerechtes Schulterzucken.

Antifaschist_innen diskutieren permanent seit Jahrzehnten über Strategien und sind zu einander oft härter als Journalist_innen, die meinen sich mit einem schnellen Diss-Artikel ein paar Schulterklopfer abholen zu können, oft vorstellen können. Ja, man muss nicht einmal mit anderen reden. Aber dies als Ausrede zu nehmen, nichts zu tun ist nur selbstgerechtes Distinktionsgehabe. Es gibt keine Mitte bei Menschenfeindlichkeit oder nicht. Es gibt keine Mitte zwischen Faschismus und Antifaschismus.

Was wir nach der dritten Demo der Identitären in Wien wissen in 10 Punkten

Was wir nach der dritten Demo der Identitären in Wien wissen in 10 Punkten:

  1. Wien ist kein gutes Pflaster für die Identitären – dritter Versuch, dritter fail.
  2. Wien ist ganz prinzipiell ein schlechtes Pflaster für rechtsextreme Aufmärsche – auch Pegida, PDV und Co haben Blamagen eingefahren.
  3. Die Identitären wollten erst durch Ottakring gehen, dann durch Rudolfsheim Fünfhaus, dann nach Schönbrunn. Geworden ist es die Strecke Burggasse – Westbahnhof. Eine U-Bahnstation. In 2 Stunden. (Aber bestimmt wollten sie immer bis zum Westbahnhof als Symbol des europäischen Geistes und herausragendes Beispiel europäischer Kultur gehen. Ganz bestimmt.)
  4. Zum wiederholten Mal durfte eine rechtsextreme Demo stattfinden, die klar menschenverachtend ist und die ein erhebliches Risiko für die öffentliche Sicherheit (und insbesondere gefährdete Gruppen wie Linke, Migrant_innen, Muslime, Antifaschist_innen etc) darstellt. Und das nachdem es zu Übergriffen und angedrohten Übergriffen der Identitären und ihres Umfelds gekommen ist. Warum?
  5. Die Polizei findet entweder keine geeignete Taktik für rechtsextreme Aufmärsche oder die Taktik heißt Eskalation. Keine Rede von “individuellem Pfeffersprayeinsatz”. Dafür freundschaftlicher Handshake mit Rechtsextremen, wie Michael Bonvalot festhielt:
    c - Michael Bonvalot

    c – Michael Bonvalot

    Mittlerweile berichten ja nicht nur „hysterische“ Linke über diese irrsinnige Strategie der Polizei, sondern auch Journalist_innen der ganz seriösen Medien sehen das so. Also alle, die vor Ort waren. Auch die nächtliche alkoholgeschwängerte Spontanzusammenrottung wurde lediglich freundlich begleitet. Wenn Linke das gemacht hätten wäre Panzer, Hundestaffel und Hubschrauber im Einsatz.

  6. Erwartungsgemäß gibt es Distinktionsgehabe bei jenen, die nicht vor Ort waren und trotzdem meinen, die Situation besser beurteilen zu können, als jene die vor Ort waren. Nachdem von dieser Seite kein substantielles Argument kommt, kann diese auch getrost ignoriert werden.
  7. Bizarr ist die Medienarbeit der Polizei im Nachhinein, die etwa die Übergriffe der Identitären (und den Pfeffersprayeinsatz) auf Polizei und Antifaschist_innen verschweigt. Warum?
  8. Die Identitären ignorieren ist nach wie vor ein beliebtes Scheinargument. Diese Haltung ist der Hauptgrund dafür, dass sie sich so etablieren konnten. Nicht Antifaschist_innen und Journalist_innen, die durch wertvolle Arbeit auf vielen Ebenen (Recherche, Proteste, Analyse [ab 21.6. ganz neu]) engmaschig den Aufstieg bekämpfen, sind der Grund. Es sind jene, die in der historischen (und reichlich kindischen) Annahme leben, Rechtsextremismus würde verschwinden, wenn man die Augen fest zu macht. Österreich hat ein Rechtsextremismusproblem, das geht nicht von alleine weg.
  9. Kritische und genaue Berichterstattung heißt, den Identitären keinen Raum zur Selbstinszenierung geben. Warum? Weil sie visuell wie kommunikativ gewisse Strategien verfolgen, die so nicht in einem Interview dekonstruiert werden können. Sie werden salonfähig. Hier hat Armin Wolf einen Punkt, den ich so auch zum Teil schon lange vertrete. Ich bin allerdings der Meinung, dass man nicht absichtlich einen Mythos um ihren Namen konstruieren sollte. Aber kein Raum für ihre Propaganda ist zentral. Im Gegensatz gibt es antifaschistische Bündnisse wie Offensive gegen Rechts oder Expert_innen, die über die Identitären reden können.
  10. Die Identitären haben unerwartete Helfer_innen im Kunstbereich, wie die Wiener Achse und das Museum Moderner Kunst. Ursprünglich war für Dienstag eine reichlich abstruse Diskussionsrunde ohne aktive Antifaschist_innen aber mit zwei Rechtsextremen angesetzt, um über „Ideologie“ zu diskutieren. Der Clou: Die anderen Diskussonsteilnehmer_innen wurden nicht einmal darüber informiert, dass Rechtsextreme kommen. Die Draufgabe: Die schlussendliche Absage wurde damit argumentiert, dass aufgrund linker Störaktionen kein angstfreier Raum, den sie schaffen wollten, mehr möglich ist. Angstfreier Raum für und ausschließlich für Rechtsextreme. Damit sind Wiener Achse und Mumok die Thilo Sarrazins für postmoderne liberale Künstler_innen.

Zusammenfassend lässt sich sagen: Die Identitären haben eine Niederlage eingefahren und wenn man sich die Gesichter bei der Abschlusskundgebung ansieht, dann sieht man, dass sie das auch wissen.

Über schirche Frauen und falschen Antirassismus

In den sozialen Netzwerken tobt ein Bilderkrieg zum Thema Flüchtlinge. Während die Einen Flüchtlinge mit Terroristen und einfallenden Armeen gleichsetzen, zeigen die Anderen die Realität an den europäischen Grenzen. (Kinder, Frauen, Männer kämpfen sich durch Meer und Stacheldraht und bekommen Tränengas ab) Plakate werden satirisch umgestaltet und Bilder in Umlauf gebracht. In diesen allgemeinen Strudel mischt sich aber eine neue Form des selbstdefinierten Antirassismus  – ein explizit frauenhassender Antirassismus. Das fängt damit an, dass Frauen und Mädchen unterstellt wird zu lügen, wenn sie von sexuellern Übergriffe durch Flüchtlinge berichten und geht dahin, dass rechte Frauen übel misogyn beleidigt werden.

Zwei Beispiele der letzten Tage sind einerseits diese Fotomontage eines Linken-Politikers, der die getortete Beatrix Storch als Mittelpunkt einer „Bukake-Party“ zeigt. Ein zweites Beispiel stammt von einem prominenten Twitteranten, der ein umgestaltetes Plakat des Innenministeriums mit dem Gesicht der Innenministerin und den Worten „Schlepper lügen. So sehen Österreichs Frauen wirklich aus.“ zeigt.

schircheFrauen hahaha

Beide Sujets richten sich nicht gegen die menschenverachtende Politik von zwei rechten Frauen, sondern gegen Frauen allgemein. Beide richten sich gegen Frauen, die nicht dem eigenen Schönheitsideal entsprechen. Und beide machen sich dann auch noch über Vergewaltigung lustig.

Die getortete Frau Storch wird als Opfer einer „Bukake-Party“ (so auch die Bildunterschrift) inszeniert. Das bedeutet, dass behauptet wird, Storch sei in einem Kreis junger Männer gewesen, die auf sie ejakuliert haben. Ihr unglücklicher Gesichtsausdruck (der von der Tortung rührt) suggeriert, dass sie das nicht toll findet. Der Witz des Bildes ist also, dass Männer gemeinschaftlich auf eine Frau abgespritzt haben, ohne dass die das wollte. Dieser Vorgang hat einen Namen und er nennt sich Vergewaltigung. Es ist völlig egal, dass es sich bei dieser Frau um Storch handelt, denn sie ist nur mehr Platzhalterin für jede unliebige Frau. Die einen Männer montieren Frau Storch hinein, die Nächsten Sara Wagenknecht oder im persönlichen Kontext die Ex-Freundin. Ziel ist es, die Frau in ihrer Rolle als Frau der Lächerlichkeit preis zu geben, denn eine Vergewaltigung (so die Annahme) ist peinlich für das Opfer. Die Männer haben sich einen Spaß gemacht und dieser unliebigen Frau gezeigt, wie der Hase läuft. Es ist dezidiert keine Kritik an Storchs Politik, sondern einzig und allein eine Herabwürdigung ihrer Person, weil sie eine Frau ist.

Das zweite Bild schlägt in eine ähnliche Richtung. Der Spruch ist eine Anspielung auf die Kampagne des Innenministeriums, das im FPÖ-Stil Menschen mittels Plakaten davon abhalten will, in Österreich um Asyl anzusuchen. (Ein Vorgang, auf den jeder Mensch ein Anrecht hat) Suggeriert wird allerdings, dass Flüchtlinge wegen schöner Frauen kommen. Das mag eine zynische Anspielung auf rechte Diskurse sein, verfehlt aber trotzdem sein Ziel und transportiert diese schlussendlich weiter. Gleichzeitig wird das Bild der Innenministerin gezeigt und davor gewarnt, dass Frauen in Österreich aber leider so aussehen. Hier ist das Bild der Innenministerin wiederum nur Platzhalter für jede beliebige Frau. Es geht nicht um die Politik der Innenministerin, sondern um sie als Frau. Die Annahme dahinter ist, dass sie so hässlich ist, dass nicht einmal Flüchtlinge sie vergewaltigen würden.  Das ist eine Fortführung rechtsextremer Diskurse über Flüchtlinge und tief frauenverachtend. Das ist nämlich ein beliebtes Argument gegen Frauen, die sexualisierte Gewalt anzeigen. Es wird so getan, als seien Übergriffe ein Kompliment und Frauen, die nicht dem männlichen Schönheitsideal entsprechen, müssten sich freuen, wenn sie diese Aufmerksamkeit bekommen. Oder es wird gesagt, dass Frauen zu alt/schirch/wenig aufgestylt/usw. wären, als dass irgendwer sie vergewaltigen würde. Vergewaltigung wird mit genuinem Interesse von Männern gleichgesetzt, über dass sich Frauen freuen sollen. Und dies wird nur wenigen auserwählten Frauen zuteil. Das verharmlost sexuelle Gewalt und verdeckt die Realität: Frauen jedes Alters, jeder sozialen Schicht, jeder sexuellen Orientierung, jedes eigenen Selbstverständnisses werden Opfer von sexueller Gewalt. Es hat nichts mit dem eigenen Alkoholkonsum zu tun, nichts mit der Art der Kleidung, nichts mit dem, wie der eigene Körper beschaffen ist, nichts damit, ob eine Frau Mutter oder schwanger ist, nichts mit körperlicher Verfasstheit, nichts mit der eigenen Präsentation der Körpers – nichts von all dem ist ein monokausaler Trigger, bei dem Vergewaltiger „einfach nicht anders können“. Alte Frauen werden genauso vergewaltigt wie junge. Frauen, die sehr konservativ gekleidet sind, werden genauso vergewaltigt wie Frauen, die weniger Kleidung tragen. Der Mythos, dass Vergewaltigung nur dann zählt, wenn es eine schöne, blonde, junge Frau trifft, die sich so verhält, wie andere verlangen, dass sich eine Betroffene verhält, ist ein tief frauenverachtender und rechter. Da stehen Frauen als Blaupause für Nation und Volk und müssen deswegen gerettet und gerächt werden. Auch hier geht es nicht um das Wohl der Betroffenen selbst, hier geht es nur darum, ihren Körper als Platzhalter für etwas anderes zu verwenden.

Der Urheber hat nach der Kritik ein weiteres Sujet nachgeschossen, auf dem er selbst zu sehen ist mit der Warnung, dass in Österreich alle schirch sind. Betitelt war dieser Beitrag mit „Sexismus!“ Das ist ein Lustigmachen über die Kritik und verfehlt die Kritikpunkte. Es zeigt, dass es anscheinend nicht möglich ist, einfach einen Fehler einzugestehen und „sorry“ zu sagen, weil man die Implikationen selbst nicht verstanden hat.

Es zeigt aber auch, dass es das Potential eines frauenverachtenden Antirassismus gibt. Feminismus und Antirassismus bedingen einander aber. Denn Männer, die sich weder für das Eine noch das Andere wirklich interessieren, nutzen jetzt das Eine oder das Andere, um schlussendlich sowohl Feminismus als auch Antirassismus zu diskreditieren. Wir dürfen uns aber nicht spalten lassen. Schon gar nicht für einen schnellen Witz auf Facebook.

Forum besorgter Bürger – ORF bietet Rechtsextremen ein Forum

Das ORF-Bürgerforum am 24.11.2015 hatte leider viele lowlights zu bieten. Unkommentiert und ungeprüft wurden irgendwelche wilden Gerüchte als „Meinungen“ präsentiert und dies als gleichwertig neben den realen Erfahrungen von Geflüchtete und Geflüchtetenhelfer_innen präsentiert. Der Bericht einer Frau, die jeden Tag mit Geflüchteten zu tun hat und von den Wünschen nach Deutschkursen (von denen zu wenige vom Integrationsministerium bereit gestellt werden) berichtet, stand gleichwertig neben Aussagen wie „Ich war einmal in Afrika, deswegen kann ich nicht rassistisch sein. Ich habe aber gehört, die Flüchtlinge verweigern Essen. Das ist undankbar.“ Damit wird das Leben und die Existenz von flüchtenden Menschen auf bösartige Gerüchte reduziert, bei denen kein Platz mehr für reale Erfahrungen und Empfindungen ist. In einer Schulklasse würde man das schlicht Mobbing nennen. Das Unfaire daran ist nämlich: Egal was du tust oder sagst, du kannst dich nicht rausretten, weil es so oder so gegen dich ausgelegt wird. Reagierst du nicht, dann muss es ja stimmen. Verteidigst du dich, ist das auch ein Beweis für die Wahrheit der Gerüchte, denn sonst würdest du ja nicht so empfindlich reagieren. Und immer wilder spinnen sich die bösen Verleumdungen.

Nur sind wir hier nicht in einer Schulklasse und das Ganze ist nicht mit einem Schulwechsel beendet. Nein, diese Bösartigkeiten finden im Fernsehen zur besten Sendezeit statt und richten sich aufs Niederträchtigste gegen eine bestimmte Gruppe von Menschen, die besonders schutzlos sind – Geflüchtete. Es ist die bewusste Abwertung anhand von Halbwahrheiten und Unterstellungen. Dabei wird „das Andere“ konstruiert. Geflüchtete und Muslime werden zu einem „barbarischen“ (dieses Wort fiel) Gegenstück zu der ach-so-aufgeklärten und liberalen österreichischen Gesellschaft konstruiert.
Soweit, so wenig neu. Leider.

Bekannter Rechtsextremer bekommt Bühne

Neu ist hingegen, dass einer der bekanntesten Rechtsextremen Österreichs mir nichts dir nichts vor der Kamera seine rassistische Propaganda von sich geben darf. Alexander Markovics ist Obmann der rechtsextremen Identitären Bewegung Österreichs.

Markovics als legitimer Gesprächsgast im ORF-Bürgerforum (Screenshot)

Markovics als legitimer Gesprächsgast im ORF-Bürgerforum (Screenshot)

Markovics (eingringelt) bei der Besetzung des sächsischen Landtags bei einer Pegida-Demonstration in Dresden im Januar 2015 (Screenshot)

Markovics (eingringelt) bei der Besetzung des sächsischen Landtags bei einer Pegida-Demonstration in Dresden im Januar 2015 (Screenshot)

Die Identitären sind das erfolgreichste außerparlamentarische Projekt des Rechtsextremismus in Österreich der letzten Jahren. Wobei Erfolg natürlich mit Anführungszeichen zu verstehen ist. Erfolg in diesem Milieu bedeutet Demonstrationen abzuhalten, bei denen unverhohlen nach einer ethnischen Säuberung Europas in Form einer „Reconquista“ gerufen wird. Oder vor Flüchtlingsunterkünften zu stehen und Geflüchteten zynische Zetteln in die Hand zu drücken mit der Aufforderung, sie mögen doch bitte wieder „nach Hause“ gehen (und sich dort vom Daesh oder Assads Armee umbringen lassen).

Solche Gestalten bekommen also nun zur besten Sendezeit ein Forum für ihre krude Sicht der Dinge (die Regierung und die Flüchtlinge, die vor dem Daesh fliehen, sind irgendwie Schuld am Daesh). Das ist nicht nur peinlich und unprofessionell, das zeigt auch wie anfällig ein Konzept wie das Bürgerforum für Agitation von Rechtsextremen ist. Unter dem Deckmäntelchen der „besorgten Bürger“ wird Menschenfeindlichkeit verbreitet. Das ist wie Pegida, nur als Fernsehformat.

Warum man mit Rechtsextremen nicht redet

Gemeinhin wird gerne behauptet, man müsse Sorgen und Ängste verstehen. Das ist zumeist ein Code für „machen wir rechte Politik bevor es die Rechten tun“. Auf der anderen Seite werden Menschen mit rechten Einstellungen gerne als dummer, instinktgetriebener Mob dargestellt. Beides ist falsch. Ja, mit Menschen mit diffusen Ängsten und rechten Versatzstücken in ihrem Denken kann/muss/soll man reden, noch besser: Politik machen, die Ängste vor sozial prekären Lagen verschwinden lassen.
Aber man muss rechtsextremen Kadern keine Bühne bieten. Man muss sie nicht einladen und sie nicht reden lassen. Bei Parteien ist so etwas schwer vermeidbar, obwohl sich in Deutschland gezeigt hat, dass ein konsequentes Ignorieren der NPD von Seiten etablierter Medien (bis vor kurzem) Wirkung gezeigt hat. Aber die FPÖ ist nicht die NPD. Und die AfD zeigt auch gerade in Deutschland, dass sie viel Sendezeit bekommt, weil sie sich geschickter anstellt, als die Kameraden der NPD.

Gestern wurde aber über die FPÖ-Meinung hinaus zusätzlich einem bekannten Rechtsextremen Platz geboten. Das hat Strategie. Damit wollen sich Rechtsextreme salonfähig machen und als „kontroverse“ aber legitime „Diskussions“partner_innen fungieren. Eine Diskussion mit Rechtsextremen kann aber nie zu Stande kommen, da sie daran ja gar nicht interessiert sind. Es geht nur darum die eigenen, menschenfeindlichen Aussagen einem möglichst großen Pubikum darzubieten. Und das im Idealfall unwidersprochen, wie beim Bürgerforum geschehen.

Es ist ein großes Missverständnis zu glauben, dass die Entscheidung, jemandem kein Forum zu bieten irgendeine Art von Zensur ist. Das ist es nicht. Denn es waren sicher nicht „alle Stimmen“ vertreten. (Linke Stimmen fehlen im ORF zum Beispiel oft völlig.) Es ist eine bewusste politische Entscheidung, wem man die Gelegenheit zur Selbstdarstellung gewähren will. Hier aus einer extremiusmustheoretischen Sicht der Dinge zu sagen „wenn antirassistische Menschen zu Wort kommen, dann brauchen wir auch Vertreter der extremen Rechten“ ist höchstens ein weiterer Beweis dafür, wie fetzendeppert die Extremiusmustheorie ist.

Zumal es ja nicht so ist, als würden rassistische Meinungen nur im Untergrund kursieren und leise geflüstert unter Eingeweihten verbreitet werden. Nein, wir erleben ein Trommelfeuer an Abwertung und Hass auf Muslime und auf Geflüchtete. Und der ORF hat sich entschieden, einem der lautesten Schreier dieses Menschenhasses eine Bühne zu bieten.

Wer dagegen protestieren will, kann ein Mail an buergerforum (ät) orf.at schreiben

Nachbetrachtung zum 21.11.

Aufmärsche von rechtsextremen Grüppchen scheinen in Österreich zur Normalität zu werden. Vor einigen Jahren noch war der WKR-Ball das einzige Großereignis, dazwischen noch kleinere Veranstaltungen wie das bizarre Totengedenken der Burschenschaften am 8. Mai oder der, schon immer unter dem medialen Radar laufende, Festkommers der Burschenschaften Ende November.
Seit zwei Jahren ist das nun anders. Der vorderdringlichste Grund ist dafür sicher, dass die Burschenschaften kaum mehr ein Lebenszeichen von sich geben und ihre, ohnehin lahme und planbare, Aktivität derer der Identitären gewichen ist. Diese ist nicht so groß und gut vernetzt wie etwa der WKR-Ball, aber dafür in anderer Hinsicht für Linke unangenehmer. Dazu kommt, dass die rechtsextreme Szene generell in Bewegung ist und sich nicht mehr so leicht von der FPÖ einfangen lässt. Alle Versuche, Pegida von Dresden nach Österreich zu importieren sind, bis auf eine Ausnahme, gnadenlos gescheitert. So auch die Kundgebung am 21. 11. 2015.

Auch wenn diese grandios gefloppt ist, so zeigen sich eine neue Intensität rechter Mobilisierungen und ein zunehmendes Gewaltpotential in Sprache und Tat (wie wir in Spielfeld gesehen haben).

Aber dokumentieren wir der Reihe nach:

Deserteursdenkmal

Die rechtsextreme Kundgebung (Hintergrund hier) vom 21. 11. wurde just direkt am Ballhausplatz beim Denkmal für die Opfer der NS-Militärjustiz (Deserteursdenkmal) genehmigt. Aber nicht nur das. Die Rechtsextremen durften ihr Rednerpult auf das Deserteursdenkmal drauf bauen.

Nun ist das Denkmal tatsächlich so gebaut, dass man als interessierteR Besucher_in drauf steigen kann. Dies ist aber etwas gänzlich anderes als Rechtsextreme, die da oben ihre Reden schwingen. Der Unterschied ist nämlich, dass es genau die Rechtsextremen sämtlicher Coleur sind und waren, die nur Verachtung für Deserteure übrig haben und gleichzeitig Wehrmacht und SS gleichermaßen als unpolitische Pflichterfüller abfeiern. Deswegen gibt es in jedem kleinen Kaff außerhalb Wiens große Denkmäler zu Ehre der gefallenen Soldaten und nur wenige bis keine, die an deportierte Juden und Jüdinnen, verschleppe Linke oder erschossene Deserteure erinnern. Allein die Farce, die sich in Goldegg dazu abspielte dokumentiert dieses Verständnis sehr gut.

Die FPÖ, aber auch zum Beispiel der ÖVP-Kameradschaftsbund, war eine erbitterte Gegnerin eines Denkmals für Deserteure. Diese wurden als „Kameradenschweine“ oder „Verräter“ tituliert. Es spielt im Übrigen keine Rolle, ob jemand aus ideologischen Gründen desertiert ist oder, weil er den Krieg nicht mehr ausgehalten hat. Jeder Deserteur bedeutete eine Verkürzung des Krieges und einen schnelleren Zusammenbruch der Nazi-Armee. Und das war sehr gut so.

Notiz am Rande: Der KZ-Verband hatte eine Gedenkkundgebung am Denkmal angemeldet, um genau so etwas zu verhindern. Diese wurde zu Gunsten der Rechtsextremen abgesagt.

Offensive gegen rechts

Offensive gegen rechts

twitter

twitter

Waffenaufruf und rechtsextreme Unruhe

Wie Radio Orange mitgeschnitten hat wurde dazu aufgerufen sich zu bewaffnen und die Regierung aus den Ämtern zu jagen.
Daneben waren auch die Nazis von Unsterblich und der bekannte Rechtsextremist Ludwig Reintaler dabei.

Screenshot Russia Today - Ludwig Reintaler

Screenshot Russia Today – Ludwig Reintaler

Screenshot Russia Today

Screenshot Russia Today

Dazu kommen die Identitären, die offenbar ihre Fähnchen nicht ausrollen durften und das mit einem lächerlich großen Transparent auszugleichen versuchten.

Twitter

Twitter

Für interne rechtsextreme Querelen dürfte auch sorgen, dass die Identitären gleichzeitig in Innsbruck zu einer Aktion aufgerufen haben, die auch grandios gescheitert ist.

Die Identitären selbst haben sich dann begnügt, nur diese Aktion abzufeiern, während sie zur Kundgebung in Wien vornehm geschwiegen haben.

Zur rechten Horrorshow gehört auch die entsprechende Musik. So wurde Annett Müller, ihres Zeichens Nazischlagersängerin mit Hang zu schlechten Reimen und unsauberem Gesang, mit „Zeit zu rebellieren“ gespielt, wie Markus Sulzbacher vom Standard aufmerksam erkannte.  Zur Erinnerung: Auf dem Deserteursdenkmal mit Aufruf zu den Waffen zu greifen:

„Es ist Zeit zu rebellieren, es ist Zeit um aufzustehn!
Denn den Missstand in meinem Lande will ich nicht länger mit ansehn.
Es ist Zeit, sich zu melden, deshalb stehe ich heut hier,
will mich nicht mehr ruhig verhalten,
die Alltagssorgen wegtrinken beim Bier.

Refrain:
Deshalb: Steh auf, du deutsches Volk,
hast viel schlimmes Leid hinter dich gebracht.
Es ist deine Heimat, dein Land, dein Tod –
Deutschland braucht dich jetzt in seiner Not!
Es ist Zeit, endlich zu lärmen, es ist Zeit um aufzustehn!
Dass Deutschland wieder uns gehöre,
ein Lichtblick, es wär wunderschön.
Andre Länder, andre Sitten – da funktioniert’s auch, schaut doch hin.

Refrain:
Steh auf, du deutsches Volk,
hast viel schlimmes Leid hinter dich gebracht.
Es ist deine Heimat, dein Land, dein Tod –
Deutschland braucht dich jetzt in seiner Not!“

Der Text lässt wohl keine Fragen offen. Dieses Machwerk ist auch, im Gegensatz zu Frei.Wild etwa, nur Eingeweihten bekannt und hat darüber hinaus, aus offensichtlichen Gründen, keinerlei Bekanntheit erlangt. Es ist eine Aneinanderreihung von peinlichem Revisionismus, völkischem Pathos und rechtsextremer Widerstandsromantik.

Ohne Antifaschist_innen wäre das tatsächlich Normalität

Trotz allerlei Widrigkeiten waren am Samstag wieder einmal mehr Antifaschist_innen als Rechte auf der Straße. Dieses Durchhalten ist ein großer Verdienst. Also wieder einmal: Danke allen Antifaschist_innen, die nicht nur groß reden, sondern auch handeln. Danke, Offensive gegen Rechts.
Am Rückweg wurden Antifaschist_innen dann auch noch von Nazis bedroht und angegriffen.

 

Offensive gegen Rechts

Offensive gegen Rechts

Flop von rechts
Ich lasse den Rechtsextremen ja nie das letzte Wort. Heute mache ich eine Ausnahme, weil es so schön ist:

Zur Erinnerung, das war das Ankündigungsposter:

Screenshot

Screenshot

Und das die Reaktionen danach:

Screenshot

Screenshot

Screenshot

Screenshot

Screenshot

Screenshot

Screenshot

Screenshot

Weder Fisch noch Fleisch

Die selbst ernannte „Meinungsplattform“ Fisch und Fleisch erlaubt vielen Menschen etwas ins Internet zu stellen. Es gibt keinerlei Vorgaben. In den nettesten Momente sind das Reiseberichte und Lieblingsrezepte, in den nicht so netten Momenten ist es eine Plattform für diffuse rechte Beiträge. Dazu gehören abstruse „Impfgegner“ oder auch Leute, die die Identitären verteidigen und Antifaschist_innen diskreditieren . Soweit, so obskur.

Die Chefredakteurin selbst stellte vor einigen Tagen nun einen eigenen Artikel online, den sie inzwischen wieder gelöscht hat. Hier ein Screenshot, der freundlicherweise von der Vice-Redakteurin Hanna Herbst (@hhumorlos) angefertigt und zur Verfügung gestellt wurde.

Screenshot von @HHumorlos

Screenshot von @HHumorlos

Danach entwickelte sich eine viel-strängige Diskussion, die ich nicht wiedergeben werde. Viele wichtige Menschen haben sich zu Wort gemeldet. Ich möchte die Gelgenheit nutzen, um über ein paar grundlegende Dinge aufzuklären.

1. Kritik ist keine Zensur
Wer eine „Meinungsplattform“ betreibt, der_die muss mit Kritik rechnen. Wer einen schlechten Artikel ins Internet stellt, der_die muss mit Kritik rechnen. Wer einen rassistischen Artikel ins Internet stellt, der_die muss mit Kritik rechnen. Niemand zensiert euch. Es ist eure Plattform, ihr habt die Ressourcen. Wir kritisieren das, was ihr hochdotiert macht. Hier den Kritiker_innen Zensur zu unterstellen, ist an Absurdität gar nicht zu überbieten. Selbst wenn jemand wollte, wie könnte er_sie denn? Es ist die Plattform von Fisch und Fleisch, also könnt ihr auch selbst entscheiden, welche Artikel oben bleiben und welche nicht.

2. Kritik ist keine Hetzjagd
Kritik an einem Artikel ist keine Hetzjagd und kein Shitstorm. Niemand wurde persönlich angegangen, niemand wurde bedroht, niemand wurde unsachlich oder persönlich. Es wurde darauf hingewiesen, dass der Artikel rassistisch ist. Punkt. Es geht nicht um die Chefredakteurin persönlich. Die ist sicher furchtbar freundlich und spendet zu Weihnachten für Nachbar in Not. Darum geht es nicht. Es geht um den Artikel. Und für einen Artikel muss man sich rechtfertigen, so wie für jede geäußerte „Meinung“. Aber die bloße Widerrede wird schon als Anschlag auf die so hochgehaltene Meinungsfreiheit gedeutet. In Wahrheit geht es nicht um Meinungsfreiheit, sondern darum, unwidersprochen rechten Müll absondern zu können. Darauf gibt es kein Recht. Es gibt kein Recht aufs nicht-kritisiert werden. Es gibt kein Recht auf widerspruchsloses Handeln.

3. Die Strategie hinter dem Artikel
Der Artikel liest sich wie ein x-beliebiges Pegida-Post. Die dahinter liegenden Logiken sind einfache und tief rechtsextreme:

DRINGLICHKEIT: Wer nur Großbuchstaben benutzt, signalisiert Dringlichkeit und Aufgeregtheit. Hier passiert gerade etwas Aufregendes.

Jemand hat gesagt, dass: „Eine Freundin meiner Oma deren Cousin hat gesagt, die Flüchtlinge wollen das Christkind entführen.“ Damit wird suggiert, über Geheimwissen (dazu gleich mehr) zu verfügen. Gleichzeitig bringt es einen in die komfortable Lage, weder recherchieren noch Quellen angeben zu müssen. Das ist wissenschaftlich, journalistisch und politisch unlauter. Es bringt einen selbst in eine erhöhte Position, in der man nur selbst Zugang zu dem Wissen hat. Es ist also eine antidemokratische und elitäre Art der Informationspolitik.

Es gibt eine strenggeheime Studie, pssst, geheim: Vorgetäuschtes Geheimwissen ist einfach Wichtigtuerei. Es macht einen selbst und den Artikel interessant. Clickbait, wie es so schön heißt. “OMG, du wirst nicht glauben, was uns das Verteidigungsministerium nicht über Flüchtlinge sagt, ich habe geweint, als ich es sah.” Vorgetäuschtes Geheimwissen ist die Basis jeder Verschwörungstheorie und des „Lügenpresse“-Kanons bei Pegida und Co. Hiermit ist explizit nicht Kritik an Medien und deren Bedingungen gemeint. Wir leben in einer Zeit, in der viele Leute nicht nur Vertrauen in politische Prozesse, sondern auch in mediale Berichterstattung verlieren. Das hat aber etwas mit gesellschaftlichen Verhältnissen und Bedingungen, unter denen Medien produziert werden und Politik stattfindet zu tun. Nichts ist ein monolithischer Block, überall finden politische und soziale Kämpfe statt.

Meinung als Information tarnen: Während die Autorin sich später damit rechtfertigte, bloß ihre Gefühle und ihre Meinung zu präsentieren, so sagt der Artikel etwas Anderes. Sie tarnt das Ganze als Information und tut damit so, als liefere sie objektive Tatsachen. Das tut sie nicht. Objektive Wahrheiten gibt es bei gesellschaftlichen Prozessen auch nicht, auch wenn Rechte gerne so tun als ob.

Opferrolle mit heroischer Pose: Es ist erstaunlich, wie sehr es in der rechtsextremen Logik verankert ist, gleichzeitig Opfer und heroische_r Aufbegehrer_in zu sein. Die bösen Linken kontrollieren alles, aber padauz, jetzt sage ich denen mal was, was die noch nie gehört haben und was ur arg kontrovers ist. Und das quasi aus dem Nichts, mit letzter Tinte aus dem Untergrund. Die inszenierte Kontroverse, der lahme Tabubruch ergibt sich dann in einem rassistischen/sexistischen/homophoben/etc. Artikel. Für den wird man doch in der Szene recht abgefeiert. Weil historisch hat sich ja noch nie wer getraut, rassistisch/sexistisch/homophob/etc. zu sein. Wahnsinn.

Aufruf zur Tat: Es geht auch nie, anders als von der Autorin behauptet, nur um einen selbst. Nein, alle anderen müssen genauso agitiert und EMOTIONALISIERT sein, wie man selbst. Wacht auf, ich habe die Wahrheit erkannt, wacht auch alle mit mir auf. Was ist das Ziel? Alle sollen nun gegen Flüchtlinge sein, wie die Autorin selbst? Sollen wir alle nun vor Flüchtlingsunterkünften protestieren? Sollen wir diesen männlichen Flüchtlingen endlich mal klar machen, dass wir gegen sie sind? Was genau wir machen sollen, wenn wir aufgewacht sind, diese Antwort bleibt die Autorin, bewusst oder unbewusst, schuldig. Rechtsextreme Organisationen nutzen diese Auslassungen sehr gezielt. Sie machen Stimmung z.B. gegen eine Flüchtlingsunterkunft, dann posten sie nur die Adresse, ohne konkrete Ansage warum eigentlich. Brauchen sie auch nicht mehr.

4. Die inhaltliche Komponente
Entgegen des Zensurvorwurfs wurde nie in den Diskussionen inhaltlich auf den Artikel eingegangen. Einerseits weil es keine einzige nachvollziehbare Quelle für die Wulst an diffusen Behauptungen gibt. Andererseits weil es gefährlich ist, so etwas als legitime Diskussionsgrundlage zu sehen. Damit würde die Diskussion auf der Grundlage rechtsextremer Logiken geführt werden. Linke und Antirassist_innen müssten erst einmal die unbelegten Behauptungen widerlegen, egal wie absurd. Damit würde man sie aber schon legitimieren.

5. Aber, aber Demokratie…
Nein, als demokratisch gesinnter Mensch muss man nicht alles diskutieren. Die Demokratiefrage stellt sich nämlich schon beim Zugang zu öffentlich geäußerter Meinung. Nicht jede Person bekommt eine eigene „Meinungsplattform“ finanziert. Das bekommen nur Menschen, die über das nötige kulturelle, soziale, finanzielle und symbolische Kapital verfügen. Menschen wie die Chefredakteurin gehören also zu den ganz, ganz wenigen die über ein mächtiges und gut finanziertes Produktionsmittel in der Informationsgesellschaft verfügen. Andere versuchen es mit eigenen Blogs, die natürlich ungleich kleiner sind. Wieder andere betreiben hervorragende Blogplattformen, die unbequemer sind und sich nicht der Zuwendungen der etablierten Medien sicher sein können. (Lest Mosaik) Das Geschäft in der Informationsgesellschaft ist Aufmerksamkeit. Die ist extrem begrenzt und muss immer wieder neu gewonnen werden. Das ist mühsam. Mit inszenierten Kontroversen geht das schneller als mit diskutieren, Feedback, nachbessern, Recherche, Quellenangabe, über Kritik diskutieren usw. Das ist aber ein demokratischer Zugang.

6. Ich bin ja keine Rechte, aber…
Ganz einfach: Wer kein_e Rechte_r ist, der_die soll auch nicht anschlussfähig für sie sein. Wenn du nicht willst, dass die FPÖ deine Artikel teilt, dann schreib so, dass sie ihn nicht teilen. Nein, deine „Meinung“ wird nicht von der FPÖ „missbraucht“. Du hast einfach die selbe „Meinung“ wie die FPÖ. Zeit drüber nachzudenken. Das heißt nicht, nicht über die Themen der FPÖ zu diskutieren. Muss man sogar. Aber nicht in ihrer Logik. Wenn jemand schreibt „Diese hässlichen FPÖ-Wähler im 10. mit ihren Leggins und Glitzershirts. Widerlich.“ dann regt das die FPÖ auf, dann regt es mich aber auch auf. Aber anstatt auf den FPÖ-Spin von „Buhuuu, die Medien hassen uns, weil wir so unbequem und toll sind.“ einzugehen ist es wichtig, auf die Verachtung für arme Menschen und Arbeiter_innen in dem Artikel einzugehen und gleichzeitig aufzuzeigen, warum die größere Gefahr von den Rechtsextremen im Nadelstreifanzug ausgeht. Diese haben nämlich auch nur Verachtung für die „blöden Prolos“ über.

7. Steilvorlage für Rechte
Der Artikel wird von Strache, diversen FPÖ-Seiten und den Identitären weitergetragen. Sie ergießen sich in Solidarität mit der Autorin, die ja vom bösen linken Mob unterdrückt wird. Damit verhilft die Autorin dem Narrativ der armen unterdrückten Rechten, die ja nirgends ihre „Meinung“ äußern dürfen, zu weiteren Höhen. Sie darf sich in die Linie der Gabaliers (Millionär), Sarrazins (Millionär), Pirinçcis (Bestsellerautor) und co einfügen, die ja alle quasi nichts haben und nirgends gehört werden.

8. Aber: alle können schreiben
Nein, können sie nicht. Das Zugangsproblem habe ich schon angesprochen. Andererseits: Wer will schon auf der selben Seite publiziert werden, wie Impfgegner_innen und Rassist_innen? Niemand, denn damit legitimiert man diese Artikel. Man gibt seinen Namen her für diese Seite und wird mit ihr in Verbindungen gebracht. Bekannte Journalist_innen lassen die Seite seriös erscheinen, gleichzeitig werden damit rechtsextreme Gedanken seriös gemacht. Die intellektuelle Rechte nutzt das strategisch. Eine Blattlinie ist keine Einschränkung, sondern ermöglicht Leuten überhaupt erst das Schreiben. Der Gang zum Anwalt ersetzt schon gar nicht die politische Haltung. Rechtsextremismus ist nicht per se verboten.

9. Nichts gelernt
Am Abend erschien noch dieser Artikel, in dem die Kritiker_innen wörtlich als „Kreaturen“ und „Arschlöcher“ bezeichnet. Was ist das Selbstverständnis einer Plattform, die solche Artikel online stellt?

Screenshot

Screenshot

Screenshot

Abschließend: Artikel wie diese dienen der Verächtlichmachung von als natürlich konstruierten Gruppen und sieht ihr Verhalten als natürlich determiniert an. Syrer könnten gar nicht anders als Frauen zu hassen. Flüchtlinge sind nun mal gewalttätig. „Der Islam“ ™ will „uns“ nun mal überrennen. Gleichzeitig werden all diese Attribute von der „eigenen“ Gruppe abgewendet. „Die Europäer“ sind demnach nicht frauenfeindlich, gewalttätig und nie ging Imperialismus von den achso hochzivilisierten Ländern aus. Die „eigene“ Gruppe ist geschlossen gut und wunderbar, während „die Anderen“ schlecht und schändlich sind.

Volker Weiß hat alles dazu gesagt, was es zu sagen gibt:

Seine Figur [die des Gutmenschen Anmk.] ist komplementär zum Vorwurf der Zensur konzipiert, als populäre Phantasmagorie ist der ‘Gutmensch’ der Akteur gefühlter Repression. Aufgrund seiner nie spezifizierten Macht kann der Rassist nicht mehr ungestört sagen, ‘Neger’ seien alle faul, der Antisemit fürchtet einen Ordnungsruf für seine Ansicht, dass Juden ‘schachern’ und selbst die Bemerkung, Homosexualität sei ‘widernatürlich’, kann wegen der Gutmenschen nur im Untergrund kursieren. Zur Unterdrückung des allgemeinen Menschenrechts auf diskriminierende Sprache setzt der Gutmensch seine schwerste Waffe ein: die Kritik. Daher wird sein Wirken gerne mit dem Dritten Reich oder der DDR gleichgesetzt, die demzufolge äußerst kritikfreudig gewesen sein müssen.
(Volker Weiß in „Deutschlands Neue Rechte“ über den Begriff des „Gutmenschen“)