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Der Verfassungsschutzbericht als Farce und Tragödie – Teil 1: Rechtsextremismus

Alle Jahre wieder flattert der Bericht des österreichischen Verfassungsschutzes ins Haus. Auf heißen 87 Seiten rechtfertigt er seine Existenz. Allerdings mit Falschannahmen, ungenügender Recherche und reinen Unterstellungen. Vorangestellt soll werden, dass der Verfassungsschutz an sich eine zweifelhafte Institution ist, deren Sinnhaftigkeit in Frage gestellt werden muss. Die Praxis zeigt, dass er vor allem dazu dient linken Protest zu sanktionieren. Trotzdem möchte ich darlegen, warum der diesjährige (und eigentlich auch alle voraus gehenden) österreichische Verfassungsbericht besonders lächerlich ist.

Themenbereich Rechtsextremismus

Der Bericht zum Rechtsextremismus erstreckt sich auf ganzen 6 1/5 schmalen Seiten. Er ist geprägt von Relativierungen und Banalisierungen. Auffallend ist, dass keine einzige Organisation, Person, Zeitschrift, Veranstaltung oder Homepage mit Namen genannt wird, außer Alpen-Donau.info. Der Fall wird aber als erledigt angesehen. Der allgemeine Tenor lautet, dass die rechtsextreme Szene belanglos ist, auf keinem hohen ideologischen oder organisatorischen Niveau ist und kaum in Erscheinung tritt. Als größtes Gefahrenpotential wird das Aufeinandertreffen von Rechtsextremen und „Linksextremen“ gesehen. Das ist der erste, sehr indirekte, Hinweis auf den WKR-Ball, der nie namentlich im Zusammenhang mit Rechtsextremismus genannt wird. Erwähnt wird hier nicht einmal Albrecht Konecny, der von Neonazis im Umfeld des WKR-Balls brutal zusammengeschlagen wurde.

Die Burschenschaften

Burschenschaften kommen seit der schwarz-blauen Regierung und der Etablierung des schwarzen Innenministeriums gar nicht mehr vor. Ein Kniefall vor dem (zukünftigen) Koalitionspartner. Dabei spielen sich spannende Dinge innerhalb der burschenschaftlichen Szene ab, die auch für den Verfassungsschutz von Belang sind. Der Burschentag letztes Jahr in Eisenach zeigte die deutliche Spaltung, die durch die Deutsche Burschenschaft, den Dachverband, bei dem die allermeisten österreichischen Burschenschaften dabei sind, geht. Alle Burschenschaften in diesem Dachverband sind stramm rechts, männerbündisch und deutschnational. Innerhalb dieses netten Haufens tun sich aber die österreichischen Burschenschaften samt Freundchens (Danubia München, Raczecks zu Bonn z.B.) als besonders unerträglich hervor. So unerträglich, dass viele der Anderen nichts mehr mit ihnen zu tun haben wollen. Auslöser war einerseits die Verunglimpfung des evangelischen Theologen und Naziopfers Bonhoeffer in den Burschenschaftlichen Blättern, dem offiziellen Organ der Deutschen Burschenschaft, durch Schriftleiter (aka Redakteur) NorbertWeidner (Mitglied der Raczeks). Er wurde mittlerweile rechtskräftig verurteilt. Andererseits wurde bei diesem Burschentag die Wiener Teutonia zur Vorsitzenden gewählt. Die Teutonia gilt selbst in der Deutschen Burschenschaft als extrem rechts und viele deutsche Burschenschaften konnten und wollten da nicht mit. (Was sie nun nicht zu den netten Demokraten von nebenan macht) Drittens wurde schon im Jahr davor heftig über die Wiedereinführung von „Arier“-Nachweisen diskutiert, der u.a. von den genannten Burschenschaften gefordert wurde. Die DB hat eine lange Tradition von Ariernachweisen, der erst auf Druck iberalerer Verbände gefallen ist. (Im Abtausch wurde die Pflichtmensur als männlicher Intiationsritus beibehalten) All das und besonders das Vorgehen der WKR-Burschenschaften und der Arminia Czernowitz in Linz hätte den Verfassungsschutz durchaus interessieren können – tat es aber nicht. Den Deutschen übrigens schon.

Wer noch fehlt

Es fehlt auch das Objekt 21 im Bericht des Verfassungschutzes. Verhaftet wurden die Mitglieder erst dieses Jahr, aber Kenntnis vom Objekt 21 muss auch der Verfassungsschutz schon lange vor der Verhaftung gehabt haben. Stoppt die Rechten hat eine gute Chronologie von Medienberichten und Entwicklungen. Neonazis, die im organisierten Verbrechen stecken und Waffen bunkern, scheinen nicht allzu relevant für den Verfassungsschutz zu sein. Auch die Identitären und der Funke (der rechte) werden nur der Form halber angedeutet. Sehr hatschert wird versucht, Kameradschaften und Neue Rechte gleichzusetzen und ihnen ein niedriges ideologisches Niveau zuzuschreiben. Damit beweist der Verfassungsschutz endtgültig, dass er keine Ahnung hat. Wer sich für eine sinnvolle Darstellung der Neuen Rechten interessiert, dem_der empfehle ich diesen Artikel oder gerne auch meine Diplomarbeit: Natascha Strobl – Theorie und Strategie der Neuen Rechten am Beispiel des Funken. Diplomarbeit Universität Wien 2012. Rechtsextreme Fußball-Fanclubs, wie etwa die Unsterblichen der Wiener Austria, die mit eindeutigen Symbolen auffallen, fehlen ebenso.

FPÖ

In der wissenschaftlichen Literatur ist es weitgehend anerkannt, dass die FPÖ eine rechtsextreme Partei ist. Sie gilt sogar als Protoytyp und es gibt viele vergleichende Studien, die analysieren, ob andere Parteien genauso rechtsextrem sind wie die FPÖ.  Wenn der Verfassungsschutz davon spricht, dass es keine rechtsextremen Parteien gäbe, dann funktioniert das nur mit zwei zugedrückten Augen und Watte in den Ohren. Dass nicht einmal das Umfeld der FPÖ, welches wiederholt durch klar neonazistische Taten auffällt, erwähnt wird, ist mehr als bedenklich. Vor allem, wenn im Gegenzug beim Linksextremismus sehr wohl parlamentarische Parteien angedeutet, wenn auch nicht namentlich erwähnt werden.

NSU

“Die in Deutschland im Jahr 2011 bekannt gewordenen Taten der Gruppierung „Nationalsozialistischer Untergrund (NSU)“ haben gezeigt, dass eine grundsätzlich nach allen möglichen Richtungen offene und für staatsschutzrelevante Phänomene sensibilisierte Ermittlung auch ein Schlüssel zur Früherkennung der Herausbildung von rechtsterroristischen Strukturen sein kann. Im Rahmen der präventiven Arbeit der Sicherheitsbehörden wird daher die Sensibilisierung der eigenen Reihen weiterhin einen besonderen Schwerpunkt bilden.”

Bei diesem Absatz bleibt einem nur noch der Mund offen stehen. Die rassistischen Ermittlungen in Sachen NSU sind der Höhepunkt der Dreistigkeiten des deutschen Verfassungsschutzes. Anstatt in Richtung Rechtsextremismus zu suchen, wurden die Opfer auch noch nach ihrem Tod verhöhnt indem der Verfassungsschutz sie in ein kriminelles Eck gestellt hatte und die Morde als Verbrechen in der organisierten Kriminalität oder dem Drogenmilieu hingestellt wurden. Für die Angehörigen war diese Situation natürlich sehr belastend und erst im letzten Jahr gab es eine offizielle Entschuldigung der Politik. Wenn also der österreichische Verfassungsschutz schreibt “nach allen Seiten offene Ermittlungen” wie bei der NSU sind ein Vorbild, dann ist das purer Hohn. Die NSU-Ermittlungen war die größte Pannenserie des deutschen Verfassungsschutzes seit sie offiziell nicht wussten, dass der Naziverbrecher Klaus Barbie auf ihrer Gehaltsliste als Informant steht. (Kleine Anmerkung: Ja, der deutsche Verfassungsschutz hat eine grandiose Geschichte. Tipp: Nazis im BND. Dokumentation: http://www.youtube.com/watch?v=UF1OYk6wz5U)

 

Als abschließenden Hohn gibt es eine völlig diffuse Aufzählung von Straftaten, von denen nur 56,4% als rechtsextrem, aber 26,2 % als unspezifisch eingestuft worden sind. Dazu zählt aber der Verkauf von NS-Devotionalien. Eine genaue Definition, was eine Kategorie von der anderen klar abgrenzt, bleibt der Verfassungsschutz genauso schuldig wie die Definition von Begrifflichkeiten.

Teil 2 zu “Linksextremismus” hier

2 thoughts on “Der Verfassungsschutzbericht als Farce und Tragödie – Teil 1: Rechtsextremismus

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