Das fragen sich gerade viele in der Sozialdemokratie. Es liegt auf der Hand: Die große Koalition ist tot. Ein Weiterwursteln würde bedeuten, dass die FPÖ beim nächsten Mal ziemlich sicher um Platz 1 mitspielt. Sie muss gar nix machen, sondern nur genüsslich zuschauen. Die ÖVP ist eine gehässige, niederträchtige Partei, die wirklich nur die Interessen von ein paar Großanlegern, Großbauern und Waffenhändlern im Sinn hat. Noch dazu mit einem Personal, wo einem das Speiben kommt. Bloß keine Große Koalition mehr. Also rot-blau?
Die FPÖ ist sozialpolitisch links
Der erste Fehler ist die recht absurde Behauptung, dass die FPÖ sozialpolitisch links sei. Wo fangen wir an, das zu widerlegen? Etwa damit, dass eine Partei nicht in einem Bereich links und in anderen halt a bisserl rechtsextrem sein kann. Aber hey, wenn wir nur auf den einen Bereich schauen, dann können wir auch einfach vergessen, dass die sonst am liebsten Abstammungspässe einführen wollen oder sich als Blutsdeutsche fühlen. Ist ja nicht so schlimm, wenn man dafür ein Lehrerdienstrecht oder einen Mindestlohn beschließen kann. Die FPÖ ist nicht links, in keinem Bereich. Dass rechtsextreme Parteien so etwas wie einen Wohlfahrtsstaat von rechts (Oft gepaart mit einer protektionistischen Haltung in Sachen Wirtschaftsstandort) wollen, ist jetzt nichts rasend Neues. Selbst antikapitalistische (Nur fürs Protokoll: das macht die FPÖ nicht) Haltungen gibt es von rechtsextremer Seite, auch schon vor hundert Jahren. (Die haben sich in der NSDAP nicht durchgesetzt, aber bei Interesse mal bei Ernst Niekisch nachlesen) Lange Rede, kurzer Sinn: die FPÖ ist trotz einer eigenen Vorstellung eines Wohlfahrtsstaates nicht links. Denn es hilft nichts nur die Perspektive des weißen Industriearbeiters miteinzubeziehen, auch wenn es verlockend ist. Ein großer Teil des Proletariats/der Unterschicht/wieauchimmerihrdazusagenwollt ist migrantisch, darf nicht wählen, hat keine Stimme in der Politik und ist großen Anfeindungen ausgesetzt. Doppelte und dreifache Diskriminierungen, die einander potenzieren, sind die Folge. Das sind aber jene Leute auf die eine echte Arbeiter_innenpartei schauen und nicht als Handpfand für eine Regierung fernab einer Großen Koalition verkaufen sollte. Die FPÖ hat kein Interesse an einer geschlossenen, organisierten Arbeiter_innenschaft, im Gegenteil. Sie bemüht sich letztendlich um das Selbe wie die ÖVP (und wahrscheinlich jede andere Partei): Aufhebung von Klassengegensätzen blablabla. Die FPÖ kanalisiert den Unmut, ist aber keine echte Arbeiter_innenpartei. Das ist ambivalent, ist aber so und liegt am Versagen von Alternativen. Wenn wir uns ansehen, was die FPÖ sozialpolitisch mit den Frauen vorhat – paw, schon sind wir tief in einer sehr reaktionären Denkweise drin. Wenn wir also den Blick wirklich so verengen und uns nur anschauen was die FPÖ „sozialpolitisch“ vorhat, dann würde es auch helfen auf so „unbedeutende“ Gruppen wie Frauen oder Migrant_innen zu schauen. Die werden von der „linken“ FPÖ nix zu spüren bekommen.
Strategische Überlegungen
Die FPÖ jetzt in die Regierung zu holen, wäre ein kaum wieder gut zu machender strategischer Fehler. Wenn ich mir den historischen Schlenker erlauben darf: Wann hat es jemals geholfen eine rechtsextreme Partei in Krisenzeiten in die Regierung zu holen? Fragen wir in Weimar oder Rom nach… Geschichte wiederholt sich nicht (und wenn dem so ist, können wir überlegen, ob wir bei der Tragödie oder der Farce sind), aber die Mechanismen bleiben die Selben. Wir sind in ärgeren Zeiten, als es die behäbigen Auseinandersetzungen um Begegnungszonen und Bienen in der österreichischen Innenpolitik vermuten lassen. Wer glaubt, Griechenland und Spanien gehen „uns“ nichts an, der_die wird sich noch arg wundern. Was soll es nun bringen, eine rechtsextreme Partei, die ein gewisses Momentum für sich hat, dafür zu belohnen, dass sie so ist wie sie ist? Kommt die FPÖ in die Regierung, noch dazu mit der Sozialdemokratie, wird sie von allem profitieren was gelingt. Da einen Mindestlohn eingeführt, da ein paar Flüchtlinge brutal abgeschoben; dort die Pensionen erhöht und weiter drüben ein paar Roma-Campingplätze geräumt. Vielleicht stürzt die Sozialdemokratie sogar bei den nächsten Wahlen nicht weiter ab, aber dazugewinnen wird die FPÖ. Denn alles ist besser als Große Koalition. Damit wird aber eine Regierungsbeteiligung der FPÖ zur etablierten Alternative. Das heißt auch, dass sie in Justiz- oder Innenministerium (eines wird sie wohl bekommen) Linke jetzt auch staatlich finanziert terrorisieren darf. Es heißt, dass erst recht niemand hinschaut, wenn Leute zusammengeschlagen werden und es heißt, dass auch in den nächsten Jahren die staatlichen Sicherheitsbehörden von „keiner relevanten Naziszene“ ausgehen, selbst wenn die mit Einsatz-Squads, wie in Griechenland, durch die Straßen rennen oder es No-go-Areas gibt oder, völlig aus der Luft gegriffen, Nazis im organisierten Verbrechen tätig sind und in einem Objekt (21) Waffen bunkern. Eine Regierungsbeteiligung stärkt die FPÖ und hilft ihnen, ihre Agenda durchzusetzen und die ist auf keiner Ebene links. Jene, die sie in die Regierung holen, machen sich zum Steigbügelhalter. Darüber hinaus hilft das gar nix, um die Stimmen der Arbeiter_innen zurück zu holen. Wie soll das denn gelingen? Die denken sich ja nicht: „Hey, die Partei, die ich gewählt hab ist grad in der Regierung und macht gute Sachen für mich – ich werd das nächste Mal wohl eher wieder eine andere wählen“.
Was tun?
Tja, das ist große Frage. Große Koalition – FPÖ schaut lächelnd zu und gewinnt. Rot-Blau- alles, was gut ist hilft der FPÖ, SPÖ rettet sich vlt in Stagnation oder leichte Gewinne (und es zerreißt die Partei, aber das nur so am Rande). Also was tun? Es ist immer etwas unsympathisch zu sagen: nänänä, ich habs euch ja gesagt, aber diese Situation war absehbar und es hätte schon viel früher etwas gemacht gehört. Es ist zu spät die FPÖ nur beleidigt anzuschauen, den Kopf zu drehen und nichts mit ihr zu reden. Das hätte vielleicht in den späten 80ern oder so was gebracht, aber wahrscheinlich wäre so ab den 50ern noch besser gewesen. Zumal die Zusammenarbeit ja schon da ist. Viele Gesetze werden einstimmig beschlossen und da gibt es natürlich Gespräche. Auch die Opposition arbeitet durchaus eng zusammen. Ja, liebe Grüne, die jetzt wieder nur Empörung und sonst gar nichts, können: Die Grünen arbeiten auch sehr eng mit der FPÖ zusammen. Wer hat denn einen gewissen Herren Rosenkranz zum Vorsitzenden des Untersuchungsausschusses gewählt? Wer hat in der Wiener Opposition einen notariell beglaubigten Pakt geschlossen? Die Empörung ist bloße Heuchelei, vor allem wenn so hervorragende Leute wie Karl Öllinger raus gehauen werden. Es braucht einen realen politischen Kampf gegen die FPÖ. Das funktioniert weder mit Angst und Ignorieren noch mit moralinsaurer Empörung. Auf der einen Seite braucht es eine Partei, die radikal für jene einsteht, die eben nicht gut durch die Krise gekommen sind. Für die, die jeden Tag um ihre Arbeitsplätze zittern, keinen mehr haben oder schauen müssen, dass sie nicht um die Mindestsicherung umfallen, weil sie einen Termin irgendwo verpasst haben. Das ernsthaft anzugehen muss oberstes Gebot für eine Arbeiter_innenpartei sein. Keine Beschwichtigungen, kein mutloses Gewäsch sondern auch gegen viel Gegenwind die verteidigen, die sich nicht via hochbezahlten Lobbyvereinen selbst verteidigen können. Zum zweiten: Endlich den Kampf gegen die FPÖ aufnehmen. Das heißt nicht nur punktuell aufzuzeigen, wo die FPÖ überall drin ist. Das heißt auch so Sachen wie Aussteigerprogramme finanzieren. Wer heute in Österreich in der Naziszene drin ist, hat fast keine Chance wieder raus zukommen. Warum sich die Republik das leistet, ist unerklärlich. Das heißt Förderungen einstellen. Das heißt auf allen Ebenen und allen Ecken und Enden der extremen Rechten den Kampf anzusagen. Dazu braucht es Wissen, Mut, Überzeugung und Rückgrat. Ob das jemand aktuell aufbringt, darf dahingestellt bleiben.