Überraschend hat der Wiener Bürgermeister nun einen Vorschlag, wie mit den Identitären umzugehen ist: Verbieten. Das hat durchaus etwas Amüsantes. Wirklich. Lassen wir das kurz sacken. Drehen wir es kurz nocheinmal schön funkelnd im Kopf herum. Ích lass euch noch kurz Zeit. Was für eine wunderbare Welt das wäre. So.
Und jetzt zum Spiele verderben. Ein Verbot der Identitären geht am Problem vorbei. Es führt zu Nichts und ist ein Scheingefecht. Unter Umständen kann es sogar kontraproduktiv sein. Ein ernthaftes Verbotsverfahren (falls das neben Verbalradikalismus überhaupt die Intention war), das scheitert bedeutet nämlich ein Erfolgserlebnis für die gesamte rechtsextreme Szene. Schon in Deutschland bei der NPD (wo es daran scheiterte, dass der Verfassungsschutz nicht mehr wusste welche Nazis von ihnen und welche von der NPD selbst bezahlt werden) hat man gesehen, dass soetwas hinderlich ist. Hinzukommt, dass die Chance bei der NPD wohl ungleich höher war, als es bei den Identitären ist, dass soetwas durchgeht. Die Notwendigkeit ist auch viel höher, da sich die NPD über Parteiförderung etc finanziert, was bei den Identitären nicht der Fall ist (und wenn von den Förderungen einer anderen Organisation/Partei und nicht an sie direkt).
Es gibt aber noch einen weiteren viel triftigeren Grund. Ein Verbot verschleiert den Kern dessen was die Identitären und die Neue Rechte sind. Ein Verbotsverfahren nach Verfassungsfeindlichkeit geht von einer extremen, isolierten Gefahr aus einem rechten „Eck“ für die Demokratie aus. Das mag auch so sein und in gewissen Fällen mag es eine durchaus sinnvolle Maßnahme sein (auch wenn Radikalisierung, Abtauchen in den Untergrund etc mitbedacht werden müssen), aber bei der Neuen Rechten funktioniert dieses Modell nicht. Es gibt keine „gute“ bürgerliche, neutrale Mitte, die von rechts passiv bedroht wird. Die Ideologie und Narrative der Identitären sind mitten drin in dieser Mitte. Das soll keine Überhöhung des Stellenwerts der Identitären sein, sie haben wenig bis nichts dazu beigetragen. Aber eine wieder erstarkte Neue Rechte, die mit den Sarrazins, Unterbergers und Pirinçcis dieser Welt große Aushängeschilder hat, ist so gefährlich, weil ihre Protagonist_innen eben genau dieser „Mitte“ entstammen. Das sind nicht ein paar dumme Glatzen, sondern Uniprofessor_innen, Zeitungsherausgeber_innen, Autor_innen usw. Es geht ihnen um Diskursverschiebung. Es ist wichtig zu begreifen, dass sich diese Diskursverschiebung nach rechts nicht mit einem Verbot abschütteln lässt. Es ist auch wichtig zu begreifen, dass es keine klare, eiserne Trennlinie zwischen bürgerlichem, konservativen und rechtsextremen Lager gibt. Beide bedienen die selben Diskurse und arbeiten offen zusammen. Die Identitären hatten schon Auftritte bei FPÖ und AfD, ihre etwas erwachseneren Buddies von Sezession, blaue Narzisse und Junge Freiheit sind mitten drin in einer Szene, der auch CDU/CSUler_innen, CVler und der Rest der „Das wird man doch noch sagen dürfen“-Fraktion angehören.
Die Identitären sind hier der aktionistische und weniger der theoretische Arm dieser Szene, die sich sehr im Fluß befindet und eine gewisse Dynamik für sich hat. Aber sie gehören zu dieser Szene und ein Verbot mag amüsant sein, löst aber nicht das Grundproblem: Diskurse der Ungleichheit und Ungleichwertigkeit sind nicht auf isolierte, versprengte Neonazizellen beschränkt.
Das stimmt leider und das Problem ist schwieriger Natur.
Ein Liberaler regt sich z.B. auf, dass Steuergeld für einen Fahrradverein für Migrantinnen seiner Meinung nach verschwendet wird. Dieser Liberale hat nichts gegen Migrantinnen, er ist wahrscheinlich dafür, dass es bessere Bildungsangebote und Berufsangebote für Migrantinnen gibt, aber er findet diese Ausgabe von Steuergeld sinnlos, genauso wie den Heimatverein, Alpenverein, Blasmusikkapelle.
Der rechts-konservative findet den Verein für Migrantinnen auch schlecht, aber aus ganz anderen Gründen.
Ein liberaler will mehr Sprachbildung für Migrant_innen z.B., damit sie bessere Berufschancen haben, ein rechts-konservativer will, dass sie sich mehr in das, was er unter Kultur versteht, integrieren. Manche rechtskonservative billigen mit Integration bessere Chancen auch gleichzeitig zu, andere wiederum nicht.
Wenn man nicht genau hinhört ist es schwierig den Background zu erkennen und selbst dieser ist nicht mehr klassisch links – rechts tolerant/liberal – nationalistisch/xenophob, sondern bei vielen Leuten fragmentiert.