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Forum besorgter Bürger – ORF bietet Rechtsextremen ein Forum

Das ORF-Bürgerforum am 24.11.2015 hatte leider viele lowlights zu bieten. Unkommentiert und ungeprüft wurden irgendwelche wilden Gerüchte als „Meinungen“ präsentiert und dies als gleichwertig neben den realen Erfahrungen von Geflüchtete und Geflüchtetenhelfer_innen präsentiert. Der Bericht einer Frau, die jeden Tag mit Geflüchteten zu tun hat und von den Wünschen nach Deutschkursen (von denen zu wenige vom Integrationsministerium bereit gestellt werden) berichtet, stand gleichwertig neben Aussagen wie „Ich war einmal in Afrika, deswegen kann ich nicht rassistisch sein. Ich habe aber gehört, die Flüchtlinge verweigern Essen. Das ist undankbar.“ Damit wird das Leben und die Existenz von flüchtenden Menschen auf bösartige Gerüchte reduziert, bei denen kein Platz mehr für reale Erfahrungen und Empfindungen ist. In einer Schulklasse würde man das schlicht Mobbing nennen. Das Unfaire daran ist nämlich: Egal was du tust oder sagst, du kannst dich nicht rausretten, weil es so oder so gegen dich ausgelegt wird. Reagierst du nicht, dann muss es ja stimmen. Verteidigst du dich, ist das auch ein Beweis für die Wahrheit der Gerüchte, denn sonst würdest du ja nicht so empfindlich reagieren. Und immer wilder spinnen sich die bösen Verleumdungen.

Nur sind wir hier nicht in einer Schulklasse und das Ganze ist nicht mit einem Schulwechsel beendet. Nein, diese Bösartigkeiten finden im Fernsehen zur besten Sendezeit statt und richten sich aufs Niederträchtigste gegen eine bestimmte Gruppe von Menschen, die besonders schutzlos sind – Geflüchtete. Es ist die bewusste Abwertung anhand von Halbwahrheiten und Unterstellungen. Dabei wird „das Andere“ konstruiert. Geflüchtete und Muslime werden zu einem „barbarischen“ (dieses Wort fiel) Gegenstück zu der ach-so-aufgeklärten und liberalen österreichischen Gesellschaft konstruiert.
Soweit, so wenig neu. Leider.

Bekannter Rechtsextremer bekommt Bühne

Neu ist hingegen, dass einer der bekanntesten Rechtsextremen Österreichs mir nichts dir nichts vor der Kamera seine rassistische Propaganda von sich geben darf. Alexander Markovics ist Obmann der rechtsextremen Identitären Bewegung Österreichs.

Markovics als legitimer Gesprächsgast im ORF-Bürgerforum (Screenshot)

Markovics als legitimer Gesprächsgast im ORF-Bürgerforum (Screenshot)

Markovics (eingringelt) bei der Besetzung des sächsischen Landtags bei einer Pegida-Demonstration in Dresden im Januar 2015 (Screenshot)

Markovics (eingringelt) bei der Besetzung des sächsischen Landtags bei einer Pegida-Demonstration in Dresden im Januar 2015 (Screenshot)

Die Identitären sind das erfolgreichste außerparlamentarische Projekt des Rechtsextremismus in Österreich der letzten Jahren. Wobei Erfolg natürlich mit Anführungszeichen zu verstehen ist. Erfolg in diesem Milieu bedeutet Demonstrationen abzuhalten, bei denen unverhohlen nach einer ethnischen Säuberung Europas in Form einer „Reconquista“ gerufen wird. Oder vor Flüchtlingsunterkünften zu stehen und Geflüchteten zynische Zetteln in die Hand zu drücken mit der Aufforderung, sie mögen doch bitte wieder „nach Hause“ gehen (und sich dort vom Daesh oder Assads Armee umbringen lassen).

Solche Gestalten bekommen also nun zur besten Sendezeit ein Forum für ihre krude Sicht der Dinge (die Regierung und die Flüchtlinge, die vor dem Daesh fliehen, sind irgendwie Schuld am Daesh). Das ist nicht nur peinlich und unprofessionell, das zeigt auch wie anfällig ein Konzept wie das Bürgerforum für Agitation von Rechtsextremen ist. Unter dem Deckmäntelchen der „besorgten Bürger“ wird Menschenfeindlichkeit verbreitet. Das ist wie Pegida, nur als Fernsehformat.

Warum man mit Rechtsextremen nicht redet

Gemeinhin wird gerne behauptet, man müsse Sorgen und Ängste verstehen. Das ist zumeist ein Code für „machen wir rechte Politik bevor es die Rechten tun“. Auf der anderen Seite werden Menschen mit rechten Einstellungen gerne als dummer, instinktgetriebener Mob dargestellt. Beides ist falsch. Ja, mit Menschen mit diffusen Ängsten und rechten Versatzstücken in ihrem Denken kann/muss/soll man reden, noch besser: Politik machen, die Ängste vor sozial prekären Lagen verschwinden lassen.
Aber man muss rechtsextremen Kadern keine Bühne bieten. Man muss sie nicht einladen und sie nicht reden lassen. Bei Parteien ist so etwas schwer vermeidbar, obwohl sich in Deutschland gezeigt hat, dass ein konsequentes Ignorieren der NPD von Seiten etablierter Medien (bis vor kurzem) Wirkung gezeigt hat. Aber die FPÖ ist nicht die NPD. Und die AfD zeigt auch gerade in Deutschland, dass sie viel Sendezeit bekommt, weil sie sich geschickter anstellt, als die Kameraden der NPD.

Gestern wurde aber über die FPÖ-Meinung hinaus zusätzlich einem bekannten Rechtsextremen Platz geboten. Das hat Strategie. Damit wollen sich Rechtsextreme salonfähig machen und als „kontroverse“ aber legitime „Diskussions“partner_innen fungieren. Eine Diskussion mit Rechtsextremen kann aber nie zu Stande kommen, da sie daran ja gar nicht interessiert sind. Es geht nur darum die eigenen, menschenfeindlichen Aussagen einem möglichst großen Pubikum darzubieten. Und das im Idealfall unwidersprochen, wie beim Bürgerforum geschehen.

Es ist ein großes Missverständnis zu glauben, dass die Entscheidung, jemandem kein Forum zu bieten irgendeine Art von Zensur ist. Das ist es nicht. Denn es waren sicher nicht „alle Stimmen“ vertreten. (Linke Stimmen fehlen im ORF zum Beispiel oft völlig.) Es ist eine bewusste politische Entscheidung, wem man die Gelegenheit zur Selbstdarstellung gewähren will. Hier aus einer extremiusmustheoretischen Sicht der Dinge zu sagen „wenn antirassistische Menschen zu Wort kommen, dann brauchen wir auch Vertreter der extremen Rechten“ ist höchstens ein weiterer Beweis dafür, wie fetzendeppert die Extremiusmustheorie ist.

Zumal es ja nicht so ist, als würden rassistische Meinungen nur im Untergrund kursieren und leise geflüstert unter Eingeweihten verbreitet werden. Nein, wir erleben ein Trommelfeuer an Abwertung und Hass auf Muslime und auf Geflüchtete. Und der ORF hat sich entschieden, einem der lautesten Schreier dieses Menschenhasses eine Bühne zu bieten.

Wer dagegen protestieren will, kann ein Mail an buergerforum (ät) orf.at schreiben

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