Der Verfassungsschutzbericht als Farce und Tragödie – Teil 2 “Linksextremismus”

Teil 1- Rechtsextremismus hier

Der Bericht zu Linksextremismus ist in einem ganz anderen Stil geschrieben, als jener zu Rechtsextremismus. Er fängt gleich einmal damit an, ein Bild linker Gewaltäter_innen zu zeichnen und Ängste zu schüren. Die Linke wird dämonisiert.

 Was sich bei den Linken alles im Bericht findet

Antifaschismus, gegen Rechts, Kapitalismuskritik, das Ansprechen von sozialen und gesellschaftlichen Problem sowie das Thematisieren der Wirtschaftskrise. Diese Fülle an Themen findet sich im Bericht zum „Linksextremismus“ plötzlich wieder. Während beim Rechtsextremismus nichts konkret angesprochen wird, wird bei Linken alles aufgezählt und alles als verdächtig angesehen, selbst die banalsten Dinge. Damit wird insinuiert, dass all die aufgezählten Beweggründe irgendwie anrüchig oder illegal wären. Kritiken am Asylwesen, an der sozialen Lage oder am Wirtschaftssystem fallen genauso darunter. Verbunden wird das immer mit dem Andeuten von Gewalt. Damit folgt der Verfassungsschutz praktischerweise der Linie, die von vielen zivilgesellschaftlichen Organisationen vorgegeben wurde. Eine Trennung des Protests in „gut“ und „böse“. Gut = Zivilgesellschaft, böse = die Linke. Doch das rettet die Zivilgesellschaft natürlich nicht. Das Anbiedern hat nur insoweit etwas gebracht, als dass ein gewaltvolles Bild der Linken gezeichnet wird und jeder Protest eine Gefahr für die öffentliche Ordnung und deswegen illegitim ist. Die Zivilgesellschaft kommt aber trotzdem vor. Sie wird beiläufig erwähnt. Aber sie steht im Verfassungsschutzbericht. Auch „parlamentarische Parteien“ stehen drinnen. Der Verfassungsbericht ist ja keine Erzählung über das schönste Urlauberlebnis, sondern die bewusste politische Entscheidung, Parteien und die Zivilgesellschaft in diesen offiziellen Bericht hinein zu schreiben. So etwas fehlt beim Rechtsextremismus gänzlich. Da wird nicht von einer „politischen Partei“, nicht einmal dem „Umfeld einer politischen Partei“ gesprochen, was mehr als verdient gewesen wäre. Aber unter „Linksextremismus“ werden sowohl Parteien (wenn auch nicht namentlich, aber es ist klar, wer gemeint ist) als auch die Zivilgesellschaft erwähnt. Auch Veranstaltungen werden erwähnt – blockupy und der WKR-Ball. Letzterer kommt im gesamten Bericht ganze vier Mal vor. Immer im Zusammenhang mit „Linksextremismus“.

Es wird quasi alles aufgezählt, was es an Protesten gegeben hat, auch wenn diese völlig legal waren und es zu keinen Ausschreitungen gekommen ist. So wird eine Gegendemo zu einer Anti-Abtreibungs-Demo erwähnt, die Anti-Abtreibungsdemo wird aber nicht beim „Rechtsextremismus“ erwähnt. Ein völlig hirnrissiger „Bombenschlag“ wird im Zusammenhang mit dem WKR-Ball angedeutet, weil jemand eine Flüssigkeit dabei hatte, die nicht sofort identifiziert werden konnte. Das Verfahren wurde eingestellt, trotzdem steht dies im Verfassungsbericht. Damit wird die Propaganda der Burschenschaften in klassischer Täter-Opfer-Umkehr bedient. Sogar die Erwähnung der Wirtschaftskrise auf Homepages findet sich im Bericht des Verfassungsschutzes wieder. Mensch wird das Gefühl nicht los, dass der Linken als nächstes vorgeworfen wird, dass sie atmen, öffentliche Verkehrsmittel benutzen oder Bücher in der ÖGB-Buchhandlung kaufen. Egal, was Linke machen – es findet Eingang in den Verfassungsschutzbericht. Immer schwingt der Vorwurf der Gewalt (v.a. gegen Polizist_innen – und wir wissen alle, wie die Robocops v.a. bei WKR-Ball-Demos drauf sein können) mit. Gute Arbeit, Zivilgesellschaft, das habt ihr zu verantworten. Richtig abstrus wird es, wenn irgendwelche Zahlen präsentiert und als „vermutete linksextreme Straftaten“ betitelt werden, bei einer Aufklärungsquote von 26,2%. Teesudlesen wäre in etwa genauso exakt, eine wissenschaftliche Vorgehensweise ist etwas Anderes.

Extrem.is.Mus.

Dabei gilt es schon die zugrunde liegende Annahme der Existenz dieses bösen Muses zu hinterfragen, das Extremis-Mus. In der Extremismus-Theorie gibt es eine gute, unpolitische, anzustrebende Mitte. Auf beiden Seiten gibt es äquidistant ein richtig böses Spektrum, das aber jeweils die Verfassung nicht überschreitet. Das sind… (Zeit zum Luftholen)… Radikale. Dann gibt es noch die richtig, richtig üblen Jungs und Mädels, das sind die Extremist_innen, die sich außerhalb des Verfassungsbogens bewegen und das absolute Böse darstellen. Für den Verfassungsschutz und die Extremismustheorie ist es dabei völlig egal, ob links oder rechts und rinks oder lechts – alle böse, böse, böse. Es macht keinen Unterschied, ob jemand gerne Ausschwitz wieder in Betrieb nehmen möchte oder sich gegen Abschiebungen einsetzt. Es macht keinen Unterschied, ob jemand einen autoritären Staat ohne Wahlen aber dafür mit Führer möchte oder ob das jetzige System als undemokratisch abgelehnt wird. Ich übertreibe nicht einmal, für die Extremismus-Extremist_innen ist das wirklich so. Wer jetzt ein bisschen nachgedacht hat, versteht auch, wem das am Meisten nützt – richtig, den Rechten. Denn es wird gnadenlos geleugnet, dass es eben keinen hermetisch abgeriegelten und isolierten rechten Rand gibt, der Rassismus und Antisemitismus eben nicht für sich gepachtet hat. All das sind Positionen, die große Teile der Bevölkerung teilen, wie die Studie Deutsche Zustände (für Österreich gibt es das leider nicht, so ein Zufall) zeigt. Oder die Sarrazin-Debatte. Oder die Debatte über Refugees. Oder. Oder. Oder. Es geht um Diskurse und die können von Allen bedient werden. Aber das kann der Verfassungsschutz nicht erfassen, ohne sich selbst in Frage zu stellen. Denn dann müssten in Deutschland Teile der CDU/CSU, das Vertriebenen-Zentrum und und und beobachtet werden. Und der Verfassungsschutz in Deutschland ist um einiges professioneller als in Österreich (und das trotz des NSU-Rassismus-Fiaskos). Dort kommen die Burschenschaften und die Junge Freiheit immerhin in den Berichten vor. Es gibt wissenschaftliche Dossiers (149 Seiten!) über die Neue Rechte oder die Autonomen Nationalen. Alles Phänomene, die der österreichische Verfassungsschutz noch nicht einmal gegoogelt hat. Die Extremismustheorie befördert letztendlich den Rechtsextremismus (die Verwendung dieses Wortes ist nicht im Sinne der Extremismustheorie zu verstehen, es gibt nur im Moment kein Besseres. Eine lange Begriffsdefinition wurde letztens erst z.B. im Antifaschistischen Infoblatt geführt).

Der Verfassungsschutzbericht als Farce und Tragödie – Teil 1: Rechtsextremismus

Alle Jahre wieder flattert der Bericht des österreichischen Verfassungsschutzes ins Haus. Auf heißen 87 Seiten rechtfertigt er seine Existenz. Allerdings mit Falschannahmen, ungenügender Recherche und reinen Unterstellungen. Vorangestellt soll werden, dass der Verfassungsschutz an sich eine zweifelhafte Institution ist, deren Sinnhaftigkeit in Frage gestellt werden muss. Die Praxis zeigt, dass er vor allem dazu dient linken Protest zu sanktionieren. Trotzdem möchte ich darlegen, warum der diesjährige (und eigentlich auch alle voraus gehenden) österreichische Verfassungsbericht besonders lächerlich ist.

Themenbereich Rechtsextremismus

Der Bericht zum Rechtsextremismus erstreckt sich auf ganzen 6 1/5 schmalen Seiten. Er ist geprägt von Relativierungen und Banalisierungen. Auffallend ist, dass keine einzige Organisation, Person, Zeitschrift, Veranstaltung oder Homepage mit Namen genannt wird, außer Alpen-Donau.info. Der Fall wird aber als erledigt angesehen. Der allgemeine Tenor lautet, dass die rechtsextreme Szene belanglos ist, auf keinem hohen ideologischen oder organisatorischen Niveau ist und kaum in Erscheinung tritt. Als größtes Gefahrenpotential wird das Aufeinandertreffen von Rechtsextremen und „Linksextremen“ gesehen. Das ist der erste, sehr indirekte, Hinweis auf den WKR-Ball, der nie namentlich im Zusammenhang mit Rechtsextremismus genannt wird. Erwähnt wird hier nicht einmal Albrecht Konecny, der von Neonazis im Umfeld des WKR-Balls brutal zusammengeschlagen wurde.

Die Burschenschaften

Burschenschaften kommen seit der schwarz-blauen Regierung und der Etablierung des schwarzen Innenministeriums gar nicht mehr vor. Ein Kniefall vor dem (zukünftigen) Koalitionspartner. Dabei spielen sich spannende Dinge innerhalb der burschenschaftlichen Szene ab, die auch für den Verfassungsschutz von Belang sind. Der Burschentag letztes Jahr in Eisenach zeigte die deutliche Spaltung, die durch die Deutsche Burschenschaft, den Dachverband, bei dem die allermeisten österreichischen Burschenschaften dabei sind, geht. Alle Burschenschaften in diesem Dachverband sind stramm rechts, männerbündisch und deutschnational. Innerhalb dieses netten Haufens tun sich aber die österreichischen Burschenschaften samt Freundchens (Danubia München, Raczecks zu Bonn z.B.) als besonders unerträglich hervor. So unerträglich, dass viele der Anderen nichts mehr mit ihnen zu tun haben wollen. Auslöser war einerseits die Verunglimpfung des evangelischen Theologen und Naziopfers Bonhoeffer in den Burschenschaftlichen Blättern, dem offiziellen Organ der Deutschen Burschenschaft, durch Schriftleiter (aka Redakteur) NorbertWeidner (Mitglied der Raczeks). Er wurde mittlerweile rechtskräftig verurteilt. Andererseits wurde bei diesem Burschentag die Wiener Teutonia zur Vorsitzenden gewählt. Die Teutonia gilt selbst in der Deutschen Burschenschaft als extrem rechts und viele deutsche Burschenschaften konnten und wollten da nicht mit. (Was sie nun nicht zu den netten Demokraten von nebenan macht) Drittens wurde schon im Jahr davor heftig über die Wiedereinführung von „Arier“-Nachweisen diskutiert, der u.a. von den genannten Burschenschaften gefordert wurde. Die DB hat eine lange Tradition von Ariernachweisen, der erst auf Druck iberalerer Verbände gefallen ist. (Im Abtausch wurde die Pflichtmensur als männlicher Intiationsritus beibehalten) All das und besonders das Vorgehen der WKR-Burschenschaften und der Arminia Czernowitz in Linz hätte den Verfassungsschutz durchaus interessieren können – tat es aber nicht. Den Deutschen übrigens schon.

Wer noch fehlt

Es fehlt auch das Objekt 21 im Bericht des Verfassungschutzes. Verhaftet wurden die Mitglieder erst dieses Jahr, aber Kenntnis vom Objekt 21 muss auch der Verfassungsschutz schon lange vor der Verhaftung gehabt haben. Stoppt die Rechten hat eine gute Chronologie von Medienberichten und Entwicklungen. Neonazis, die im organisierten Verbrechen stecken und Waffen bunkern, scheinen nicht allzu relevant für den Verfassungsschutz zu sein. Auch die Identitären und der Funke (der rechte) werden nur der Form halber angedeutet. Sehr hatschert wird versucht, Kameradschaften und Neue Rechte gleichzusetzen und ihnen ein niedriges ideologisches Niveau zuzuschreiben. Damit beweist der Verfassungsschutz endtgültig, dass er keine Ahnung hat. Wer sich für eine sinnvolle Darstellung der Neuen Rechten interessiert, dem_der empfehle ich diesen Artikel oder gerne auch meine Diplomarbeit: Natascha Strobl – Theorie und Strategie der Neuen Rechten am Beispiel des Funken. Diplomarbeit Universität Wien 2012. Rechtsextreme Fußball-Fanclubs, wie etwa die Unsterblichen der Wiener Austria, die mit eindeutigen Symbolen auffallen, fehlen ebenso.

FPÖ

In der wissenschaftlichen Literatur ist es weitgehend anerkannt, dass die FPÖ eine rechtsextreme Partei ist. Sie gilt sogar als Protoytyp und es gibt viele vergleichende Studien, die analysieren, ob andere Parteien genauso rechtsextrem sind wie die FPÖ.  Wenn der Verfassungsschutz davon spricht, dass es keine rechtsextremen Parteien gäbe, dann funktioniert das nur mit zwei zugedrückten Augen und Watte in den Ohren. Dass nicht einmal das Umfeld der FPÖ, welches wiederholt durch klar neonazistische Taten auffällt, erwähnt wird, ist mehr als bedenklich. Vor allem, wenn im Gegenzug beim Linksextremismus sehr wohl parlamentarische Parteien angedeutet, wenn auch nicht namentlich erwähnt werden.

NSU

“Die in Deutschland im Jahr 2011 bekannt gewordenen Taten der Gruppierung „Nationalsozialistischer Untergrund (NSU)“ haben gezeigt, dass eine grundsätzlich nach allen möglichen Richtungen offene und für staatsschutzrelevante Phänomene sensibilisierte Ermittlung auch ein Schlüssel zur Früherkennung der Herausbildung von rechtsterroristischen Strukturen sein kann. Im Rahmen der präventiven Arbeit der Sicherheitsbehörden wird daher die Sensibilisierung der eigenen Reihen weiterhin einen besonderen Schwerpunkt bilden.”

Bei diesem Absatz bleibt einem nur noch der Mund offen stehen. Die rassistischen Ermittlungen in Sachen NSU sind der Höhepunkt der Dreistigkeiten des deutschen Verfassungsschutzes. Anstatt in Richtung Rechtsextremismus zu suchen, wurden die Opfer auch noch nach ihrem Tod verhöhnt indem der Verfassungsschutz sie in ein kriminelles Eck gestellt hatte und die Morde als Verbrechen in der organisierten Kriminalität oder dem Drogenmilieu hingestellt wurden. Für die Angehörigen war diese Situation natürlich sehr belastend und erst im letzten Jahr gab es eine offizielle Entschuldigung der Politik. Wenn also der österreichische Verfassungsschutz schreibt “nach allen Seiten offene Ermittlungen” wie bei der NSU sind ein Vorbild, dann ist das purer Hohn. Die NSU-Ermittlungen war die größte Pannenserie des deutschen Verfassungsschutzes seit sie offiziell nicht wussten, dass der Naziverbrecher Klaus Barbie auf ihrer Gehaltsliste als Informant steht. (Kleine Anmerkung: Ja, der deutsche Verfassungsschutz hat eine grandiose Geschichte. Tipp: Nazis im BND. Dokumentation: http://www.youtube.com/watch?v=UF1OYk6wz5U)

 

Als abschließenden Hohn gibt es eine völlig diffuse Aufzählung von Straftaten, von denen nur 56,4% als rechtsextrem, aber 26,2 % als unspezifisch eingestuft worden sind. Dazu zählt aber der Verkauf von NS-Devotionalien. Eine genaue Definition, was eine Kategorie von der anderen klar abgrenzt, bleibt der Verfassungsschutz genauso schuldig wie die Definition von Begrifflichkeiten.

Teil 2 zu “Linksextremismus” hier

Das ÖVP-Wahlprogramm mit drei Ausschlägen nach ganz rechts

Analyse des ÖVP-Parteiprogramms aus antifaschistischer Perspektive

Die Mitgliedschaft im UN-Menschenrechtsrat sowie die Vorsitzführung im Europarat (2013/14) und im Wirtschafts- und Sozialrat der Vereinten Nationen (2014) sind für uns eine Chance, um eigene Themenschwerpunkte zu setzen. Der Schutz der Meinungsfreiheit, der Religionsfreiheit und der Rechte von Kindern sind fester Bestandteil der österreichischen Menschenrechtspolitik. Der Dialog der Religionen und Kulturen und der Schutz religiöser Minderheiten, insbesondere der Christen, sind uns als christlichsozialer Partei ein wichtiges Anliegen. Die ÖVP bleibt auch ein traditioneller und verlässlicher Partner für Heimatvertriebene.

(ÖVP-Wahlprogramm Seite 69)

Heimatvertriebene im Gegensatz zu Flüchtlingen

Mit dem Narrativ der „Heimatvertriebenen“ wird versucht, in rassistischer und revanchistischer Manier kontextlos die deutsche Bevölkerung in Tschechien vor 1945 als die wahren Opfer des Zweiten Weltkriegs darzustellen. Ohne Ursache und Wirkung wird so getan, als sei die Rote Armee ’45 quasi aus dem Nichts gekommen und hätte die „brave“ deutsche Zivilbevölkerung vertrieben. Das passt gut in die Entmenschlichung der Roten Armee, die sofort nach dem Zweiten Weltkrieg begonnen hatte. Während die amerikanische, britische und mit Abstrichen französische Armee als „Befreier“ (wenn überhaupt) wahrgenommen wurde, wurde die Rote Armee zu tiergleichen „Untermenschen“ gemacht. Dass dieses Bild noch immer nicht überwunden ist und eine unhinterfragte Wahrheit im kollektiven Gedächtnis der Deutschen (Österreicher_innen sowieso) bildet, zeigt etwa der Film „Der Untergang“. Dort wird der netten, sympathischen Hitler-Sekretärin und vielen „guten“ Nazis die schmutzige, tiergleiche Rote Armee entgegen gesetzt. Im Narrativ der „Heimatvertriebenen“ ist das ganz ähnlich: die „edlen“, „guten“ Deutschen wurden brutal und aus dem Nichts von diesen schmutzigen, unzivilisierten Barbaren aus „ihrem“ Heimatland vertrieben. Kein Wort über die Verbrechen der Wehrmacht und der SS in der Sowjetunion. (Auslöschen ganzer Dörfer, Vergewaltigungen, Folter, Massaker) Kein Wort darüber, wer diesen Krieg begonnen hat. Kein Wort über die wahren Opfer dieses Krieges. Kein Wort darüber, dass ca. 14 Millionen Sowjetsoldat_innen im Kampf gegen den Nationalsozialismus gefallen sind. (Und nein, die Sowjetführung ist nicht zimperlich mit den eigenen Soldat_innen umgegangen)

Unmittelbar nach ’45 wurden also diese „Heimatvertriebenen“ zum Symbol dafür, dass die Deutschen doch irgendwie Opfer gewesen sind. Und sie wurden zu einem großen Machtfaktor vor allem in der deutschen Politik. Die Ostgrenzen wurden von der BRD nie anerkannt, in der Hoffnung in revanchistischer Manier doch irgendwie die Ostgebiete zurück zu bekommen. Die Oder-Neiße-Grenze wurde erst 1990 (!) offiziell anerkannt. Konrad Adenauer bemühte sich redlich, diese zahlenmäßig nicht unwesentliche Bevölkerungsgruppe als Wähler_innen zu gewinnen und legte den Grundstein für die Macht, die die Vertriebenenverbände bis heute in der CDU/CSU haben. Erst kürzlich wurde um viel Geld ein „Vertriebenen“-Zentrum in Berlin eröffnet. Hier zeigt sich auch, dass nicht nur irgendwelche obskuren rechtsextremen Gruppen mit Grenzverschiebungen und dem Nachtrauern nach vergangener „Größe“ kein Problem haben, sondern, dass dies ein Thema ist, welches Rechtsextreme und Bürgerliche einträchtig zusammen bringt.

So ist es kein Wunder, dass die „Heimatvertriebenen“ eines der großen Themen einer intellektuellen Rechten sind, die 1995 in einer spektakulären Aktion an die Öffentlichkeit ging. In der FAZ wurde pünktlich zum 8. Mai ein Appell veröffentlicht, der Schluss machen wollte mit der „einseitigen“ Deklarierung von Opfern und Tätern im Zweiten Weltkrieg. Dieser klar aus dem rechtsextremen Milieu kommende Angriff wurde von vielen Bürgerlichen dankbar aufgenommen und bis heute geistert die Nachkriegsopferthese umher. Auch in Österreich passt kein Blatt Papier zwischen Rechtsextreme und Bürgerliche, wenn es um „Heimatvertriebene“ geht. Die Thematik wurde nicht so groß diskutiert wie in Deutschland und hängt sich weitgehend an der „Beneš-Dekrete“ auf. Von der Öffentlichkeit weitgehend unbemerkt werken die Landsmannschaften, die in offen revanchistischer und großdeutscher Manier Anspruch auf die Gebiete erheben. Die Publikation „Der Eckhart“ (früher Eckhartsbote) hat sich zu einem der wichtigsten rechtsextremen Medien im deutschsprachigen Raum gemausert. Dass die FPÖ hier keinerlei Berührungspunkte hat, ist wenig verwunderlich. Aber auch die ÖVP hat engen Kontakt zu den Landsmannschaften und subventioniert diese wo es geht. Das Bizarre ist, dass die „Heimatvertriebenen“ (von denen kaum noch einer am Leben ist) so verhätschelt werden, während richtige Flüchtlinge mit aller Härte bekämpft werden. Nicht zuletzt der Umgang mit den Refugees aus dem Servitenkloster zeigt die unglaubliche Heuchelei. Auch im Wahlprogramm werden Flüchtlinge vor allem mit Sicherheitsproblemen in Verbindung gebracht. Dazu wird in „guter“ law-and-order-Manier „Recht muss Recht bleiben“ proklamiert. Hier liegt der wahre Rassismus. „Gute“, deutsche Flüchtlinge werden auch noch in 100 Jahren verhätschelt, „böse“, „ausländische“ Flüchtlinge werden bestraft und unter Generalverdacht gestellt.

Christenverfolgung

In eine ähnliche Kerbe schlägt die „Christenverfolgung“. Eine Majorität in Österreich eignet sich den Opferstatus einer (christlichen) Minderheit in einem anderen Land an. Ein (fiktiver) Religionskrieg „gutes“ Christentum gegen „böser“ Islam wird dadurch befeuert. Dies wird weder kontextualisiert noch differenziert. So passt es auch in diese Logik, dass (christliche) Verfolgte zwar in einem anderen Land klar die Opfer, aber Verfolgte, die nach Österreich kommen, trotzdem die „Bösen“ sind. Ihnen wird eine Art Bündnis zu denen unterstellt, die irgendwo anders auf der Welt Christ_innen verfolgen. Das ist natürlich eine durch und durch rassistische Denkweise. So wird das Leid anderer gerne mit dem Leid von Flüchtlingen in Österreich aufgewogen und letzteren damit gesagt, sie hätten kein Anrecht auf ihr eigenes Leid. Es wird so getan, als seien Christ_innen die am meisten verfolgte Gruppe überhaupt und dementsprechend wird recht einseitig allein darauf aufmerksam gemacht. Bei Charity-Veranstaltungen fließen viele Gelder an NGOs, die sich einzig und allein mit diesem Thema beschäftigen. Flüchtlinge anderer Religionen oder die aus anderen Gründen verfolgt werden, gelten in dieser Logik nicht, wie der Umgang mit diesen beweist. (In Österreich aber z.B. auch die Weigerung solcher NGOs, Schwangerschaftsabbrüche nicht einmal nach Vergewaltigungen zuzulassen) Die ÖVP hat am 30. April gar eine ganze, hochkarätig besetzte Tagung samt Gottesdienst zum Thema „Christenverfolgung“ veranstaltet.

Das Thema ist kein alleiniges Thema (im Gegensatz zum Heimatvertriebenen-Narrativ) von rechtsextremer und rechtskonservativer Seite. NGOs, die sich für alle Flüchtlinge einsetzen, aber auch liberale Kirchen (ja, so etwas gibt es hie und da) setzen sich mit dem Thema auseinander und sollen auf gar keinen Fall in einen Topf mit Rechtsextremen geworfen werden. Der Unterschied liegt im „wie“. Wenn das Thema wie oben beschrieben angelegt ist, dann ist das ein ideales Brückenthema zwischen etablierten bürgerlichen und rechtsextremen Gruppen. Damit verbunden sind oft blanker Rassismus und ein Abwerten anderer Flüchtlinge und NGOs, die für diese arbeiten. Die Aufnahme der „Christenverfolgung“ bei Menschenrechten und die Verbindungen der „restlichen“ Flüchtlingspolitik mit grauslichem Rechtspositivismus und Sicherheitsfragen ist ein klares Schielen nach rechts. Das ist nicht verwunderlich, da viele ÖVP-Umfeld-Organisationen tief in diesen Kreisen verwurzelt sind. Der Cartellverband (CV) ist ein starker Faktor in einem streng rechtskonservativen bis antidemokratischen Milieu, wo Menschenrechte nur für Christ_innen gelten und Dollfuß und Franco Helden sind.

Extrem.Is.Mus(s)

Österreich ist sehr erfolgreich, was den Kampf gegen Terrorismus und extremistische Straftaten betrifft. Nicht zuletzt deshalb sind wir bisher großteils davon verschont geblieben. Wir werden auch weiterhin gegenüber Hasspredigern, ideologisch motivierten Extremisten und all jenen, die unsere Demokratie in Frage stellen, mit Null Toleranz vorgehen. Jede offene Gesellschaft braucht wirksame Instrumente, um sich gegen ihre Feinde zu verteidigen.

(ÖVP-Wahlprogramm Seite 72)

Nach Österreich kommt jedes Thema ca. fünf Jahre später. So versucht die ÖVP auch die leidige Extremismus-Debatte nach Österreich zu bringen. Eigentlich ist längst alles gesagt. Wer von einem Linksextremismus=Rechtsextremismus-Kugel-Kreis-Hufeisen-Modell ausgeht, hat einfach etwas Grundlegendes nicht verstanden. Etwa, dass es einen Unterschied macht, ob das Grundgesetz abgelehnt wird, weil mensch gerne ein demokratischeres Gesetz hätte oder weil mensch gerne Vernichtungslager aufsperren möchte. In Deutschland wurde die Extremismus-Theorie zur Staatsdoktrin erhoben und damit antifaschistische Arbeit dort, wo sie am dringendsten nötig ist, erschwert. Die Arroganz und Chuzpe ist atemberaubend: Bei Rechtsextremisten wegschauen und sie vielleicht sogar noch fördern, als Partei(en) nichts gegen Rechtsextremismus unternehmen, als Regierung die Kommunen und Gemeinden sich selbst überlassen und dann die bestrafen, die in Selbstorganisationen gegen Nazis aufstehen. So in etwa dürfte sich das die ÖVP auch vorstellen, auch wenn CDU und vor allem CSU damit gnadenlos gescheitert sind. Mit den Kriminalisierungsversuchen von Anti-WKR-Ball-Demos und Tierschützer_innen wurden schon erste Markierungen gesetzt. Gleichzeitig können sich Nazis in Österreich frei bewegen. Weder der WKR-Ball wurde und wird beobachtet noch das Objekt 21 hatte das Innenministerium am Radar. Bei Nazikonzerten begrüßt die Polizei die Gäste mit Handschlag (http://www.youtube.com/watch?v=5UPBSVKZZDk) und auch bei anderen Naziaktivitäten (etwa Alpen-donau.info) agiert das schwarze Innenministerium mehr als lax. Im Verfassungsschutzbericht werden bei Rechtsextremismus nicht einmal Organisationen geschweige denn Treffen oder Namen genannt, während dies bei „Linksextremismus“ sehr wohl der Fall ist. „Islamischer“ Terror wird dort sowieso zur größten aller Gefahren stilisiert, während die Straftaten klar zeigen, dass diese der Rechtsextremismus ist. Dieser hat, im Gegensatz zu allen anderen „Gefahren“ im Verfassungsschutzbericht, auch schon zu etlichen Todesopfern in der Zweiten Republik geführt. Über die Zeit davor und die Kontinuitäten brauchen wir ja eigentlich nicht reden. Anstatt die größte Gefahr beim Namen zu nennen, wird Rechtsextremismus nebulös unter „Extremismus“ versteckt. Das schützt Rechtsextreme, das schützt Nazis. Das suggeriert, dass jene, die sich antifaschistisch betätigen genauso sind wie Rechtsextreme. Gleichzeitig suggeriert es, dass es eine „gute“ unpolitische Mitte gibt, die das zu erreichende Ideal darstellt. Und das ist die ÖVP. Das ist völlig abstrus, wenn wir wissen, was z.B. der CV so alles tut und wenn wir sehen, welche Gesetze von der „Mitte“ beschlossen wird. Die „Mitte“ kann genauso rassistisch, homophob etc. pp. sein, wie ein „rechtsextremes Eck“. So ein Verhalten der „Mitte“ gibt rechter Gewalt erst Auftrieb und legitimiert diese. Damit gibt es einen qualitativen Unterschied was Gewalt betrifft, aber sonst keinen. Es gibt keine zwei Extreme und eine Mitte. Es gibt Narrative und Diskurse, die unterschiedlich bedient und gefördert werden. Wird ein rechtsextremer Diskurs, wie die drei genannten, befeuert, dann hilft das, wenig überraschend, vor allem jenen, die diese Logiken auch in physischer Gewalt Ausdruck verleihen wollen.

Hier eine Auflistung, wo das Innenministerium im Kampf gegen Rechtsextremismus versagt hat:

  1. Der WKR- oder „Akademiker“-Ball wird als das größte Treffen der internationalen, rechtsextremen Elite weder beobachtet noch thematisiert
  2. Antifaschistische Gruppen werden kriminalisiert
  3. Potentiellen Verbindungen zur NSU wird nicht nachgegangen (die Burschenschaft Raczeks zu Bonn mit engen Kontakten zum WKR, Normannia Jena)
  4. Rechtsextreme Gewalt wird unterschätzt und verleugnet (siehe Angriff auf den ehemaligen Bundesratpräsidenten Konecny)
  5. Vor den Augen des Innenministeriums konnten sich Netzwerke im Umfeld von organisierter Kriminalität, Gewalt und Rechtsextremismus etablieren – siehe Objekt 21
  6. In Österreich können Nazikonzerte völlig unbehelligt stattfinden (siehe Recherchen des Journalisten Thomas Kuban und der Dokumentation „Blut muss fließen“)